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"Die Absage der Spielzeit ist unumgänglich"

Das Gerhart-Hauptmann-Theater wird vor Herbst nichts mehr aufführen. Generalintendant Klaus Arauner vertraut auf die Vorfreude des Publikums.

Von Ines Eifler
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Klaus Arauner, Generalintendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters, erlebt gerade die ungewöhnlichste Spielzeit seines Berufslebens.
Klaus Arauner, Generalintendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters, erlebt gerade die ungewöhnlichste Spielzeit seines Berufslebens. © Nikolai Schmidt

Seit Mitte März ist das Gerhart-Hauptmann-Theater wegen der Corona-Pandemie geschlossen, seit April sind die meisten Mitarbeiter in Kurzarbeit. Für  Generalintendant Klaus Arauner, der im Sommer 2021 in Ruhestand geht, sind das unruhige letzte Monate am Theater. Im Interview erklärt er die Lage am Theater in Corona-Zeiten.

Herr Arauner, wie geht es Ihnen persönlich in Zeiten von Covid-19? Sie waren vor einigen Jahren schwer krank, schafften es aber ins Leben zurück. Fühlen Sie sich durch das Virus besonders bedroht?

Durch mein Alter und meine Vorerkrankung gehöre ich sicherlich zur Risikogruppe. Ich tue daher alles Mögliche, um mich vor einer Ansteckung zu schützen. Die vom Covid-19-Virus ausgehende Gefahr sollten jedoch alle Menschen - unabhängig von Alter und Prädisposition - ernst nehmen. Ich verstehe, dass dies bei einer derartigen „unsichtbaren“ Bedrohung nicht leicht fällt. Und ich verstehe auch, dass es einen großen Drang zur Lockerung von Beschränkungen gibt. Aber Vernunft und Vorsicht sind jetzt für jeden das Gebot der Stunde. 

Sie fahren sonst regelmäßig nach Frankfurt am Main zu einer speziellen Therapie. Können Sie das jetzt noch oder bleiben Sie zu Hause?

Die Behandlung in Frankfurt war nur eine - wenn auch sehr wichtige - Station auf der Suche nach einer geeigneten Therapie. Bereits seit 2015 werde ich in sehr enger Abstimmung zwischen meinem Hausarzt und dem Städtischen Klinikum in vorzüglicher Weise in Görlitz behandelt. Ich bin dafür sehr dankbar. 

Die meisten Mitarbeiter des Gerhart-Hauptmann-Theaters sind in Kurzarbeit, im Moment kann noch keiner sagen, wie lange. Worauf stellen Sie sich ein? Wird es ein Sommertheater 2020 geben?

In Absprache mit den Gesellschaftern und angesichts der aktuellen Entwicklungen haben wir beschlossen, alle Vorstellungen unseres Theaters bis zum Ende der Spielzeit 2019/20 abzusagen. Oberste Priorität hat im Moment die Gesundheit unseres Publikums und aller Mitarbeiter. Da der Theaterbetrieb vor, auf und hinter der Bühne davon geprägt ist, dass Menschen auf sehr engem Raum über längere Zeit zusammen sind und sich dabei nicht angemessen schützen können, sind Vorstellungen auf absehbare Zeit nicht möglich. Die Absage war unumgänglich, auch wenn sie im Moment natürlich schmerzt. 

Am 13. März 2020 wussten Yvonne Reich und ihre Ensemble-Kollegen noch nicht, dass die Aufführung der "Fledermaus" die letzte in dieser Spielzeit sein würde.
Am 13. März 2020 wussten Yvonne Reich und ihre Ensemble-Kollegen noch nicht, dass die Aufführung der "Fledermaus" die letzte in dieser Spielzeit sein würde. © Artjom Belan

"Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" wäre Ihre letzte Inszenierung als Generalintendant gewesen. Wird sie in die nächste, für Sie wirklich letzte, Saison verschoben? 

Die Corona-Pandemie hat uns mitten aus den Proben zu "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" gerissen, nur noch die Endproben standen aus. Es ist sehr schade, dass wir diese Produktion jetzt nicht zur Premiere bringen konnten, denn das Stück hat für mich persönlich einen besonderen Stellenwert und es reflektiert zudem unsere gesellschaftliche Realität in höchstem Maße. Wir werden diese Produktion daher natürlich in der kommenden Spielzeit zu Ende führen. Gleiches gilt für die weiteren Premieren im Musiktheater, die noch geplant waren. Denn sowohl für "Don Giovanni" als auch für "Evita" sind weitreichende Vorarbeiten erledigt. Wir wollen diese hervorragenden Titel unserem Publikum keinesfalls vorenthalten. 

