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So steht es um die neue Bahnstrecke Dresden-Prag

Planer aus ganz Europa sind interessiert an der neuen Tunnelbahn. Der Konzern verspricht Transparenz, eine Bürgerinitiative sammelt Einwände.

Von Michael Rothe
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Sieben Varianten sind im Gespräch, wie künftig Züge von Dresden nach Prag fahren sollen. Hier ein Blick auf den Bahnhof in Prag.
Sieben Varianten sind im Gespräch, wie künftig Züge von Dresden nach Prag fahren sollen. Hier ein Blick auf den Bahnhof in Prag. © Gregor Fischer/dpa

Die geplante neue Bahntrasse zwischen Dresden und Prag wird auf dem Papier konkreter – und der Ruf nach einer Volltunnelvariante lauter. Zu den von der Deutschen Bahn im Dezember veröffentlichten Versionen seien je zehn Wortmeldungen von Behörden und Bürgern eingegangen, sagt Kay Müller, Projektleiter bei Bahntochter DB Netz. Weil die Akten bis Ende Februar in betroffenen Gemeinden auslägen, erwartet der Manager das Gros der Stellungnahmen zur Monatsmitte. Bisherige Hinweise würden vor allem auf das Statement der Bürgerinitiative im Internet eingehen.

Die vom drohenden Bahnlärm Betroffenen fühlten sich außen vorgelassen, moniert dort das Bündnis um Vorstand Steffen Spittler, „daran ändern auch Öffentlichkeitstermine und Dialogforen nichts“. Es sei Zeit, „nicht nur von der Bahn, sondern auch von der Politik Bauvorhaben so zu gestalten, dass diese die Sorgen der Bürger aufnehmen, auch wenn dadurch höhere Kosten entstehen“. Pflanzen und Tiere hätten eine Lobby, für sie gebe es Sonderbauten. Der Mensch werde mit 49 Dezibel Lärm als eingehaltenen Grenzwert in der Nacht abgespeist. „Diese Sichtweise muss aufhören“, so die Forderung. Laut der Initiative sind 10.000 Anwohner betroffen.

Nach monatelanger Begutachtung hatte die Bahn der Landesdirektion vor Weihnachten sieben Varianten zum Raumordnungsverfahren übergeben, von denen nach Ansicht von Manager Müller aber nur drei Volltunnelversionen und eine teils oberirdische Variante eine realistische Chance auf Umsetzung haben. Gleichzeitig wurde die Beteiligung der Öffentlichkeit am Milliarden Euro teuren Generationenprojekt gestartet, das die Fahrzeit zwischen Sachsens Landeshauptstadt und der tschechischen Metropole auf etwa eine Stunde mehr als halbieren soll.

Ursprünglich lagen zehn Varianten auf dem Tisch: fünf des Freistaats, je zwei von der Bahn und einer Bürgerinitiative sowie die eines Kartografen. Allen Ideen im Untersuchungsraum zwischen Heidenau und Grenze sowie zwischen Dohma und Liebstadt sind zwei Dinge gleich: der Abzweig von der Bestandsstrecke in Heidenau und ein Tunnel von mindestens 25 Kilometern Länge mit bis zu 350 Metern Gebirgsüberdeckung. In der Version der Bürgerinitiative geht’s gleich bei Heidenau für gut 30 Kilometer unter Tage, die oberirdische Variante berührt die Orte Dohma und Bahretal.

© SZ Grafik

Projektleiter Müller betont, dass alle sieben Fassungen gleichwertig in der Wirkung auf Mensch und Natur untersucht worden seien, „Verschwörungstheorien der Bürgerinitiative“ zum Trotz. „Alle Varianten sind machbar“, sagt er. Jedoch wiesen drei Vorschläge – in der Karte D, E, F – „sehr großes Konfliktpotenzial“ auf. Deshalb empfehle die Bahn, sie nicht weiter zu verfolgen. Ob die federführende Landesdirektion in Chemnitz das auch so sehe, sei aber offen.

Ginge es nach der Bahn, würden die Volltunnelvarianten A und C sowie der Dohma berührende Vorschlag G als teilweise oberirdische Linienführung weiterverfolgt. In jedem Fall würden zwei Versionen, darunter die oberirdische, voll durchgeplant. Frühestens 2024 stehe die Vorzugsvariante fest. Weil es ein Bundesprojekt sei, entscheide letztlich der Bundestag über die Strecke mit dann Deutschlands längstem Bahntunnel. Kay Müller geht von zehn bis 13 Jahren Bauzeit aus. Wenn alles gut laufe, könne die Strecke frühestens Ende der 30er-, Anfang der 40er-Jahre fertig sein.

Der rund 43 Kilometer lange Neubau soll das flutgefährdete Elbtal entlasten, Anwohner dort vom Lärm der täglich bis zu 240 Züge befreien und die Fahrzeit Dresden-Prag von zweieinhalb Stunden auf etwa eine Stunde verkürzen – dank Geschwindigkeiten von 200 km/h im Personen- und 120 km/h im Güterverkehr.

Planer aus ganz Europa haben Interesse

Derweil trafen sich am Donnerstag Verkehrsexperten, Geologen, Planer, Wissenschaftler und Vertreter von Behörden zu einer Konferenz in Freiberg. Seit 2017 arbeiten Institutionen beider Länder im Rahmen eines EU-Projekts (Interreg) an der Verbesserung des Schienenverkehrs zwischen Sachsen und Tschechien. Zentraler Punkt: die Neubaustrecke, für die laut Hartmut Mangold, Staatssekretär in Sachsens Verkehrsministerium, ein geologisches 3-D-Modell erarbeitet wurde, das bei der Trassenbetrachtung eine wichtige Rolle spiele.

Die Tschechen sind über den Sachstand in Sachsen informiert, haben dort aber kein Mitspracherecht. Das Gleiche gilt umgekehrt. Auch bei den Nachbarn wird über verschiedene Trassen diskutiert und eine Anbindung des Prager Flughafens.

Das binationale Prestigeprojekt mit einem Tunnel der Superlative lockt Planer aus ganz Europa. Zu einer Infoveranstaltung der staatlichen tschechischen Infrastrukturfirma SŽDC, Pendant von DB Netz, in der vergangenen Woche kamen Vertreter von über 70 Büros nach Prag. Laut SŽDC-Sprecherin Radka Pistoriusová wird die Ausschreibung für die Vorplanung bis Ende März veröffentlicht.

Bahn setzt auf Dialog

Die Öffentlichkeit werde bei allen Großprojekten der Bahn beteiligt, versichert DB-Mann Müller. „Beispielhaft in diesem Fall ist die Häufigkeit, mit der wir die Öffentlichkeit informieren.“ Für nächste Woche hat die Bahn weitere Foren angekündigt: am Montag in Heidenau, am Dienstag in Pirna, am Mittwoch in Dohma. Sie wolle die Leute über die lange Planungszeit auf dem Laufenden halten, heißt es.

Die Bürgerinitiative traut dem nicht und trommelt für Einwände. „Unser Ziel ist es, alles dafür zu tun, dass eine Volltunnelvariante gebaut wird und damit eine Verlagerung des Lärms aus dem Elbtal in den Korridor der Orte Pirna-Zehista und Dohma nicht stattfindet“, heißt es auf der Website, die seit August 2018 gut 20.000 Besucher hatte. „Mindestens 5.000 Einwände“ seien das Ziel, ist dort zu lesen. Am Donnerstagabend waren es knapp 400, gerade acht Prozent – und nur noch sechs Wochen Zeit.

www.neubaustrecke-dresden-prag.de
www.basistunnel-nach-prag.de

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