Dresden. Seine Zeit bei Dynamo war kurz. Nur ein halbes Jahr spielte Simon Makienok für die Schwarz-Gelben. Im Januar 2020 war er vom FC Utrecht aus den Niederlanden nach Dresden gekommen, Ende Juni verabschiedete er sich nach neun Spielen, in denen er drei Tore erzielte. Trotz des Abstiegs und der wegen der Corona-Pandemie leeren Stadien schaffte es der 2,01 Meter große Däne, ein Publikumsliebling zu werden. Auch der damalige Trainer Markus Kauczinski hätte den Angreifer gerne behalten, doch der bekam beim FC St. Pauli einen Vertrag und durfte weiter in der zweiten Liga spielen.
Spätestens seit seinen zwei Toren beim 3:2-Sieg im Stadtderby gegen den Hamburger SV Mitte August hat der Stürmer auch am Millerntor einen Kultstatus erlangt, obwohl er meist nur Ersatzmann ist und beim 3:0-Erfolg der Kiez-Kicker gegen Dynamo am vergangenen Sonntag nicht zum Einsatz kam.
Nun hat er in einem sehr persönlichen Interview mit dem Magazin 11Freunde erklärt, warum er bei seinen bisherigen Klubs einen guten Draht zu den Fans gefunden hat. "Wahrscheinlich, indem ich etwas von mir zeige und der Öffentlichkeit präsentiere, wofür ich stehe. Vielleicht können sich ein paar Menschen damit identifizieren", sagt Makienok. Was er damit meint, macht der 30 Jahre alte Däne in dem Gespräch deutlich.
"Man muss es aktiv vorleben"
Er äußere sich in den sozialen Medien auch zu gesellschaftlichen Themen, weil er "der privilegierteste Mensch der Welt" sei, nämlich: "weiß, groß,
wohlhabend. Das macht es für mich natürlich extrem einfach, mich zu
Themen wie Homophobie, Rassismus und Diskriminierung zu äußern", erklärt Makienok. Es
reiche nicht mehr, antirassistisch oder
antidiskriminierend zu sein. "Man muss es aktiv vorleben."
Seine Einstellung: "Viele meiner Freunde sind homosexuell, in meinem Freundeskreis gibt es die verschiedensten Hautfarben, manche gehören Minderheiten an. Wenn ich kein Engagement zeigen und nicht für Toleranz einstehen würde, dann würde ich sie im Stich lassen."
Makienok will deshalb nicht nur mit öffentlichen Aussagen dazu beitragen, im besten Fall ein Bewusstsein zu schaffen. Er unterstützt derzeit die Kampagne eines St.-Pauli-Sponsors für ein Aussteigerprogramm von Rechtsextremen. Zudem setzt er sich für Kinder ein, sammelt Geld und kooperiert mit "Save the Children", einer 1919 gegründeten Organisation, die sich weltweit für den Schutz von Kindern einsetzt. "Im Sommer war ich in einem dänischen Zeltlager für hilfsbedürftige Kinder", erzählt Makienok.
Der Tattoo-Fan ("Es ist wie eine Sucht") hat sich den Schriftzug "Humanity should be our race and love should be our religion" auf die Brust stechen lassen. Auf gut Deutsch: Die Menschheit sollte unsere Rasse sein, die Liebe unsere Religion. "Und das meine ich auch so", betont Makienok - und antwortet auf die Frage in dem 11Freunde-Interview, ob er an einer WM in Katar teilnehmen würde: "Dass meine Werte mit denen, die in Katar herrschen, schwer vereinbar sind, ist klar. Dass die Weltmeisterschaft in so einem Land stattfindet, ist ein Skandal. Trotzdem finde ich es falsch, Spieler vor die Entscheidung zu stellen." Und auf die Nachfrage, ob er also teilnehmen würde: "Ich glaube, ich könnte nicht ‚Nein‘ sagen. Es ist das Größte, was du als Fußballer erleben kannst."
Eine Dokumentation über das Privatleben
Makienok ist nicht nur wegen seiner Offenheit in politischen Fragen ein außergewöhnlicher Fußball-Profi, auch wenn er das selbst nicht unbedingt so sieht. "Warum? Weil ich in meiner Freizeit auf Acryl male und in den Sommerferien lieber mit dem Van durch Dänemark reise als auf Mykonos am Pool zu hängen?" Er spiele aber genauso PlayStation und fahre ein dickes Auto, also: "Wenn Sie mögen, bekommen Sie bei mir also auch die üblichen Fußballer-Klischees."
Außergewöhnlich ist es dennoch, dass er sein Privatleben teilt. Während seiner Zeit bei Dynamo machte er seine Corona-Infektion im Mai 2020 öffentlich, während der Verein die Namen der betroffenen Spieler nicht bekanntgeben wollte. "Nachdem ich fünfmal getestet wurde, seit wir wieder mit dem Training begonnen haben, und jedes Ergebnis negativ war, bekam ich plötzlich einen Test zurück, der besagte, dass ich positiv auf Covid-19 getestet wurde. Keine Symptome, keine Indizien, nichts. Ich habe alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die ich konnte. Und trotzdem ist es passiert“, schrieb Makienok damals bei Instagram.
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Darüber hinaus ließen er und seine Freundin sich ein Jahr lang von einem Kamerateam begleiten, es entstand eine sechsteilige Dokumentation über ihr Leben. "Das war nie geplant. Wir wurden einfach gefragt und hatten Lust darauf. So konnte ich zeigen, dass hinter einem Fußballer eben auch ein normaler Typ steckt, der über Gefühle spricht, verletzlich und auch mal unsicher ist."
Die Fußballbranche sei "eine sehr toughe, egoistische Kultur". Vielen gehe es darum, sich selbst zu optimieren, Geld zu verdienen und nach außen der harte Typ zu sein. "Ich möchte eben nicht nur als Fußballer wahrgenommen werden, sondern auch mal über Gefühle reden können und nicht immer stark sein." Das ist eine seiner Stärken.