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Wie Görlitz zum Wasserstoff-Zentrum werden soll

Fraunhofer baut auf dem Siemens-Campus ein Testzentrum für die neue Technologie auf. Bereits 2022 soll es starten. Zittau hilft mit dabei.

Von Matthias Klaus
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Sieht es in Görlitz bald so aus wie hier in Dresden? Dort rüsten Drewag und Enso rüsten ihre Fahrzeugflotte mit Wasserstofffahrzeugen auf.
Sieht es in Görlitz bald so aus wie hier in Dresden? Dort rüsten Drewag und Enso rüsten ihre Fahrzeugflotte mit Wasserstofffahrzeugen auf. © René Meinig

Bei den Nachbarn in Brandenburg funktioniert das schon ganz gut mit dem Wasserstoff. In Cottbus fahren manche Abfallautos damit und die Cottbusverkehr GmbH will in naher Zukunft wasserstoffbetriebene Busse einsetzen. "Wir haben geschaut, was an umweltfreundlichen Antrieben in unser Profil passt. Elektro oder Wasserstoff", sagt Frank Thalmann, Chef des Unternehmens. Da Cottbusverkehr neben der Stadt viel auf dem Land unterwegs ist, fiel die Wahl auf Wasserstoff.

Ist er der Energieträger der Zukunft? Und kann oder muss sogar der Strukturwandel in der Lausitz darauf setzen? Darum ging es am Mittwoch bei einem Treffen bei der IHK Cottbus. Das Thema: Wasserstoffnetzwerk Lausitz, ein länderübergreifendes Vorhaben zwischen Brandenburg und Sachsen oder besser zwischen Südbrandenburg und Ostsachsen, den Kreisen Bautzen und Görlitz.

Wasserstoff soll Aushängeschild im Strukturwandel sein

„Wasserstoff hat das Potenzial, eines der wichtigsten technologischen Aushängeschilder der Lausitz zu werden", sagt Jens Krause. Er ist der Sprecher des Wasserstoffnetzwerkes Lausitz „DurcH2atmen“. Etwa 60 Projekt- und Produktideen von Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und Investoren rund um das Thema Wasserstoff gibt es in der Region inzwischen. Die Lausitz ist eines von neun Wasserstoff-Entwicklungszentren bundesweit. 600.000 Euro hat der Bund gerade an Fördermitteln dem hiesigen Netzwerk zugesagt.

Einer der wichtigen Partner ist das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Zittau. Gemeinsam mit Fraunhofer aus Halle und Siemens Görlitz soll das „Hydrogen Lab Görlitz" auf dem hiesigen Innovationscampus aufgebaut werden. "Es wird ein Testzentrum rund um das Thema Wasserstoff", sagt Sebastian Schmidt von Fraunhofer Zittau. Dabei gehe es unter anderem um Standardisierung und Zertifizierung entsprechender Technologien beziehungsweise deren Weiterentwicklung. Bis 2022 soll das Hydrogen Lab aufgebaut und in Betrieb genommen werden.

Hydrogen Lab in Görlitz wird Technik testen und entwickeln

Sebastian Schmidt sieht das Hydrogen Lab auch als eine Forschungsplattform dafür, wie künftig Technik rund um den Wasserstoff produziert werden kann - von der Energiegewinnung, über die Speicherung bis hin zur Verwendung für Endprodukte. "Der derzeitige Manufakturbetrieb wird den Markt der Zukunft nicht mehr bedienen können", sagt er. Mit größeren Produktionskapazitäten würden dann auch neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen. Zudem soll die akademische Ausbildung zum Thema Wasserstoff eine Rolle spielen und die kooperative Ingenieursausbildung, wie sie an der Hochschule Zittau-Görlitz schon seit Jahren praktiziert wird.

Stefanie Randig ist die Projektleiterin Innovation und Transformation auf dem Siemens-Innovationscampus in Görlitz und hat unter anderem den Strukturwandel in der Gegend im Blick. Derzeit sind unter anderem zwei Start-ups auf dem Campus angesiedelt. "Wasserstoff ist bei uns ein zentrales Element", sagt sie. Die Ansiedlung des Fraunhofer-Testzentrums sieht Stefanie Randig als ein "ganz wichtiges Projekt". "Es ist eine Art Weichenstellung, um Wasserstofftechnologien in die Region zu holen", sagt sie.

Weichenstellung für neue Technologie in der Region

Siemens selbst hat sich in Görlitz das Ziel "klimaneutrale Fabrik" gesetzt. Bis 2025 soll es eine Kohlendioxid-neutrale Energieversorgung für den Standort geben.

Dass Wasserstoff der Energieträger der Zukunft sein wird, darin sind sich die Mitglieder des Treffens am Mittwoch einig. Aber auch darin, dass es bis zur Serienreife beziehungsweise dem unkomplizierten Einsatz der Technik noch ein weiter Weg ist. Dies beginne bereits mit dem Aufbau eines Tankstellennetzes, das es so faktisch in Ostsachsen und Südbrandenburg nicht gebe, sagt Mario Lehmann. Er ist Netzwerkmanager im Wasserstoffnetzwerk Lausitz. Elektromobilität, sagt er, ist aber nicht in jedem Fall die bessere Alternative zu den Verbrennern. "Gerade im ländlichen Raum wegen der geringeren Reichweite", so Mario Lehmann.

Ein großes Problem ist die energieintensive Elektrolyse, um den Wasserstoff zu gewinnen. "Der Strom ist noch zu teuer, um ihn dafür direkt aus dem Netz zu holen", sagt Jens Krause. Kleinere "Insellösungen" seien gefragt, etwa Stromerzeugung per Photovoltaik, Stromspeicher, Elektrolyse, Brennstoffzelle.

Ohne Fördermittel geht es nicht

"Das eine große Kraftwerk zur Stromerzeugung wird es in Zukunft nicht mehr geben", sagt Prof. Hans-Joachim Krautz vom Centrum für Energietechnologie Brandenburg. Er sehe zu Wasserstoff keine Alternative. "Der Ausstieg aus der Kernkraft ist aus meiner Sicht nicht mehr rückgängig zu machen, der Kohleausstieg beschlossen. Bleibt nur Wasserstoff neben Erdgas", sagt Hans-Joachim Krautz.

Ohne eine Anschubfinanzierung werde wenig laufen, sagt Jens Krause. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und fünf Milliarden Euro an Zuschüssen für die Technologie bereitgestellt, bundesweit. "Wir sind uns relativ sicher, dass es nach Corona auch noch da ist", sagt Jens Krause. So viel wie möglich von der Summe solle in die Lausitz fließen.

Wie teuer die Technologie sein kann, musste auch die Cottbusverkehr GmbH erfahren. "Ein Dieselbus fährt derzeit wirtschaftlicher als einer, der mit Wasserstoff betrieben wird", sagt Chef Frank Thalmann. Deshalb setzt das Unternehmen auch auf eine eigene Stromerzeugung. Für die Busse gibt es Zuschüsse beim Kauf: 80 Prozent für ein kommunales Unternehmen, 50 Prozent für ein privates. "Und", das ist Frank Thalmann noch wichtig, "unsere Wasserstofftankstellen werden öffentlich sein, für Lkw wie für den Privat-Pkw."

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