SZ + Sport
Merken

„Dürftige“ Antworten im Fall Frehse

Bei der Aufarbeitung der Vorwürfe gegen die Chemnitzer Turn-Trainerin Gabriele Frehse wirft die Linkspartei der Bundesregierung fehlenden Aufklärungswillen vor.

Von Michaela Widder
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Kehrt Gabriele Frehse noch mal als OSP-Trainerin in die Halle zurück?
Kehrt Gabriele Frehse noch mal als OSP-Trainerin in die Halle zurück? © Archiv: dpa/Catalin Soare

Chemnitz. Beim Anruf in der Anwaltskanzlei, die Gabriele Frehse vertritt, heißt es kurz und knapp: „Es gibt keine Neuigkeiten.“ Seit Monaten wartet die Chemnitzer Turn-Trainerin auf einen Berufungstermin am Landgericht. Die außerordentliche Kündigung gegen die 61-Jährige, der von ehemaligen Turnerinnen im Magazin Spiegel psychische Gewalt und Medikamentenmissbrauch vorgeworfen wurde, hatte das Arbeitsgericht für unwirksam erklärt.

Der Olympiastützpunkt muss sie damit weiter beschäftigen, ging jedoch auf Druck des Deutschen Turn-Bundes (DTB) in Berufung. Als OSP-Trainerin ist Frehse noch immer nicht in der Halle, arbeitet jedoch ehrenamtlich als Geschäftsführerin für ihren Verein TuS Chemnitz Altendorf. So weit der aktuelle Stand in dem Fall, der längst auch ein politischer geworden ist.

Die Linkspartei macht sich stark für die umstrittene Frehse und hat Anfang April ein Kleine Anfrage an den Bundestag gestellt mit insgesamt 19 Punkten. Aus Sicht von André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Partei, findet „eine beispiellose Kampagne und Vorverurteilung in der Öffentlichkeit“ statt, bei der weder der DTB noch das für den Leistungssport zuständige Bundesinnenministerium sich für eine sachgerechte Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe und den Schutz der betroffenen Person eingesetzt hätten.

Politiker macht sich ein Bild vor Ort

Nun liegt die achtseitige Antwort vor – und die ist nach Hahns Auffassung unzufriedenstellend. „Die zum Teil dürftigen bzw. ausweichenden Antworten der Bundesregierung (...)“, erklärt der Politiker in einer Mitteilung, „verstärken meine Auffassung, dass der organisierte Sport in Deutschland in mehreren Vereinen und Verbänden von verkrusteten Strukturen, fehlender Verbandsdemokratie, Machtmissbrauch und einer Kultur des Wegsehens beherrscht wird.“

Den Umgang mit Frehse bezeichnet er als Kampagne und als Beispiel, „wie innerhalb des Spitzensports ohne wirklichen Schutz der Rechte der Betroffenen und – mit Verweis auf die Autonomie des Sports – ohne wirksamen Beistand des für den Spitzensport zuständigen Bundesinnenministeriums Menschen und deren berufliche Karriere im Sport zerstört werden können.“

Hahn hatte sich im vergangenen Sommer selbst ein Bild vor Ort in Chemnitz gemacht und war auch zu einer Aussprache mit Frehses Arbeitgeber angereist. „Wenn die Vorkommnisse am BSP Chemnitz und die Vorwürfe gegen die Trainerin nach 1,5 Jahren noch immer nicht geklärt sind, dann liegt das sicher nicht nur am Berufungsverfahren gegen den Freispruch von Frau Frehse, sondern auch an fehlendem Aufklärungswillen seitens der Bundesregierung“, meint Hahn.

Ministerium will sich nicht äußern

Das Ministerium erklärte indes, sich zu laufenden Verfahren nicht zu äußern, zu den Vorwürfen habe man indes mehrfach Stellungnahmen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), des DTB und des OSP Sachsen angefordert und erhalten. In ihrer Antwort begrüßt die Regierung den durch den DTB mit dem Projekt „Leistung durch Respekt“ 2021 angestoßenen Kultur- und Strukturwandelprozess. Aus dem Zwischenfazit ergebe sich kein Handlungsbedarf für die Spitzensportförderung der Bundeswehr und der Bundespolizei, heißt es weiter.

Für die Entscheidung über die Bundesförderung des DTB für den Zyklus 2022 bis 2024 seien die Vorkommnisse am BSP Chemnitz ohne Auswirkung. In Bezug auf die Förderung des OSP Sachsen habe es ebenfalls keine Veränderungen gegeben, heißt es vonseiten des Ministeriums auf die entsprechende Frage. Und zur Personalie des neuen Frauen-Bundestrainers Gerben Wiersma nimmt die Regierung „keine öffentliche Bewertung“ vor.

Der Niederländer war im Frühjahr 2021 als Auswahltrainer seines Landes zurückgetreten. Grund dafür waren Ermittlungen im Verband wegen körperlichen und emotionalen Misshandlungen. Im Zuge der Aufarbeitung war herausgekommen, dass Wiersma vor seiner Zeit als Cheftrainer in den Jahren 2010 und 2011 in begrenzten Fällen gegen die Disziplinarordnung des Verbandes verstoßen hatte.