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Görlitzer Welterbe-Bewerbung auf Tapete

In der Brüderstraße 9 gibt es ab sofort ein Welterbe-Infozentrum. Es zeigt viele Görlitzer. Und kann sich stetig wandeln.

Von Ingo Kramer
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Andrea Behr, Geschäftsführerin der Europastadt GmbH (links), und Janet Conrad, Geschäftsführerin der Evangelischen Kulturstiftung Görlitz, betrachten die gezeichneten Bilder von sich selbst.
Andrea Behr, Geschäftsführerin der Europastadt GmbH (links), und Janet Conrad, Geschäftsführerin der Evangelischen Kulturstiftung Görlitz, betrachten die gezeichneten Bilder von sich selbst. © Martin Schneider

Andrea Behr ist begeistert: „20 Jahre jünger sehe ich aus“, sagt die Chefin der Görlitzer Europastadt GmbH, als sie ihrem eigenen Porträt gegenübersteht. Gleich neben ihr steht Janet Conrad, Geschäftsführerin der Evangelischen Kulturstiftung Görlitz. Auch sie ist doppelt anwesend am Freitagmittag beim Görlitzer Kulturservice in der Brüderstraße 9. Und findet ihr Ebenbild ganz gelungen.

„Bertil Brahm von der Agentur Kocmoc hat anhand von Fotovorlagen alle Menschen handgezeichnet, die hier zu sehen sind“, sagt Kai Wenzel von den Görlitzer Sammlungen. Er ist verantwortlich für das, was am Freitag beim Kulturservice eröffnet wurde: Das Informationszentrum zur Welterbe-Bewerbung der Stadt Görlitz.

Das Welterbe-Infozentrum informiert mit Fotos, Zeichnungen und kurzen Texten über die Görlitzer Bewerbung.
Das Welterbe-Infozentrum informiert mit Fotos, Zeichnungen und kurzen Texten über die Görlitzer Bewerbung. © Martin Schneider

Hier können sich alle Görlitzer und Gäste der Stadt ein Bild davon machen, was es mit der Bewerbung auf sich hat. Und das nicht mit ellenlangen wissenschaftlichen Texten, sondern vor allem mit den Zeichnungen von Bertil Brahm, mit Fotos sowie kurzen, leicht verständlichen Texten. „Es sollte möglichst niederschwellig sein, sodass die Leute Lust bekommen, das, was sie hier sehen, bei einem Rundgang durch die Stadt zu entdecken“, sagt Wenzel.

An den Wänden hängen auch keine gerahmten Bilder oder dergleichen, sondern fast die ganze Ausstellung befindet sich auf Wandtapeten. Nur einzelne Modelle von Häusern ragen hier und da in den Raum hinein. „Wenn sich die Görlitzer Bewerbung weiter verändert, können wir manches einfach übertapezieren“, sagt Kai Wenzel. Das Info-Zentrum soll nicht statisch sein, sondern sich stetig wandeln können.

Die Idee für die Welterbe-Bewerbung ist über 30 Jahre alt, sagt Bürgermeister Michael Wieler: „1988 hatten Görlitzer, die die Altstadt retten wollten, die erste Idee dafür.“ Seitdem habe sich das Thema immer weiterentwickelt – bis zur aktuellen Bewerbungsschrift, die noch geheim sei, damit die Fachjury sich als Erste damit befassen könne. Unter dem Titel „Görlitz: ein Architekturensemble von Kaufleuten an der Via Regia“ geht es nicht mehr – wie beim vorherigen Anlauf – ausschließlich um die Hallenhäuser, sondern auch um den historischen Kontext, in dem sie stehen – um Görlitz als Handelsstadt.

Genau das will die Ausstellung vermitteln – in drei Teilen. Der Einstieg mit dem Titel „Welterbe – Wir bewerben uns“ zeigt, dass die Görlitzer Bewerbung nichts Rathaus-Internes ist, sondern auf breiten Schultern ruht. Und sie zeigt, worauf sich Görlitz eigentlich bewirbt und wie weit die Stadt schon gekommen ist. Momentan steht der Zeiger auf Station 1 von 5, aber er kann jederzeit weitergerückt werden.

Hallenhäuser sind Teil der Bewerbung

Der zweite Teil der Schau zeigt die Inhalte, mit denen sich Görlitz bewirbt. Hier spielt die mittelalterliche Handelsstraße Via Regia eine wichtige Rolle. „Wir zeigen aber auch die Häuser der Kaufleute, besonders die Hallenhäuser, denn die sind nach wie vor ein wichtiger Teil der Bewerbung“, erläutert Wenzel. Die Brüderstraße 9 sei genau der richtige Ort für diese Infos: Das Gebäude ist selbst ein Hallenhaus, in den oberen Etagen ist in den Sommermonaten eine Hallenhaus-Ausstellung geöffnet.

Im dritten Teil schließlich geht es um die Rettung der Görlitzer Altstadt. „Die Rettung kam im letzten Moment und uns war wichtig, darauf hinzuweisen“, so Wenzel. Viele könnten sich heute kaum noch vorstellen, in welch schlechtem Zustand beispielsweise der Schönhof vor 30 Jahren war. In der Schau ist es zu sehen.

Auch der Görlitzer Altstadtmillion und ihrem anonymen Spender ist eine Wand gewidmet.
Auch der Görlitzer Altstadtmillion und ihrem anonymen Spender ist eine Wand gewidmet. © Martin Schneider

Am Ende wartet ein Stadtplan mit allen wichtigen Gebäuden – als Aufforderung, sich auf den Weg zu machen, die Gebäude zu entdecken. Dass alles „nur“ zweisprachig Deutsch/Englisch beschriftet ist, ist dem zur Verfügung stehenden Platz geschuldet. Für Polnisch und Tschechisch soll es demnächst neue Medien geben, mit denen der Rundgang möglich sein wird.

Der weitere Zeitplan in Richtung Welterbe steht fest. „Auf Landesebene ist unsere Bewerbung gesetzt“, sagt Wieler. Der Freistaat reicht die Görlitzer Bewerbung im Oktober bei der Kultusministerkonferenz ein. Diese setzt dann eine Fachjury ein. Für Dezember 2022 wird der Abschlussbericht des Fachbeirates erwartet, für Oktober 2023 der Beschluss der Kultusministerkonferenz. Im Januar 2024 soll schließlich die Tentativliste bei der Unesco eingereicht werden. Voriges Mal standen etwa zehn Orte auf der Liste, von denen die Unesco im Schnitt einen pro Jahr in die Welterbeliste aufgenommen hat. Sollten es wieder zehn sein, und sollte Görlitz dabei sein, hätte die Stadt gute Chancen, in den zehn Jahren zwischen 2025 und 2034 auf die Welterbeliste zu kommen. „Statistisch gesehen ist es unwahrscheinlich, dass wir schon 2025 aufgenommen werden“, sagt Wieler. Und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Aber von der Qualität her ist es geradezu sicher.“

Geöffnet ab 26. Juni immer Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Montag geschlossen, Führungen auf Anfrage über die Stadtverwaltung, Eintritt frei