Zwanzig Jahre ist es her, seit Dietmar Stope aus Offenbach zurück in seine Geburtsstadt Görlitz gezogen ist. Und seit elf Jahren warten er und Bernhard Trott auf die Fertigstellung eines Bebauungsplans für Deutsch Ossig, wo den beiden der Oberhof gehört. „Es ist eine Tragödie, dass das so lange dauert“, sagt Stope. Die 20 Jahre zogen sich wie Kaugummi, sagt er: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich nach 20 Jahren immer noch im Wohnwagen bin, wäre ich nie nach Görlitz zurückgekehrt.“
Inzwischen sind Stope und Trott im Rentenalter angelangt. „Vor zehn Jahren hätten wir noch Geld von der Bank bekommen, aber in unserem Alter jetzt können wir keine größeren Summen mehr erwarten“, sagt Stope. Der 80 Meter lange und 15 Meter breite Kuhstall sollte eigentlich zum Hotel mit zwei Vollgeschossen werden: „Vor zehn Jahren wollten wir das in Angriff nehmen.“ Und jetzt? Als Rentner haben beide das nicht mehr vor. Vielleicht würden es irgendwann die Kinder von Bernhard Trott tun. Vielleicht, wohlgemerkt.
Widmung hat Vor- und Nachteile
Ein Hauptproblem von Deutsch Ossig ist die Zufahrt über die Strandpromenade. Solange sie nicht als öffentliche Straße gewidmet ist, können keine Baugenehmigungen für die Sanierung der Deutsch Ossiger Häuser erteilt werden. Wird sie aber gewidmet, kann die Zufahrt nicht mehr zum Kassieren von Parkgebühren abgesperrt werden. Dann könnte es zum Parkchaos kommen. Auch die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern könnte gefährdet sein. Nachdem der alte Stadtrat sich 2019 für eine Widmung ausgesprochen hatte, machte der neue Stadtrat 2020 eine Kehrtwende, und es kam doch nicht zur Widmung.
Bis heute stehen die Räte vor diesem Dilemma. Zuletzt sprach es vorigen Monat Danilo Kuscher (Motor Görlitz) im Stadtrat an: „Mehrere Eigentümer in Deutsch Ossig stehen in den Startlöchern, würden gern loslegen. Wir sollten das nicht mehr ewig liegenlassen.“ Bürgermeister Michael Wieler entgegnete, eine Widmung sei jederzeit möglich: „Voriges Jahr war sie aber im Stadtrat politisch nicht gewollt.“
Ralf Richter, der in Deutsch Ossig den Carari-Imbiss betreibt und dem das frühere Pfarrhaus gehört, sieht das Problem hauptsächlich bei CDU und AfD. An deren Mehrheit sei die Widmung gescheitert. „Wir als Eigentümer haben keine Lobby im Stadtrat“, beklagt er. Er habe alle Fraktionen wiederholt angeschrieben – und zum Teil noch nicht einmal Antworten bekommen. Mit OB Ursu, Bürgermeister Wieler und Amtsleiter Wilke habe er zuletzt im Oktober 2019 zusammengesessen, davor auch mit Ursus Amtsvorgängern Paulick und Deinege – in aller Regel ohne Ergebnis.
Richter will im Pfarrhaus, dessen Nebengebäuden und der Scheune Pension, Hotel und Gastronomie einrichten. Die Pläne liegen in der Schublade, aber ohne Straßenwidmung und Baugenehmigung gehe es nicht weiter. „Rein vom Gefühl rechne ich nicht vor 2027 mit einer Widmung“, sagt Richter. Beim Pfarrhaus sorge er dafür, dass das Dach dicht bleibt. „Aber wenn das Baurecht nicht bald kommt, dann wird ansonsten alles einfallen, sodass von Deutsch Ossig nicht mehr viel übrig sein wird.“
Damit rechnet auch Johannes Daume, der dritte Eigentümer in Deutsch Ossig. Seiner Familie gehört der Mittelhof – und der verfällt zusehends. Daume bedauert das sehr, ein Einsturz sei nicht in seinem Interesse: „Aber wenn man – so wie wir – seit über 15 Jahren wartet, dass man irgendetwas machen darf, dann muss man es auch wirtschaftlich betrachten.“ Sprich: Nur sichern ohne Zukunftsperspektive kommt für ihn nicht infrage. Sein Vater habe große Pläne für den Mittelhof gehabt, aber er sei im gleichen Alter wie Stope und Trott, sodass auch er sie nicht mehr umsetzen wird.
Johannes Daume selbst befasst sich aktuell auch nicht damit: „Gespräche mit Verwaltung und Stadträten bringen doch nichts, es wird nur geredet, aber es passiert nichts.“ Nur eins sei positiv: Er bekommt gerade einen Wasseranschluss. Davon profitieren seine Mieter: Das Ehepaar Otto, das die Milchbar betreibt und bisher das Wasser in Kanistern mitbringen muss. Ansonsten aber ist Daume mit der Situation so unzufrieden, dass er auch einen Verkauf nicht mehr ausschließt: „Wenn der Preis passt, ist das immer eine Option.“ Aber er suche nicht aktiv nach einem Käufer.
Für Stope dagegen kommt ein Verkauf nicht infrage: „Ich verkaufe doch kein Grundstück, das an Wert gewinnt.“ Immerhin habe auch er vor wenigen Monaten einen Wasser- und Abwasseranschluss erhalten. Aktuell gebe es Gespräche und Vor-Ort-Termine mit Bauamt und Denkmalschutz. „Wir wollen eine Bauvoranfrage stellen, um das Dach des Herrenhauses auf dem Oberhof retten zu können“, sagt Stope. Das Herrenhaus sei zu 90 Prozent verfallen: „Jetzt wollen wir den Rest des Gebäudes retten – mit oder ohne Bebauungsplan.“ Allerdings knüpfen Stope und Trott die Notsicherung an eine Bedingung: „Wir wollen im Herrenhaus kurzfristig Wohnungen für uns, ein Büro oder auch Ferienwohnungen errichten.“ Sollte das nicht erlaubt werden, wollen auch sie gar nichts in das Gebäude investieren. Dann würde wohl Richter Recht behalten mit seiner Annahme, dass in Deutsch Ossig bald alles einfallen wird.