Nur wenige Menschen nutzen an diesem Sommermorgen den gläsernen Aufzug hinauf zum Meißener Domplatz. Am Steilhang erstreckt sich der Garten des ersten deutschen Schlosses, der Albrechtsburg. Efeu wuchert entlang der Burgmauer, auf der das weithin sichtbare Kornhaus thront. Oben schneiden Bauarbeiter Sandsteine zurecht, ein Bagger bugsiert sie an die vorgesehenen Stellen. Ein barrierefreier Fußweg entsteht vom Lift bis zum Dom. "Jetzt ist auch der Außenbereich am Kornhaus nicht mehr nutzbar", ärgert sich Jens Mahlow. Der 58-Jährige wohnt gegenüber. Gemeinsam mit seiner Frau Jeannette gründete er den Verein "Mit Zahnrad und Zylinder". Der organisierte 2017 das erste und bislang auch letzte Mal ein Festival im Kornhaus. "Schon damals ging es darum, den Ort vor dem Vergessen zu retten", sagt Mahlow.
Aus ihm sprudeln die geschichtlichen Daten. In der linken Hand hält er ein Notizbuch, mit der rechten gestikuliert er in Richtung Kornhaus. Es entstand Ende des 15. Jahrhunderts und ist damit ebenso alt wie das Schloss. Etwas mehr als 200 Jahre später ließ August der Starke im Kornhaus die erste Produktionsstätte errichten für das Meißner Porzellan, das aktuell Weltkulturerbe werden soll. Dann baute König Johann das Gebäude im 19. Jahrhundert als Quartier für die Fürstenfamilie aus. Mahlow zeigt auf die dreigeschossige Fassade mit gotischen Giebeln und Fenstern, auf das hohe Satteldach. Bis 1945 habe das Kornhaus mit der Albrechtsburg eine "logistische und eigentumsrechtliche Einheit" gebildet. Es sei ein Symbol für die Geschichte sächsischer Kurfürsten und Könige.