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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Kretschmer äußert sich zu Putin + Erste Ukraine-Flüchtlinge in Sachsen + Kritik an Corona-Lockerungen in Schulen + AfD-Aussteiger wechselt zu CDU

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Tausende Menschen haben am Wochenende bei Demos - wie hier in Leipzig - ihre Solidarität mit der Ukraine bekundet.
Tausende Menschen haben am Wochenende bei Demos - wie hier in Leipzig - ihre Solidarität mit der Ukraine bekundet. © dpa-Zentralbild

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Guten Morgen,

vielleicht haben Sie es am Wochenende ja geschafft, den Nachrichtenticker zum Ukraine-Krieg für ein paar Stunden zur Seite zu legen. Doch leider gab es auch am gestrigen Sonntag widersprüchliche und verstörende Nachrichten. Einerseits wollen sich die Ukraine und Russland zu Verhandlungen treffen, andererseits lässt Putin "Abschreckungswaffen" in Alarmbereitschaft versetzen. Vor einer Woche hätte man dies vielleicht noch als taktisches Mittel abgetan, um den eigenen Verhandlungsspielraum zu erhöhen. Seitdem Putins Unberechenbarkeit mit dem Einmarsch in die Ukraine offensichtlich geworden ist, kann man sich da nicht mehr sicher sein.

Während der Krieg in der Ukraine rational immer noch schwer zu fassen scheint, hat sich in Deutschland und in Sachsen in den vergangenen Tagen viel getan. Die anfangs gefühlte Machtlosigkeit ist bei vielen einer Wut und einer beeindruckenden Entschlossenheit gewichen. In Berlin sind es hunderttausend, in Sachsen sind es Tausende Menschen, die gegen den Einmarsch in die Ukraine auf die Straße gehen, um zumindest ein Zeichen zu setzen. Die Göltzschtalbrücke erstrahlt in den ukrainischen Landesfarben. Ein Dresdner entschließt sich zu einer Radtour in Form einer Friedenstaube.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass wir nicht machtlos sind. Dass es Menschen gibt, die ideell unseren Zuspruch und ganz praktisch unsere Hilfe brauchen. Am Wochenende sind bereits die ersten ukrainischen Flüchtlinge in Sachsen angekommen. Geht der Krieg weiter, werden in den kommenden Tagen hunderte, vielleicht tausende folgen. Wir hier in Sachsen werden den Krieg nicht stoppen können, aber wir können dafür sorgen, dass menschliches Leid verringert wird.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

+++ Kretschmer: "Richtig, sich für Nord Stream 2 zu verwenden" +++

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat seine Russland-Politik der vergangenen Jahren verteidigt. "Ich bin der Meinung, dass gemeinsame wirtschaftliche Interessen ein stabilisierender Faktor sein können", sagt Kretschmer im Interview mit Zeit Online. "Ein Russland, das weniger abhängig ist von Handelskontakten mit Europa, ist noch unberechenbarer. Es war richtig, sich für Nord Stream 2 zu verwenden." Da Putin jedoch weder Sanktionen noch wirtschaftliche Interessen von seinem Vorgehen abgehalten hätten, sei eine eigene Stärke sowohl in militärischer als auch in ökonomischer Hinsicht notwendig.

Kretschmer äußert sich auch zu der von ihm zuletzt im April 2021 ausgesprochenen Einladung an Putin nach Sachsen. "Die Frage stellt sich nicht. Für eine Fortsetzung des Dialogs braucht es Vertrauen auf beiden Seiten. Das ist von der gesamten russischen Regierung, einschließlich dem Präsidenten, in den vergangenen Monaten systematisch zerstört worden."

+++ Erste Ukraine-Flüchtlinge erreichen Sachsen +++

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind am Wochenende mehrere Flüchtlinge in Sachsen angekommen. Insgesamt sei eine Zahl im mittleren zweistelligen Bereich festgestellt worden, wie ein Sprecher der Bundespolizei am Sonntag sagte. Der überwiegende Teil davon seien Staatsangehörige aus der Ukraine gewesen. Einige Menschen seien in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht worden. In Görlitz erwartet die Polizei für Montag deutlich mehr Menschen, die über die polnische Grenze nach Sachsen kommen. Daher werde an einem konkreten Plan gearbeitet, wohin diese Menschen gebracht werden könnten, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Görlitz. Alle aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg gibt es in unserem Newsblog.

Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, gibt es mittlerweile auch etliche Privatpersonen, die Wohnungen zur Verfügung stellen wollen. Auch die ukrainische Community koordiniert Hilfsangebote. Die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel schaltete laut Leipziger Volkszeitung eine Wohnungsbörse frei. In Dresden hat die Stadt eine Taskforce gegründet, um sich auf Flüchtlinge aus der Ukraine vorzubereiten. Derweil sind bereits zehntausende Flüchtlinge in der Slowakei und in Tschechien angekommen. Sie treffen dort auf große Hilfsbereitschaft. Hilfe an den Grenzen leistet auch der Verein "Mission Lifeline" aus Dresden. Die Organisation hat sowohl an der polnischen als auch an der slowakischen Grenze Kleinbusse im Einsatz, die Flüchtlinge nach Deutschland bringen können. Der MDR berichtet.

+++ Tausende demonstrieren gegen Einmarsch +++

In Sachsen haben am Wochenende erneut zahlreiche Menschen gegen den russischen Angriff auf die Ukraine demonstriert. Einem Aufzug durch die Leipziger Innenstadt schlossen sich am Samstag etwa 800 Menschen an. Unter anderem trugen sie Plakate, in denen sie das Ende des Krieges forderten. In Chemnitz versammelten sich nach Polizeiangaben etwa 250 Menschen. Unter anderem hatte die Friedensinitiative Chemnitz zu einer Kundgebung aufgerufen. In Dresden kamen am Sonntag mehrere Tausend Menschen zusammen.

Aus Solidarität mit der Ukraine setzte auch das sächsische Justizministerium am Sonntag ein sichtbares Zeichen: Am Abend erstrahlte das Ministerialgebäude in den Landesfarben der Ukraine blau und gelb. "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass diese Menschen in der Europäischen Union und insbesondere auch in Deutschland und Sachsen eine sichere Zuflucht finden können", teilte Ministerin Katja Meier (Grüne) in einem Statement mit.

+++ Platzeck: "Ich habe mich getäuscht" +++

Der frühere brandenburgische Ministerpräsident und Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck (SPD), hat nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine seine Sicht auf Russland korrigiert. "Ich habe mich getäuscht, weil ich das, was jetzt passiert ist, bis vor kurzem noch für undenkbar gehalten habe", sagt Platzeck im Podcast "Politik in Sachsen" von sächsische.de. Putins Krieg werde auch das deutsch-russische Verhältnis auf Jahre, vielleicht um eine ganze Epoche zurückwerfen. Hoffnung schöpft der SPD-Politiker daraus, dass auch auf Russland nun "harte Zeiten" zukämen und dadurch ein Prozess in Gang komme. "Ein Prozess, der am Ende dann nicht mehr mit Putin an der Spitze versehen ist." Für Matthias Platzeck ist der Angriff auf die Ukraine die wohl bitterste Erkenntnis seines Politikerlebens. Ob er sich weiter als Chef des Deutsch-Russischen Forums für das Verhältnis der beiden einsetzen könne, lässt er offen.

+++ Schule: Kritik an Zeitpunkt für Corona-Lockerungen +++

Das zweite Schulhalbjahr startet heute mit den gewohnten Corona-Regeln - diese sollen jedoch schon eine Woche später gelockert werden. Das kommt nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) etwas zu früh. "Uns wären Lockerungen lieber, die erst zwei Wochen nach Schulstart in Kraft treten. Dann könnte man noch besser beobachten, wie sich die Ferien auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt haben", sagt die Vorsitzende der GEW Sachsen, Uschi Kruse. Erfahrungsgemäß werden nach dem Ende der Ferien vergleichsweise viele Corona-Infektionsfälle entdeckt.

Kruse sagt, dass die Gewerkschaft ebenfalls so viel Normalität für die Schülerinnen und Schüler wie möglich wolle. "Wir sehen jedoch auch, dass sich eine neue Unter-Virusvariante von Omikron bildet. Das muss man im Auge behalten, weil viele Kinder ungeimpft sind." Zahlen aus Dresden zeigen, dass das Coronavirus derzeit am stärksten unter Schulkindern grassiert.

+++ AfD-Aussteiger wechselt zur CDU +++

Der ehemalige sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete, Lars Herrmann, tritt in die CDU ein. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, nahm der CDU-Kreisverband Landkreis Leipzig Herrmann auf, nachdem Parteichef Michael Kretschmer und Generalsekretär Alexander Dierks zugestimmt hatten. Im Dezember 2019 hatte Herrmann bundesweit Schlagzeilen mit seinem Austritt aus der AfD gemacht – wegen deren Rechtsrucks. Von da an saß er als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament. Der ehemalige CDU-Ostbeauftragte, Marco Wanderwitz, kritisiert den Schritt. "Wer sich derart an der Demokratie versündigt hat, darf wesentlich länger nicht Christdemokrat sein. Ich bin sprachlos, ärgerlich und traurig", schrieb er auf Twitter.


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