SZ + Sport
Merken

Warum immer mehr Fans im Stadion Weihnachtslieder singen

Weihnachtliche Klänge statt Fangesänge - das hat Tradition in vielen Stadien, auch in Dresden. Leipzig feiert nun die Premiere - und das Original in Berlin-Köpenick ein kleines Jubiläum.

Von Daniel Klein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Bühne im Stadion An der Alten Försterei steht dort, wo sich vor 20 Jahren die Fans von Union Berlin zum ersten Mal zum Weihnachtssingen trafen. Damals waren es 89, jetzt sind es 28.500.
Die Bühne im Stadion An der Alten Försterei steht dort, wo sich vor 20 Jahren die Fans von Union Berlin zum ersten Mal zum Weihnachtssingen trafen. Damals waren es 89, jetzt sind es 28.500. © dpa/Paul Zinken

Dresden. Wer eine der 28.500 Eintrittskarten ergattern möchte, muss Glück haben. Beim Weihnachtssingen von Union Berlin werden die Tickets aufgrund der großen Nachfrage inzwischen verlost. Dabei waren die Anfänge vor 20 Jahren bescheiden.2003 kletterten 89 Mitglieder des Fanclubs „Alt-Unioner“ über den Stadionzaun und sangen, mit Glühwein und Keksen in den Händen, rund um den Mittelkreis Weihnachtslieder. Es sollte der versöhnliche Abschluss einer verkorksten Zweitliga-Hinrunde sein. Außerdem hatte man nach dem letzten Spiel vergessen, sich gegenseitig ein schönes Fest zu wünschen. Das wurde auf diese Art nachgeholt.

Das Weihnachtssingen in der Alten Försterei ist das Original, hat aber längst viele Nachahmer gefunden. Ob in Köln, Aachen, Gelsenkirchen, bei 1860 München – überall verwandeln sich die Stadien im Advent in besinnlich-stimmungsvolle Gesangstempel. Seit diesem Jahr lädt auch RB Leipzig zum kollektiven Trällern ein. Zur Premiere am zweiten Adventssonntag kamen 21.000 Besucher in die Red-Bull-Arena, die dafür – wie bei Union – zehn Euro (Kinder die Hälfte) Eintritt zahlten. „Wir sind mit der Premiere sehr zufrieden, auch das Feedback fiel sehr positiv aus“, erklärt Pressesprecher Patrick Hendrischke.

Das Stadion war – passend zum Fest – in rotes Licht getaucht, die Chöre des Gewandhauses sorgten für professionelle Töne, am Ende zauberten Drohnen einen Adventskranz in den Abendhimmel. Die Spieler Lois Openda, Xavi Simons, Nicolas Seiwald und Christoph Baumgartner schauten auch vorbei, mussten aber nicht singen. Die Bühne fiel klein aus und stand ganz am Rand, weil der Rasen nicht betreten werden durfte. Er wurde noch gebraucht für die Duelle gegen Bern in der Champions League und Hoffenheim in der Bundesliga. Ob es eine Fortsetzung im kommenden Jahr geben wird, konnte RB noch nicht sagen, doch es deutet viel darauf hin.

Bei Union hat sich am Konzept in den 20 Jahren kaum etwas geändert. Nach der zweiten oder dritten Auflage mussten die Fans nicht mehr über den Zaun klettern, der Verein stieg ein. „Das erste Mal ausverkauft waren wir 2013“, erinnert sich Christian Arbeit. Der moderiert die Abende fast von Anfang an, ist Presse- und Stadionsprecher und inzwischen Geschäftsführer für Kommunikation bei den Köpenickern.

„Uns ist es trotz der riesigen Dimension, die es inzwischen angenommen hat, gelungen, den Kern zu erhalten. Wir wollen kein Showspektakel, sondern eine Familien-Weihnachtsfeier mit 28.500 Leuten“, erklärt er. Dazu gehört ein Kinderchor von der Schule um die Ecke und ein Pastor von der Nachbargemeinde, der die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium vorliest. Am Eingang werden Kerzen und Liederhefte an die Besucher verteilt. Das reicht.

