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Weltraumforschung in der Lausitz? Erste Reaktionen

Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow findet die Auswahl für die Großforschungszentren in Sachsen "überraschend, aber großartig".

Von Nora Miethke
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Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) begrüßt die Auswahl der Perspektivkommission für die Großforschungszentren.
Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) begrüßt die Auswahl der Perspektivkommission für die Großforschungszentren. © Hendrik Schmidt/dpa

Herr Gemkow, Sie hatten vermutlich tieferen Einblick in die Ideenskizzen für die Großforschungszentren. Hat ihr Favorit es in die zweite Runde geschafft?

Ich gebe schon zu, dass die Entscheidung überraschend ist, aber großartig. Wir haben hier verschiedene Projekte, die zum Teil ganz weit in die Zukunft reichen und Themen berühren, die vor allem für Generationen nach uns wichtig werden wie die Frage von der Besiedlung anderer Planeten. Aber es sind auch Ideen dabei, die eng an den Problemen unserer Zeit dran sind. Etwa das nun für die Lausitz ausgewählte Konzept zu ressourcenschonendem Bauen.

Eine überraschende Entscheidung, inwiefern?

Weil sie zeigen, was herauskommt, wenn man ein weißes Blatt nimmt und Experten entscheiden lässt, welche Themen aus ihrer Sicht für die Zukunft wichtig sind, die langfristig Potenzial von der Grundlagenforschung bis zu konkreten Anwendungen umfassen, aber auch geeignet sind, in der Region zu Wertschöpfung zu führen.

Warum passt ein Institut für Astrophysik und Weltraumforschung in die Lausitz?

Das Thema sollte seinem Gegenstand nach nicht in einem Forschungszeitraum von fünf bis zehn Jahren erschöpft sein, sondern es soll in die nächsten Jahrzehnte hineintragen. Was hier entsteht, sind immens große Wissenschaftstanker, wo jeweils bis zu 1.500 Menschen arbeiten sollen. Dann müssen es natürlich Themen sein, die auch über viele Jahrzehnte hinweg tragen können. Deswegen ist der Gedanke, Strukturwandel aus diesen Einrichtungen heraus zu betreiben, nicht eine Überlegung für die nächsten ein, zwei Jahre, sondern ein langfristiger Prozess, der einen tiefgreifenden Wandel in den Regionen zur Folge haben wird. In der jetzt beginnenden Förderphase werden Faktoren wie Wertschöpfungspotenzial und Strukturwandelpotenzial eine Rolle spielen und deswegen wird am Ende eine gute Entscheidung für beide Reviere stehen.

Diese Großforschungszentren sind ja die Leuchttürme für Sachsen, was die Tesla-Ansiedlung für Brandenburg ist. Glauben Sie, dass sich die Menschen in der Lausitz für die ausgewählten Ideen begeistern können?

Davon bin ich fest überzeugt. Wie ich die Menschen in der Oberlausitz kennengelernt habe, sind es neugierige Menschen, die sich wünschen, dass etwas Neues entsteht und dafür auch offen sind. Und es wird natürlich eine Aufgabe sein, diese Projekte in der Region bekannt zu machen. Den Ideengebern kann ich nur raten, dafür zu werben. Am Ende wird auch so eine Institution darauf angewiesen sein, dass neben den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die man in die Region holen will, das gesamte Umfeld profitieren kann und letztendlich mit eingebunden werden muss. Das betrifft die Schaffung von Infrastrukturen, die Versorgung der Einrichtungen bis zu möglichen Ausgründungen aus dem Institut und dem Transfer von Innovationen in Unternehmen in der Region.

Wie ist Sachsen in der Weltraumforschung aufgestellt?

Sachsen ist extrem stark in der Mikroelektronik und in der Werkstoffforschung. Beides sind wesentliche Bereiche für solche Fragestellungen, wie und welche Materialen im extraterrestrischen Raum zum Einsatz kommen sollen. Im Prinzip sind die Grundlagenforschung und die Komponenten, die man dazu braucht, im Freistaat schon vorhanden. Wenn man von Astrophysik spricht, denken viele zuerst ans Fliegen. Hier geht es aber um andere Dinge, für die es Potenziale im Freistaat gibt. Wie groß diese sind, das wird die Begutachtung und Ausarbeitung der Projekte in den nächsten Monaten zeigen.

