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Warum sich Ex-Dynamo Makienok politisch äußert

Der Däne sagt über sich selbst, er sei der privilegierteste Mensch der Welt. Wieso er das so sieht und welche Haltung er ableitet, hat er in einem Interview erklärt.

Von Sven Geisler
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Simon Makienok hat ein halbes Jahr bei Dynamo gespielt - und während dieser Zeit seine Corona-Infektion öffentlich gemacht.
Simon Makienok hat ein halbes Jahr bei Dynamo gespielt - und während dieser Zeit seine Corona-Infektion öffentlich gemacht. © dpa/Robert Michael

Dresden. Seine Zeit bei Dynamo war kurz. Nur ein halbes Jahr spielte Simon Makienok für die Schwarz-Gelben. Im Januar 2020 war er vom FC Utrecht aus den Niederlanden nach Dresden gekommen, Ende Juni verabschiedete er sich nach neun Spielen, in denen er drei Tore erzielte. Trotz des Abstiegs und der wegen der Corona-Pandemie leeren Stadien schaffte es der 2,01 Meter große Däne, ein Publikumsliebling zu werden. Auch der damalige Trainer Markus Kauczinski hätte den Angreifer gerne behalten, doch der bekam beim FC St. Pauli einen Vertrag und durfte weiter in der zweiten Liga spielen.

Spätestens seit seinen zwei Toren beim 3:2-Sieg im Stadtderby gegen den Hamburger SV Mitte August hat der Stürmer auch am Millerntor einen Kultstatus erlangt, obwohl er meist nur Ersatzmann ist und beim 3:0-Erfolg der Kiez-Kicker gegen Dynamo am vergangenen Sonntag nicht zum Einsatz kam.

Nun hat er in einem sehr persönlichen Interview mit dem Magazin 11Freunde erklärt, warum er bei seinen bisherigen Klubs einen guten Draht zu den Fans gefunden hat. "Wahr­schein­lich, indem ich etwas von mir zeige und der Öffent­lich­keit prä­sen­tiere, wofür ich stehe. Viel­leicht können sich ein paar Men­schen damit iden­ti­fi­zieren", sagt Makienok. Was er damit meint, macht der 30 Jahre alte Däne in dem Gespräch deutlich.

"Man muss es aktiv vorleben"

Er äußere sich in den sozialen Medien auch zu gesellschaftlichen Themen, weil er "der pri­vi­le­gier­teste Mensch der Welt" sei, nämlich: "weiß, groß, wohl­ha­bend. Das macht es für mich natür­lich extrem ein­fach, mich zu Themen wie Homo­phobie, Ras­sismus und Dis­kri­mi­nie­rung zu äußern", erklärt Makienok. Es reiche nicht mehr, antiras­sis­tisch oder antidis­kri­mi­nie­rend zu sein. "Man muss es aktiv vor­leben."

Für Trainer Timo Schultz (l.) ist Simon Makienok beim FC St. Pauli nicht immer erste Wahl, aber mit den zwei Toren im Stadtderby gegen den Hamburger SV hat der Stürmer so etwas wie Kultstatus erlangt.
Für Trainer Timo Schultz (l.) ist Simon Makienok beim FC St. Pauli nicht immer erste Wahl, aber mit den zwei Toren im Stadtderby gegen den Hamburger SV hat der Stürmer so etwas wie Kultstatus erlangt. © dpa

Seine Einstellung: "Viele meiner Freunde sind homo­se­xuell, in meinem Freun­des­kreis gibt es die ver­schie­densten Haut­farben, manche gehören Min­der­heiten an. Wenn ich kein Enga­ge­ment zeigen und nicht für Tole­ranz ein­stehen würde, dann würde ich sie im Stich lassen."

Makienok will deshalb nicht nur mit öffentlichen Aussagen dazu beitragen, im besten Fall ein Bewusstsein zu schaffen. Er unterstützt derzeit die Kam­pagne eines St.-Pauli-Spon­sors für ein Aus­stei­ger­pro­gramm von Rechts­ex­tremen. Zudem setzt er sich für Kinder ein, sammelt Geld und koope­riert mit "Save the Children", einer 1919 gegründeten Organisation, die sich weltweit für den Schutz von Kindern einsetzt. "Im Sommer war ich in einem däni­schen Zelt­lager für hilfs­be­dürf­tige Kinder", erzählt Makienok.

