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Wie Bombardiers Zukunft unter Alstom aussieht

Ein größerer Stellenabbau steht wohl nicht an. Dafür wird der Rohbau von Straßenbahnwagen erweitert. Und: Görlitz hat einen neuen Chef im Werk.

Von Matthias Klaus
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Carsten Liebig, bisheriger Leiter des Görlitzer Bombardier-Werkes, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Görlizter OB Octavian Ursu (v.l.,u.) beim Besuch des Bombardier-Werkes im Dezember.
Carsten Liebig, bisheriger Leiter des Görlitzer Bombardier-Werkes, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Görlizter OB Octavian Ursu (v.l.,u.) beim Besuch des Bombardier-Werkes im Dezember. © Paul Glaser / glaserfotografie.d

Das Problemkind ist keins mehr. Das sagte jedenfalls Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) während seines jüngsten Besuches im Görlitzer Bombardier-Werk. Ja, er habe sich in den vergangenen Jahren Sorgen um Bombardier gemacht, schilderte er. "Aber so wie das Unternehmen jetzt aufgestellt ist, kann es in die Zukunft gehen", so Michael Kretschmer.

Das war im Dezember. Da war der Ministerpräsident gekommen, um den Rohbau eines neuen Straßenbahnwagens für Dresden abzunehmen - symbolisch natürlich. Ein positives Signal an die Belegschaft in Görlitz, zweifellos. Über allem waberte allerdings ein bisschen Unsicherheit: Was passiert mit Bombardier, wenn das Unternehmen durch den französischen TGV-Hersteller Alstom übernommen wird? Droht Stellenabbau in Sachsens Werken?

Auftragsbücher sind voll

Bombardier Transportation beruhigt. In den nächsten Jahren müssten die Beschäftigten keinen größeren Stellenabbau fürchten. "Unsere Bücher sind prallvoll mit Aufträgen, wir brauchen unsere deutschen Ingenieure und Fabriken, um die abzuarbeiten. Die nächsten zwei bis drei Jahre geht es allein darum", sagte Danny Di Perna, Vorstandschef von Bombardier Transportation der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Auf absehbare Zeit brauche es kein Restrukturierungsprogramm. "Aber selbstverständlich optimieren wir die Organisation fortlaufend", sagt er.

Derweil meldet sich zum Thema auch Rüdiger Grube in der Zeitung zu Wort, bis 2017 Chef der Deutschen Bahn und inzwischen Aufsichtsratschef von Bombardier Transportation. "Alstom kann und wird nicht die Power der deutschen Standorte ignorieren", sagt er. Der kanadische Bombardier-Konzern hatte im Februar vergangenen Jahres den Verkauf seiner Eisenbahnsparte an den Rivalen Alstom bekanntgegeben. Bis Ende dieses Monats soll das Geschäft abgeschlossen sein.

Dritte Produktionsline für Straßenbahnen geplant

Vor Ort in Görlitz ist man auf das Geschaffene zu Recht stolz. "Wir haben trotz Corona das ganze Jahr über gearbeitet, ein entsprechendes Sicherheitskonzept umgesetzt", sagt Carsten Liebig. Der 65-Jährige Chef des Görlitzer Werkes verlässt das Unternehmen, geht in den Ruhestand.

Carsten Liebig gibt dennoch schon mal einen kleinen Ausblick auf die nähere Zukunft des Görlitzer Werkes. "Wir sind in einem Transformationsprozess", sagt er. Die Anstrengungen der vergangenen anderthalb Jahre hätten sich auf jeden Fall gelohnt, sagt er mit Blick auf den Straßenbahn-Bau.

Im zweiten Halbjahr dieses Jahres soll demnach eine dritte Produktionslinie für Straßenbahn-Wagenkästen eingerichtet werden. "Wir haben dann hier eine moderne Fließfertigung", sagt Carsten Liebig.

Großauftrag vor dem Jahreswechsel

Im vergangenen und in diesem Jahr zusammen werden im Görlitzer Bombardier-Werk sechs Millionen Euro investiert. Fünf unterschiedliche Straßenbahn-Projekte werden abgearbeitet, darunter für Essen, Göteborg, die Wiener Lokalbahnen.

Kurz vor dem Jahreswechsel gab es noch einen Großauftrag aus Berlin über 570 Millionen Euro. In den Standorten Bautzen und Görlitz sollen 117 neue Straßenbahnen für die dortigen Verkehrsbetriebe gebaut werden.

Gute Aussichten also. Inzwischen wurde auch ein weiteres Problem gelöst: Der Doppelstock-Expresszug am Lac Léman in der Schweiz, der von Bombardier in Görlitz und Villeneuve produziert wird, fährt verlässlich. Die Schweizer Staatsbahn SBB hatte Fehler beim zum Großteil in Sachsen gebauten FV-Dosto reklamiert – in Summe 59 Schnellzüge für fast 1,7 Milliarden Euro. Die ersten sollten 2013 unterwegs sein, fuhren aber erst vier Jahre später. Die Beteiligten einigten sich auf drei zusätzliche Züge zum Nulltarif. Bis Frühjahr 2022 soll der letzte Zug geliefert werden.

Robert Heuser ist der neue Mann an der Spitze des Görlitzer Bombardier-Werkes.
Robert Heuser ist der neue Mann an der Spitze des Görlitzer Bombardier-Werkes. © Paul Glaser / glaserfotografie.d

Neuer Mann an der Bombardier-Spitze in Görlitz

Kritisiert wurde in der Vergangenheit auch immer wieder, dass es keine Informationen von Bombardier und SBB zur Verlässlichkeit der Züge gebe. Auch das hat sich nun geändert. Auf einer Internetseite kann man sich jetzt ganz einfach über das Thema informieren.

Carsten Liebig sieht Görlitz als Teil eines sächsischen Waggonbaustandortes. "Görlitz hat sich darin auf die Wagenkästen spezialisiert", sagt er. Er sehe Bombardier ebenfalls gut für die Zukunft aufgestellt, auch mit dem Übergang zu Alstom. An den beiden sächsischen Bombardier-Standorten Bautzen und Görlitz arbeiten rund 2.000 Beschäftigte.

Michael Kretschmer wiederum würdigt Carsten Liebigs Engagement in den vergangenen Jahren. "Er hat Grenzen überschritten und mit einem gesunden Maß an Lokalpatriotismus Dinge bewegt", sagt der Ministerpräsident. Der neue Mann an der Görlitzer Bombardier-Spitze heiß Robert Heuser. Er ist bereits seit vergangenem November im Werk. "Ich bin in meiner neuen Rolle gut angekommen", sagte er kurz vor dem Jahreswechsel.

Für Bombardier, so Michael Kretschmer, habe 2020 jedenfalls einen guten Schlusspunkt gefunden. Straßenbahnen, weiß er aus seiner Heimatstadt, wie sie jetzt bei Bombardier im Rohbau entstehen, seien immer ein emotionales Thema.

Das findet auch der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU). "Ich hoffe sehr", sagt er, "dass, wenn es neue Wagen für die Stadt gibt, sie aus Görlitz kommen."

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