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Herr Kunath, was raten Sie Hobby-Sportlern, die Corona überstanden haben?

Nach dem Tod eines jungen Mannes beim Moritzburger Schlosstriathlon rät Sven Kunath zu besonderer Vorsicht nach Infekten – und warnt, zu viel zu trinken.

Von Michaela Widder
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Bis zur totalen Erschöpfung: Im Triathlon kommt der Körper an seine Grenzen, wie hier Vize-Europameisterin Lisa Tertsch. Deshalb ist Vorsicht geboten.
Bis zur totalen Erschöpfung: Im Triathlon kommt der Körper an seine Grenzen, wie hier Vize-Europameisterin Lisa Tertsch. Deshalb ist Vorsicht geboten. © dpa/Markus Tischler

Herr Kunath, beim Schlosstriathlon Mitte Juni verstarb erstmals in der 20-jährigen Geschichte ein Teilnehmer. Eine Herzmuskelentzündung soll die Ursache für den plötzlichen Herztod des 19-Jährigen gewesen sein. Was ist da in dem Körper passiert?

Das Ergebnis Herzmuskelentzündung bringt für „mich als Mediziner“ mehr Fragen als Antworten zum Todesfall. Ich möchte mich da nicht an Spekulationen beteiligen. Es steht lediglich fest, dass kein Unfall für das tragische Schicksal des jungen Sportlers ursächlich war. Höchstwahrscheinlich ein natürlicher, wettkampfgetriggerter Todesfall bedingt durch Verkettung ungünstiger pathophysiologischer Mechanismen.

Vor einer Herzmuskelentzündung haben vor allem viele Ausdauersportler Angst. Was sind die Ursachen dieser Erkrankung?

Ursächlich sind oft Infekte, meist durch diverse Viren, aber es gibt auch Autoimmunphänomene. Man kann beispielsweise eine Herzmuskelentzündung bei einer rheumatischen Erkrankung haben. Schwierig in der Diagnostik und Therapie sind die unterschiedlichsten Ursachen, Varianten und Verlaufsformen – von sehr mild bis Herztod.

Was sind denn typische Alarmsignale? Und wie stellt man die Diagnose?

Typische Symptome sind beschleunigter Puls bis hin zu Herzrasen, außer Puste sein und Atemprobleme schon bei leichter Belastung sowie Brustschmerzen. Nach einem EKG sollte dann durch einen Kardiologen ein Herzultraschall gemacht werden. Denn leichte Verlaufsformen können oft nur durch ein MRT des Herzens festgestellt werden. Wenn die Herzmuskelentzündung allerdings mit geringsten oder keinen Symptomen abläuft, wird es schwierig mit der Diagnose.

Wie kann sich ein Sportler selbst schützen?

Wie Oma früher schon sagte, sollte sich jeder nach einem Infekt ausreichend Zeit bis zur Wiederaufnahme des Trainings lassen. Danach geduldig und langsam anfangen und genau beobachten, wie der Körper reagiert. Bei den oben genannten Symptomen Sportpause und ärztliche Abklärung.

Nach der Corona-Pandemie sind viele hochmotiviert, endlich wieder einen Wettkampf zu machen. Was raten Sie Sportlern, die erst einen Infekt – möglicherweise Corona – hatten?

Fragen Sie mich als Arzt oder als Triathlet? Also Team Sicherheit oder Eigenverantwortung? Bei Fieber und noch ausgeprägten Symptomen auf jeden Fall Sportpause. Wenn man mich als Arzt fragt, geht der natürlich auf Nummer sicher und rät zu zwei bis drei Wochen Sportpause nach dem Infekt. Doch auch als erfahrener, aber ungeduldiger Athlet ist es mir nach Infekten wichtig, langsam ins Training zu starten und genau in den Körper zu hören. Zum Beispiel, ob ich schneller erschöpft bin oder auch der Puls in Ruhe und vergleichbaren Belastungen höher ist als vor dem Infekt. Dann benötigt der Körper noch Zeit – und ich verlängere die Pause.

Warum sind im Triathlon eigentlich Männer häufiger vom Herztod betroffen als Frauen?

Zum einen sind es mit 75 Prozent deutlich mehr Männer, die Triathlon-Wettkämpfe bestreiten. Zum anderen ist der genaue Grund, warum generell beim Sport tatsächlich mehr Männer einen plötzlichen Herztod erleiden, wissenschaftlich nicht genau geklärt. Vielleicht ist das starke Geschlecht ab und an durch zu hohen Ehrgeiz in Training und Wettkampf „gefährdet“. Insgesamt liegt das Risiko weltweit bei etwa 2:100.000 Triathlonstarts. Und wenn, tritt der plötzliche Herztod im Triathlon gehäuft beim Schwimmstart auf. Durch Einführung mehrerer kleiner Startgruppen scheint das Risiko inzwischen zumindest geringer.

