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Kurzarbeit in Görlitz – weil Corona in Indien wütet

Sysmex Partec hat zwei neue Gebäude auf der Arndtstraße eingeweiht. Trotz Problemen sucht die Firma Mitarbeiter.

Von Ingo Kramer
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Mike Kögler (links) und Gerhard Thiel fertigen in der neuen Maschinenhalle bei Sysmex Partec in Görlitz Teile an Fräs- und Drehmaschinen.
Mike Kögler (links) und Gerhard Thiel fertigen in der neuen Maschinenhalle bei Sysmex Partec in Görlitz Teile an Fräs- und Drehmaschinen. © Foto: Paul Glaser

Michael Esther hat Grund zur Freude: „Am Mittwoch haben wir die Zusage erhalten für die Entwicklung der nächsten Generation von Geräten für die HIV-Therapie“, berichtet der Geschäftsführer der Sysmex Partec GmbH auf der Görlitzer Arndtstraße. Diese Entwicklung soll in Görlitz stattfinden, wo jetzt auch wieder neue Mitarbeiter gesucht werden.

Und das, obwohl das Diagnostikunternehmen aktuell unter der Corona-Krise leidet. „Die HIV-Therapie-Kontrolle ist eines unserer Hauptstandbeine“, sagt Esther. Doch auf diesem Gebiet würden viele Länder aktuell nicht groß investieren: „In Indien und Afrika wird momentan alle Kraft in die Bekämpfung der Corona-Pandemie gesteckt.“ HIV ist da momentan zweitrangig – und das ist schlecht für die Görlitzer.

Geschäftsführer Michael Esther steht in den Produktionsräumen des Diagnostikunternehmens Sysmex Partec auf der Arndtstraße in Görlitz.
Geschäftsführer Michael Esther steht in den Produktionsräumen des Diagnostikunternehmens Sysmex Partec auf der Arndtstraße in Görlitz. ©  Archivfoto: Nikolai Schmidt

Im Winter mussten Teile der Produktion sogar in Kurzarbeit gehen. Aktuell werden alle Kollegen gebraucht, aber inzwischen deutet sich die nächste Delle an. „Ab Juni gehen wir mit der Instrumentenproduktion in die Kurzarbeit.“ Reichlich 30 Mitarbeiter sind betroffen. Für sie bedeutet das 80 Prozent Anwesenheit und 20 Prozent Kurzarbeit. Das Gehalt bekommen sie vom Arbeitgeber auf 100 Prozent aufgestockt. „Das haben wir im Winter auch so gemacht“, sagt Esther. Er hofft, dass die Kurzarbeit nur zwei Monate dauert.

Geschäftsjahr mit schwarzer Null abgeschlossen

Von wegbrechenden Aufträgen will der 55-Jährige nicht sprechen: „Ich denke, die Aufträge verzögern sich nur.“ Aber für die Mitarbeiter ändert das auch nichts an der Situation. Esther spricht von „etwas mehr als zehn Prozent Umsatzeinbußen“. Insgesamt sieht er das Unternehmen aber trotzdem „in keiner traurigen Phase“. Immerhin habe die Firma das Geschäftsjahr Ende März mit einer schwarzen Null abschließen können – trotz der fehlenden Aufträge bei Geräten für die HIV-Therapie. Kompensiert werden konnte das, weil alle anderen Geschäftsfelder nicht von der Corona-Krise betroffen sind und deshalb konstant blieben oder sogar zulegen konnte. Zudem habe das Unternehmen seine Effizienz steigern können, berichtet der Geschäftsführer: „Und nicht zuletzt haben wir auch eine Unterstützung vom Konzern erhalten, um die schwarze Null zu schaffen.“

Keine Aufträge in der Corona-Forschung

Eine Form der Unterstützung blieb aber aus: Sysmex Partec bekam keine Aufträge in der Corona-Forschung. Darum kümmern sich der Mutterkonzern in Japan und andere Firmen, die zum Konzern gehören. „Wir haben in Görlitz andere Standbeine, auf die wir spezialisiert sind“, so Esther.

Ein wesentlicher Punkt im alten Geschäftsjahr war auch die Fertigstellung und Inbetriebnahme der beiden Neubauten auf dem Firmengelände auf der Arndtstraße in der Südstadt. Beide zusammen haben 1.200 bis 1.400 Quadratmeter Nutzfläche und sollten schon ab 1. April vorigen Jahres bezogen werden. Wegen Corona lief der Innenausbau allerdings langsamer als geplant. Der erste Teil sei im Sommer bezogen worden, der zweite noch später, sagt Esther: „Und zum Jahresende haben wir dann die WHO-Zertifizierung für die Produktion in den neuen Gebäuden erhalten.“ Das sei ein wichtiges Qualitätssiegel, das bei Sysmex Partec regelmäßig überprüft wird – und bei einem Umzug sowieso.

Sysmex Partec gibt Flugplatz auf

Im Größeren der beiden Neubauten ist ein Teil des Lagers untergebracht, außerdem die Produktion der Untergestelle. Letztere ist vom alten Standort am Flugplatz hergezogen. Das zweite neue Gebäude ist eine Maschinenhalle. In ihr werden Dreh- und Frästeile für Analysatoren in Japan produziert. „Wir liefern eine wesentlich höhere Qualität als die Japaner selbst“, sagt Esther stolz: „Der Konzern wertschätzt das auch sehr.“ Die Neubauten sind Flachbauten. Die Idee, den Größeren aufzustocken, existiert nach wie vor. Aber momentan ist das noch nicht vorgesehen: „Aktuell geht es bei uns um Effizienzsteigerung.“ Beispielsweise werde der Versand optimiert: Was produziert wird, soll schnell versandt und nicht lange gelagert werden.

Den alten Standort am Flugplatz gibt Sysmex Partec nach längerem Hin und Her nun doch komplett auf. Aktuell besitzt die Firma dort noch zwei Gebäude. „Das eine ist klein und wertlos, das reißen wir ab“, sagt Esther. Das andere – die Maschinenhalle – sei hingegen sehr gut nutzbar. Das komplette Gelände werde jetzt verkauft, der Notartermin sei schon bald. Wer der Käufer ist, will Esther noch nicht verraten, nur so viel: Es handelt sich um eine Firma, die schon in Görlitz ansässig ist.

Mitarbeiterzahl minimal gesunken

Damit ist in Görlitz nun alles auf der Arndtstraße konzentriert, 143 Mitarbeiter arbeiten dort. Zusammen mit Münster und Leipzig hat Sysmex Partec derzeit rund 200 Mitarbeiter. Die Zahl in Görlitz ist seit 2018 relativ konstant, zuletzt leicht gesunken: Es waren mal gut 150. „Aber wir mussten niemandem aufgrund der Corona-Krise kündigen“, sagt Esther. Die, die nicht mehr da sind, seien von selbst gegangen.

Jetzt will er wieder einstellen: „Wir suchen einen Teamleiter und einen Mitarbeiter für die Zulassungsabteilung, einen Entwickler für die Gerätekonstruktion, einen Software-Entwickler und je einen Mitarbeiter für technische Dokumentation und Einkauf.“ Nur für die Produktion wird aktuell niemand gesucht. Bei der Forschung und Entwicklung brenne es hingegen: „Wir bekommen immer mehr Entwicklungsaufträge aus dem Konzern und dafür brauchen wir viele Leute.“

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