Der Tattoo-Fan ("Es ist wie eine Sucht") hat sich den Schriftzug "Huma­nity should be our race and love should be our reli­gion" auf die Brust stechen lassen. Auf gut Deutsch: Die Menschheit sollte unsere Rasse sein, die Liebe unsere Religion. "Und das meine ich auch so", betont Makienok - und antwortet auf die Frage in dem 11Freunde-Interview, ob er an einer WM in Katar teilnehmen würde: "Dass meine Werte mit denen, die in Katar herrschen, schwer ver­einbar sind, ist klar. Dass die Welt­meis­ter­schaft in so einem Land statt­findet, ist ein Skandal. Trotzdem finde ich es falsch, Spieler vor die Ent­schei­dung zu stellen." Und auf die Nachfrage, ob er also teilnehmen würde: "Ich glaube, ich könnte nicht ​‚Nein‘ sagen. Es ist das Größte, was du als Fuß­baller erleben kannst."

Eine Dokumentation über das Privatleben

Makienok ist nicht nur wegen seiner Offenheit in politischen Fragen ein außergewöhnlicher Fußball-Profi, auch wenn er das selbst nicht unbedingt so sieht. "Warum? Weil ich in meiner Frei­zeit auf Acryl male und in den Som­mer­fe­rien lieber mit dem Van durch Däne­mark reise als auf Mykonos am Pool zu hängen?" Er spiele aber genauso Play­Sta­tion und fahre ein dickes Auto, also: "Wenn Sie mögen, bekommen Sie bei mir also auch die übli­chen Fuß­baller-Kli­schees."

Simon Makienok (r.) schickt einen Gruß an seine verstorbene Mutter in den Himmel, nachdem er für Dynamo zum 1:1 gegen Greuther Fürth getroffen hat. Trotz der drei Tore steigen die Dresdner im Juni 2020 jedoch in die 3. Liga ab.
Simon Makienok (r.) schickt einen Gruß an seine verstorbene Mutter in den Himmel, nachdem er für Dynamo zum 1:1 gegen Greuther Fürth getroffen hat. Trotz der drei Tore steigen die Dresdner im Juni 2020 jedoch in die 3. Liga ab. © dpa/Robert Michael

Außergewöhnlich ist es dennoch, dass er sein Privatleben teilt. Während seiner Zeit bei Dynamo machte er seine Corona-Infektion im Mai 2020 öffentlich, während der Verein die Namen der betroffenen Spieler nicht bekanntgeben wollte. "Nachdem ich fünfmal getestet wurde, seit wir wieder mit dem Training begonnen haben, und jedes Ergebnis negativ war, bekam ich plötzlich einen Test zurück, der besagte, dass ich positiv auf Covid-19 getestet wurde. Keine Symptome, keine Indizien, nichts. Ich habe alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die ich konnte. Und trotzdem ist es passiert“, schrieb Makienok damals bei Instagram.

Darüber hinaus ließen er und seine Freundin sich ein Jahr lang von einem Kame­ra­team begleiten, es ent­stand eine sechstei­lige Doku­men­ta­tion über ihr Leben. "Das war nie geplant. Wir wurden ein­fach gefragt und hatten Lust darauf. So konnte ich zeigen, dass hinter einem Fuß­baller eben auch ein nor­maler Typ steckt, der über Gefühle spricht, ver­letz­lich und auch mal unsi­cher ist."

Die Fuß­ball­branche sei "eine sehr toughe, ego­is­ti­sche Kultur". Vielen gehe es darum, sich selbst zu opti­mieren, Geld zu ver­dienen und nach außen der harte Typ zu sein. "Ich möchte eben nicht nur als Fuß­baller wahr­ge­nommen werden, son­dern auch mal über Gefühle reden können und nicht immer stark sein." Das ist eine seiner Stärken.