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Poker um Bürgermeisteramt von Arnsdorf?

Der Ort braucht dringend ein Gemeindeoberhaupt. Der Gemeinderat lehnte aber einen frühen Wahltermin ab. Manche sagen: aus Wahltaktik.

Von Thomas Drendel
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Seit Monaten ist der Stuhl des Bürgermeisters im Arnsdorfer Gemeindeamt verwaist. Im September soll ein neues Gemeindeoberhaupt gewählt werden.
Seit Monaten ist der Stuhl des Bürgermeisters im Arnsdorfer Gemeindeamt verwaist. Im September soll ein neues Gemeindeoberhaupt gewählt werden. © Archivfoto: Thorsten Eckert

Arnsdorf. Die Gemeinde Arnsdorf hat einen Neuanfang bitter nötig: Jahrelang sorgte sie für Negativschlagzeilen. Der Übergriff auf einen Asylbewerber im Supermarkt des Ortes, die anschließende Gerichtsverhandlung, ein Abwahlverfahren gegen die Bürgermeisterin, Strafanzeige, Rücktrittsforderungen. Dazu eine klamme Gemeindekasse. 

Und gerade in dieser Situation ist der Stuhl des Bürgermeisters unbesetzt. Schon seit 18 Monaten ist er leer. Erst durch die Erkrankung der Amtsinhaberin, dann durch ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Amt. Der Stellvertreter Volker Winter ist jetzt für den Gemeinderat und die Ausschüsse sowie für repräsentative Aufgaben verantwortlich. Die Gemeindeverwaltung wird von zwei Amtsleiterinnen geleitet.

Das alles sind Gründe, keine Zeit zu verlieren und das Amt schnellstens zu besetzen, sagt Franziska Martin, Fraktionsvorsitzende des Bürgerforums 1990 im Arnsdorfer Gemeinderat. Mit sechs Sitzen ist es die stärkste Fraktion im Gemeinderat. „Es stehen zudem wichtige Entscheidungen an. Die Kämmerin scheidet in wenigen Wochen ebenfalls aus dem Amt, das ist dann ein weiterer wichtiger Posten in der Gemeindeverwaltung, der nicht besetzt ist“, sagt sie.

Für das Bürgerforum war das Anlass, auf der jüngsten Gemeinderatssitzung den Antrag zu stellen, die Wahl des neuen Bürgermeisters auf Ende Juni zu legen. Laut einer neuen Verfügung des sächsischen Innenministeriums sind jetzt wieder Wahlen möglich. „Wir hätten zunächst den alten Beschluss aus den Anfangszeiten der Corona-Pandemie aufheben müssen. Er sieht eine Wahl am 20. September vor. Anschließend hätten wir uns auf einen neuen Termin einigen müssen.“ 

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Doch der Antrag fand keine Mehrheit. „Er wurde mit den Stimmen von CDU und AfD in den nichtöffentlichen Teil verlegt und fand dort keine Zustimmung. Die Öffentlichkeit erfährt somit nicht einmal etwas über die Argumente, die zu der Ablehnung geführt haben. Das ist sehr schade“, sagt Franziska Martin. Ihr Eindruck ist, dass sich die anderen Parteien im Gemeinderat im Dauerwahlkampf befinden und Entscheidungen eher wahltaktisch gefällt werden als sachorientiert. Eventuell auch die zum Wahltermin. 

Zugeknöpft gibt sich in dem Zusammenhang der stellvertretende Bürgermeister Volker Winter (CDU). Auf die Frage, welchen Wahltermin er befürwortet, sagte er nur: „Kein Kommentar.“ Frank Eisold, CDU-Kandidat für das Bürgermeisteramt, gibt dagegen Auskunft. „Der vorgeschlagene Wahltermin war zu kurzfristig. Ein Wahlkampf dauert in der Regel sechs Wochen, die hätten wir nicht gehabt. Ein zweiter Wahlgang, der sehr wahrscheinlich ist, wäre womöglich in die Sommerferien gefallen. Auch das spricht gegen einen vorgezogenen Termin.“ Er sei gegen Schnellschüsse, die Wahl müsse ordentlich vorbereitet werden. 

Dass die Entscheidung aus wahltaktischen Gründen gefallen ist, glaubt er nicht. „Ich sitze ja selbst nicht im Gemeinderat. Ich kann nur für mich sprechen. Wir Kandidaten hatten ja schon Zeit, uns vor dem ursprünglich vorgesehenen Termin ausreichend vorzustellen. Das hat auch jeder getan. Die Arnsdorfer wissen also, wen sie wählen. Eine spätere Wahl dürfte also niemandem Vorteile verschaffen.“ Er will die Wochen bis zum 20. September nutzen, um zu weiteren Veranstaltungen einzuladen und seine Ideen vorzustellen. 

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Ilko Keßler, Bürgermeisterkandidat des Bürgerforums 1990, hätte lieber einen frühen Wahltermin gesehen. „Die Verwaltung hat viele Aufgaben zu erledigen. Es ist wichtig, dass alle Stellen besetzt sind, das gilt besonders für das Amt des Bürgermeisters. Für eine Wahl vor den Sommerferien hätte die Zeit ausgereicht, sie wäre auch fair gewesen.“ Er finde es schade, dass die Diskussion über den Wahltermin nicht öffentlich abgelaufen sei. „So eine Entscheidung sollte transparent sein. Die Arnsdorfer sollten nachvollziehen können, weshalb es zu der Ablehnung gekommen ist. Nur wer die Argumente kennt, kann sie auch an der Wahlurne berücksichtigen.“ 

Ilko Keßler stimmt seinem CDU-Kollegen zu, dass die Kandidaten schon zuvor ausreichend Zeit hatten, sich den Arnsdorfern vorzustellen. „Eine frühe Wahl hätte keinem Bewerber geschadet und der Gemeinde genutzt. Sie wäre eher wieder voll handlungsfähig gewesen.“ Er will ebenfalls in den kommenden Wochen zu weiteren Wahlkampfveranstaltungen einladen und mit den Einwohnern sprechen. 

Der Kandidat der AfD, Detlef Oelsner,  verweist auf zeitliche Vorgaben des Wahlrechts und den großen organisatorischen Aufwand. "Ein vorgezogener Termin hätte frühestens Ende Juni stattfinden können und der zweite Wahlgang wäre dann in die Sommerferien gefallen", teilt er mit.  

Wie das Rennen um das Bürgermeisteramt in Arnsdorf am 20. September ausgeht, ist völlig offen. Bei der Gemeinderatswahl im vergangenen Jahr konnte das Bürgerforum die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Gut 40 Prozent der Arnsdorfer, die zur Wahlurne gingen, setzten ihr Kreuzchen bei der Wählervereinigung. CDU und AfD lagen nach Angaben des Statistischen Landesamtes jeweils bei knapp 30 Prozent.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, dass der Stellvertreter  des  Bürgermeisters, Volker  Winter, die Geschäfte der Gemeinde leitet. Er ist aber lediglich für den Gemeinderat und die Ausschüsse sowie für repräsentative Aufgaben verantwortlich. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.

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