Georg Milbradt, auch Mitglied in der Perspektivkommission, hat laut Medienartikeln Zweifel daran, dass ein solches Großforschungszentrum ohne die Nähe einer Universität erfolgreich funktionieren kann. Sind sie auch skeptisch?

Die räumliche Nähe halte ich nicht für so wichtig wie die Frage, wie sich eine Hochschule mit einem solchen Forschungszentrum verknüpfen lässt. Deshalb bin ich optimistisch, dass gerade das Konzept, das hier verfolgt wird – ein Großforschungszentrum in eine Region zu setzen, die bisher noch nicht die kritische Masse in der Forschung erreicht hat – ein erfolgreiches Modell werden kann, wenn sich die Hochschulen mit entsprechenden Verzahnungen in die Institutionen hineinbegeben. Das ist jetzt schon gelebte Praxis, etwa über gemeinsame Berufungen Personal zu binden und von der gemeinsamen Expertise zu profitieren. Unsere Aufgabe wird sein, diese Großforschungszentren mit bereits bestehenden exzellenten Forschungslandschaft in Sachsen zu vernetzen.

Beim künftigen Forschungszentrum für das Mitteldeutsche Revier wurde Sachsen-Anhalt mit ins Boot geholt? Gibt es da schon eine inhaltliche Abstimmung? Denn die Klima- und Energiethemen wurden jetzt für das Mitteldeutsche Revier ausgewählt.

Es gibt keine inhaltliche Abstimmung, schon gar nicht zwischen den Bundesländern. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass darauf geschaut wurde, welche Schwerpunkte es in den Regionen schon gibt. Die Region im Mitteldeutschen Revier ist stark in Lebenswissenschaften und Umweltwissenschaften. Die eingereichten Ideen sind erstklassig und tragen weit in die Zukunft. Deshalb ist die Auswahl gut und richtig. Die Projektgeber müssen sich nun Gedanken darübermachen, wie sie die räumliche Anbindung in den beiden Bundesländern umsetzen wollen.

Der Bund gibt den Großforschungszentren zehn Jahre Zeit, ihre europaweite Exzellenz nachzuweisen, damit die dauerhafte Finanzierung vom Bund übernommen wird. Was bedeutet das?

Ich gehe davon aus, dass dies durch eine Evaluation des Wissenschaftsrates erfolgen wird. Aber die 90-10-Finanzierung - 90 Prozent der Kosten übernimmt der Bund, zehn Prozent das Land - steht jetzt schon fest. Denn 90 Prozent der Kosten werden aus den Strukturmitteln finanziert, die verstetigte Finanzierung nach dem Auslaufen der Verwendung von Strukturmitteln wird durch den Bund stattfinden. Und das ist der nicht zu unterschätzende Faktor dieser Investition in den Strukturwandel. Wenn man sich die Summen vor Augen hält – bis zu 170 Millionen Euro pro Jahr pro Revier – dann ist klar, wie sehr Sachsen hier vom Bund profitiert und eine hervorragende Forschungsinfrastruktur finanziert bekommt.

Es ist also schon mit dem Bund geklärt, dass die Finanzierung beider Großforschungszentren nach 2038 auf den Bund übergeht?

Ja, ab 2038 wird es auf jeden Fall in eine 90-10-Finanzierung übergehen, sofern die schon erwähnte Exzellenz bescheinigt wird. Aber die Perspektive ist so, dass der Bund das dauerhaft finanzieren wird.

Die letzten Großforschungszentren wurden vor 60 Jahren in Jülich und Rossendorf gegründet. Welche Struktureffekte hat Rossendorf bislang für Sachsen gebracht?

Rossendorf ist für mich das beste Beispiel dafür, wie es gelingt über die Verknüpfung von Wissenschaftstankern mit anderen Forschungseinrichtungen und der TU Dresden ein Ökosystem zu schaffen, das Markenkern einer ganzen Forschungslandschaft ist. Geräte, die innovativ im HZDR als Erstlinge hergestellt werden, kommen an der TU Dresden zum Einsatz und ermöglichen ganz progressive Therapien. Dresden wurde so einer der herausragenden internationalen Standorte für die Behandlung von Krebserkrankungen. Daran lässt sich gut erkennen, wie wichtig und rentabel eine solche Institution in der Region sein kann.