Sven Kunath lebt in Oberlichtenau und arbeitet als Arzt in Hosena. Er erreichte bei 16 Ironman das Ziel.
Sven Kunath lebt in Oberlichtenau und arbeitet als Arzt in Hosena. Er erreichte bei 16 Ironman das Ziel. © privat

Welche Gefahren sehen Sie noch bei extremen sportlichen Belastungen?

Dass zu wenig trinken, schlecht ist, weiß jeder. Dass zu viel trinken aber auch gefährlich sein kann, weiß dagegen kaum jemand. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, neben Dehydrierung, Hitzschlag und Sonnenstich auch auf die wenig bekannte belastungsinduzierte Hyponatriämie hinzuweisen. Der Körper muss im Gleichgewicht bleiben – von der Temperatur her, der Flüssigkeit und dem Salzgehalt. Hitze und körperliche Langzeitbelastung bringen dabei viel durcheinander. Eine Extremausdauerbelastung von mehr als vier Stunden kann dazu führen, dass sich Sportler quasi übertrinken und dadurch das Natrium, also der Salzgehalt, im Blut absinkt. Das ist im Ausdauersport bei Hitze gar nicht selten, allerdings ziemlich unbekannt – und kann gefährlich werden. Denn eine schwere Hyponatriämie ist nicht einfach behandelbar wie zum Beispiel Dehydrierung. Und die Folgen können dramatisch sein.

Was heißt das?

Bei hoher körperlicher Belastung und Hitze arbeiten die Nieren stark eingeschränkt. Wenn ich mehr Flüssigkeit zuführe, als ich verschwitze oder über den Urin ausscheiden kann, habe ich ein Überwässerungsproblem. Der Körper hat trotz Sport dann zu viel Wasser. Und weil das mit Verdünnungseffekten und Elektrolytverschiebungen einhergeht, sinkt das Natrium mit all seinen klinischen Folgen wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Krämpfen, Verwirrung. Gefährlich wird es durch die osmotischen Effekte, wodurch sich Ödeme (Flüssigkeitsansammlungen, Anm. d. A.) bilden können. Im Extremfall kommt es zu einem lebensgefährlichen Hirnödem.

Was bedeutet das für einen Ausdauersportler, dem immer gesagt wird, er muss genug trinken?

Auf jeden Fall ist es bei Wettkämpfen, die länger als zwei Stunden gehen, wichtig, eine vernünftige Trinkstrategie zu haben, die an das Leistungsvermögen und den wirklichen Bedarf angepasst ist.

Aber woher soll ein Hobbysportler wissen, wie viel gut für ihn ist?

Zu viel für einen Ausdauerathleten ist auf jeden Fall, wenn er längere Zeit mehr als anderthalb Liter Wasser in einer Stunde trinkt. Das ist schnell erreicht, angefangen mit verschlucktem Wasser beim Schwimmen oder wenn ich beim Laufen an jeder Station zwei volle Becher trinke.

Was empfehlen Sie?

Vor allem für Anfänger oder Erststarter bei einer Mitteldistanz empfehle ich eine Trink- und Verpflegungsstrategie, für die man sich mal mit einem erfahrenen Triathleten oder einem Experten zusammensetzen sollte. Zwischen 500 bis 700 Milliliter Flüssigkeit pro Stunde sind ein guter Richtwert, bei über 30 Grad Celsius maximal 20 Prozent mehr. Wer sich mal überlegt, wozu er beim Sport überhaupt trinkt, wird feststellen, dass ein wesentlicher Grund, nämlich das Kühlen, einfacher durch Anwendung des kühlen Nass von außen auf der Haut zu erreichen ist. Eine extra Prise Salz in den letzten zwei Tagen vor einem Hitzewettkampf empfehle ich außerdem. Wer im Ausdauerwettkampf dann starke Kopfschmerzen, Übelkeit (unabhängig vom Schwimmen) oder Desorientierung empfindet oder anders als im Training gewohnt völlig neben sich steht, sollte erst mal Tempo rausnehmen, von außen kühlen – und wenns nicht besser wird, über einen vorzeitigen Ausstieg nachdenken.

Sie haben achtmal beim legendären Ironman auf Hawaii teilgenommen, zuletzt 2019. Wie sind aktuell Ihre Triathlon-Ambitionen?

Im Moment bin ich in Elternzeit und habe auch keine eigenen Ambitionen. Nach der Corona-Zeit ist das Triathlon-Fieber nicht zurück. Mit jetzt 43 und meinem dritten Kind bin ich so weise, dass ich mir den Doppelstress mit kleinem Kind und Leistungssport nicht antue. Viele Amateurtriathleten müssen Job, Familie und das intensive Training unter einen Hut bekommen. Das ist eine hohe physische und psychische Stressbelastung. Dabei geht es eigentlich für die meisten nur um das Finish und den Sieg gegen den eigenen Schweinehund.