Entfällt dafür anderes, was geplant war? Steht der Spielplan für 2020/21 schon?

Natürlich lagen für die kommende Spielzeit ein Programm und ein bis ins Detail geplanter Ablauf vor. Diesen haben wir nun angepasst und die jetzt ausfallenden Premieren verschoben. Das führt dazu, dass einige ursprünglich geplante Produktionen nicht stattfinden werden. „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ ersetzt als Oper des 20. Jahrhunderts Brittens „Peter Grimes“. Und statt der vorgesehenen Inszenierung von „Die verkaufte Braut“ werden wir „Don Giovanni“ fertigstellen. „Evita“ kommt als Sommertheater 2021 zur Premiere im Stadthallengarten.

Die Spielzeit 2020/21 wird auf diesem Wege ein Patchwork aus zwei ursprünglichen Saisonplanungen. Die erste Premiere ist für den 3. Oktober 2020 geplant. Wie gewohnt ist dies eine Operetten-Produktion, den Titel verrate ich heute aber noch nicht. Sehr gern verrate ich aber, dass alle Kollegen unseres Hauses bereits heute dem Moment entgegenfiebern, in dem wir unser Publikum wieder bei uns begrüßen dürfen. Ich denke daher, dass das kommende Theaterjahr von einer ganz besonderen Spannung geprägt sein wird. Darauf freue ich mich. 

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen wird diese Corona-Krise auf das Theater haben? Reicht das bis Ende 2020 beantragte Kurzarbeitergeld, um sie zu überstehen? Werden Sie irgendwo einsparen müssen?

Ich hoffe, dass für das Publikum spürbare Einsparungen nicht notwendig sein werden. Die Möglichkeit zur Kurzarbeit bildet für das Theater im Moment ein stabiles betriebswirtschaftliches Fundament. Sie ermöglicht es uns, die aktuellen Einnahmeausfälle zu kompensieren. Gleichzeitig entfallen ja durch die Vorstellungsabsagen auch bestimmte Kosten.

Wenn wir den Spiel- und Produktionsbetrieb wieder aufnehmen, die Einnahmen aber nicht sofort auf das ursprüngliche Maß ansteigen, kann dies jedoch schnell in eine wirtschaftliche Schieflage führen. Wir spielen daher im Moment die verschiedensten Szenarien durch und erarbeiten eine kaufmännisch belastbare Strategie. Ein nicht selbstverständlicher und entscheidender Vertrauensbeweis ist, dass die Gesellschafter des Theaters geschlossen hinter uns stehen. Sie werden ihre Zuschüsse wie geplant zur Verfügung stellen. 

Glauben Sie, dass die Besucher nach "Corona" wieder so zahlreich kommen werden wie früher?

Ich bin mir sicher, dass die Sehnsucht nach Theatererlebnissen ungebrochen groß ist. Gerade in den vergangenen Wochen ist doch im öffentlichen Dialog immer wieder spürbar geworden, wie wichtig den Menschen die Künste sind. Eine anfängliche Zurückhaltung des Publikums oder auch Einschränkungen bei der Platzkapazität zur Einhaltung von Abstandsregeln sind jedoch absehbar. Ein Spielbetrieb im bisher gewohnten Sinne wird erst dann möglich sein, wenn der Schutz von Publikum und Mitarbeitern zweifelsfrei gewährleistet ist. Es wird daher auch im Bereich der Zuschauerzahlen sicherlich eine stufenweise Entwicklung geben. 

Sie arbeiten auch mit freien Künstlern und Honorarkräften zusammen, die kein Kurzarbeitergeld bekommen. Gibt es für sie Lösungen?

Die Kollegen der Neuen Lausitzer Philharmonie haben aus eigenen Kräften einen Hilfsfond aufgelegt, mit dem sie freischaffenden Kollegen zur Seite stehen, die nun in Not geraten. Ich finde, das ist ein wunderbares Zeichen der kollegialen Solidarität in diesen Zeiten. Wir hoffen auch, dass durch die öffentliche Hand noch ein Sonderfond aufgelegt wird, der den freiberuflichen Künstlern gezielt helfen kann. Auch wenn die Dinge sich vertragsrechtlich anders darstellen, ist ein fairer Umgang wichtig. 

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