21.000 Besucher waren bei der Premiere des Weihnachtssingens von RB Leipzig am 2. Advent im Stadion.
21.000 Besucher waren bei der Premiere des Weihnachtssingens von RB Leipzig am 2. Advent im Stadion. © RB Leipzig/motivio

Der Verein hat im Laufe der Jahre immer wieder Anfragen erhalten von „berühmten Künstlern, Chören und Moderatoren, die bei uns kostenlos auftreten wollten Aber denen haben wir stets abgesagt, und sie verstehen das auch“, erzählt Arbeit. „Bei einer Familienfeier sind ja in der Regel auch keine Promis zu Gast.“ Die Verbundenheit mit dem Kiez und der Region, das Gemeinschaftsstiftende soll nicht verloren gehen. Und das kommt an: „Es steht außer Frage, dass wir eine zweite Veranstaltung ausverkauft bekämen“, sagt Arbeit. „Aber das machen wir nicht. Es bleibt beim Original am 23. Dezember um 19 Uhr.“ Das immer gleiche Datum ist ebenfalls ein Teil der Erfolgsgeschichte.

In Dresden variiert es von Jahr zu Jahr, das Konzept im Rudolf-Harbig-Stadion ist aber auch ein völlig anderes. Hier ist nicht der Fußballverein der Veranstalter, sondern eine Veranstaltungsagentur. Der Kreuzchor steht seit der Premiere 2015 im Mittelpunkt, daneben treten auf einer XXL-Bühne und unter einem Zelt aus Herrnhuter Sternen namhafte Künstler wie Peter Maffay und David Garrett genauso auf wie Stars der Oper- und Musical-Szene sowie Schauspieler als Moderatoren. Die Ticketpreise liegen im Vergleich zu Berlin und Leipzig folglich deutlich höher.

Dynamo, sonst Hauptdarsteller im Rudolf-Harbig-Stadion, ist beim Großen Adventskonzert nur Gast, tritt aber trotzdem in Erscheinung. 2019, bei der bisher letzten Ausgabe vor der Corona-Pause, las die im Januar 2022 verstorbene Vereinslegende Hans-Jürgen Dixie Dörner die Weihnachtsgeschichte vor.

Die nach ihm benannte Stiftung ist beim Konzert am Donnerstag der Charity-Partner, der ein Teil der Einnahmen erhält. „Es liegt auf der Hand, dass eine Stiftung, die an den besten Spieler, den Dynamo je hervorgebracht hat, und das Große Adventskonzert zusammengehen“, erklärte Ralf Minge, einst Dörners Mitspieler und Vorstandsmitglied der Stiftung. „Es ist eine fantastische Gelegenheit, Dixie Dörner noch einmal zu ehren und ihn in den Mittelpunkt zu stellen.“

Ein eigenes Weihnachtskonzert – wie bei Union – wird der Verein aufgrund der übermächtigen und professionellen Konkurrenz wohl nicht auf die Beine stellen. Der Reiz und damit auch der Erfolg des Formats liegt in Dresden wie in allen anderen Orten auch im Gegensätzlichen und Widersprüchlichen: Weihnachten wird noch immer meist mit Besinnlichkeit und Stille verknüpft, mit Kirche und Krippe. Demgegenüber stehen die Fußballstadien eher für das Laute und Derbe, für Bier und Bratwurst. Und doch passt es an diesem einen Abend im Jahr bestens zusammen.

Union-Sprecher Arbeit sieht ohnehin eher das Verbindende. „Bei den Spielen wird auch viel gesungen. Und am 23. Dezember werden diese Gesänge zwischen den Weihnachtsliedern immer mal wieder angestimmt“, erklärt er und sieht einen großen Vorteil gegenüber den Spielen der Union-Mannschaft: „An diesem Abend steht das Ergebnis schon vorher fest: Es wird immer gut.“

Sächsische.de verlost 5 x 2 Karten für das Dresdner Adventskonzert

Für das Adventskonzert am 21. Dezember im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion verlost Sächsische.de 5x2 Eintrittskarten. Einfach bis zum 19. Dezember eine Mail mit dem Stichwort „Kreuzchor“ an [email protected] schicken. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.