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Machtdemonstration im Eiskanal: Wie sich Bobteam Friedrich neu erfindet

Die Superlative gehen langsam aus. Francesco Friedrich und seine Mannschaft machen den fünften Titel-Doppelpack bei Weltmeisterschaften perfekt. Und haben schon neue Ziele.

Von Tino Meyer
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Weltmeister im Viererbob, und das zum sechsten Mal in Folge: Pilot Francesco Friedrich (3.v.l.) und seine Anschieber Thorsten Margis (l.), Alexander Schüller und Felix Straub (r.).
Weltmeister im Viererbob, und das zum sechsten Mal in Folge: Pilot Francesco Friedrich (3.v.l.) und seine Anschieber Thorsten Margis (l.), Alexander Schüller und Felix Straub (r.). © dpa/Robert Michael

Winterberg. Null-komma-acht-acht steht nach knapp fünf Kilometern auf der Anzeigetafel. Es ist der Vorsprung von Francesco Friedrich und seinem Team im Viererbob bei der Weltmeisterschaft in Winterberg. Und das wiederum ist eine Klasse für sich im Eiskanal, wo nicht selten Hundertstelsekunden entscheiden - aber bei Geschwindigkeiten von fast 140 km/h auch jederzeit Stürze passieren können.

Dass der Bobdominator aus Pirna und seine Anschieber Thorsten Margis, Alexander Schüller und Felix Straub gewinnen, zeichnet sich schon mit dem ersten Lauf ab. Wirklich perfekt ist es am Sonntag um 16.52 Uhr nach dem vierten und letzten Durchgang. Team Friedrich ist Viererbob-Weltmeister, zum sechsten Mal hintereinander, und bleibt damit in der Königsdisziplin seit 2017 in großen Rennen ungeschlagen, Olympia inklusive.

"Wir sind sehr zufrieden und haben auf den Punkt alles hingekriegt. Unsere Form hat gestimmt, das Material, die Kufen, der Start, die Fahrten. Das macht uns wahnsinnig stolz, den Vierer so souverän gemeistert zu haben", sagt Friedrich nach dem Rennen, das er dominiert wie zu seinen allerbesten Zeiten.

Bereit für den Start - oder doch nicht? Gleich im ersten Lauf fährt Francesco Friedrich einen Bahnrekord, obwohl das Startkommando nicht richtig klappte.
Bereit für den Start - oder doch nicht? Gleich im ersten Lauf fährt Francesco Friedrich einen Bahnrekord, obwohl das Startkommando nicht richtig klappte. © dpa/Robert Michael

0,88 Sekunden Vorsprung beträgt der Vorsprung auf die Zweitplatzierten, Friedrichs Dauerrivalen Johannes Lochner und dessen Team. "Auch wenn bei uns alles perfekt funktioniert hätte, selbst dann wäre Franz wahrscheinlich vorne gewesen. Grandiose Leistung und Hut ab, was er nach dieser Saison wieder herausgezaubert hat", betont Lochner, der im Ziel einer der ersten Gratulanten ist.

Für Friedrich wiederum gibt es seit den Tagen von Winterberg nun einen neuen Beinamen, der die Runde macht: Maschine. Denn wenn es darauf ankommt, liefert Friedrich fast auf den Punkt genau ab. Nach dem in dieser Überlegenheit unerwarteten WM-Sieg im Zweierbob setzen Friedrich und seine Anschieber, sofern es noch einen Beweis gebraucht hat für die Dominanz, im Viererbob noch einen drauf. Bahnrekord im ersten Lauf, Bahnrekord im dritten Lauf - und den sogar mit Ankündigung. Neben dem großen Vorsprung steht in der Ergebnisliste zudem 24 Mal die 1. Das heißt: In allen vier Läufen Bester am Start, bei den Zwischenzeiten und im Ziel.

Mehr oder weniger, meint Friedrich, könne man schon von einer Machtdemonstration sprechen. Fakt ist: Dass Friedrich in beiden Disziplinen gewinnt und damit das fünfte Double seiner bis dato schon überaus erfolgreichen Karriere einfährt, haben die Wenigsten erwartet in einer Saison, die vor allem materialtechnisch im Zweier eine echte Herausforderung darstellt. Dazu kommt, dass die Konkurrenz - auch die innerdeutsche - deutlich stärker geworden ist.

Das große Ziel des zweifachen Doppel-Olympiasiegers, bei den Winterspielen in zwei Jahren in Italien mindestens noch einmal zu gewinnen und damit auch diese Bestmarke für sich allein zu haben, steht dennoch unverändert. Und die Weichen für die Zukunft sind gestellt, insbesondere personell.

Deutscher Dreifachsieg auch im Vierer - wie schon im Zweierbob sowohl bei Männern und Frauen: das zweitplatzierte Team von Johannes Lochner (l.), das Siegerteam von Francesco Friedrich (Mitte) sowie die Drittplatzierten um Adam Ammour.
Deutscher Dreifachsieg auch im Vierer - wie schon im Zweierbob sowohl bei Männern und Frauen: das zweitplatzierte Team von Johannes Lochner (l.), das Siegerteam von Francesco Friedrich (Mitte) sowie die Drittplatzierten um Adam Ammour. © dpa/Robert Michael

Seit einigen Jahren schon befindet sich "Team Friedrich", was ebenso ein fester Begriff geworden ist wie die Bezeichnung "Bobdominator", im Umbruch. Anschieber für Anschieber hat der Weltklassepilot, der abseits des Eiskanals als Perfektionist und selbsternannter Krümelkacker unterwegs ist, seine Crew umgebaut. Zuerst ist Schüller dazugekommen, der in der Vorwoche mit Friedrich nun zu seinem ersten WM-Sieg im Zweier gefahren ist. Gleiches gilt für den seit gut anderthalb Jahren integrierten Straub im Viererbob.

Dass dies vor allem im Eiskanal durchaus Zeit benötigt, hat der erste WM-Lauf in Winterberg gezeigt. Im Ziel steht zwar ein neuer Bahnrekord, und die neun Jahre alte Bestzeit seines früheren Oberbärenburger Teamkollegen Nico Walther wird nahezu pulverisiert. Am Start gibt es aber erhebliche Turbulenzen, die für Außenstehende kaum wahrnehmbar sind.

"Ich war noch gar nicht bereit, es sollte noch gar nicht losgehen. Da kam schon das Kommando", erzählt Friedrich und meint Anschieber Straub, der auf Position vier dafür verantwortlich ist. Der Bahnrekord, vor allem aber der schon nach dem ersten Lauf doch beruhigende Vorsprung auf Dauerrivalen Lochner lässt das kleine Missgeschick zur Randnotiz werden. "Das war Felix' erster WM-Start, so eine Kulisse mit so viel Lärm hat er noch nicht erlebt. Da kann so etwas passieren. Das sind Erfahrungen, die junge Leute machen müssen", sagt Friedrich.

Immer die Bestzeit: In allen vier WM-Läufen ist Team Friedrich am Schnellsten, sowohl am Start, bei den Zwischenzeiten als auch im Ziel.
Immer die Bestzeit: In allen vier WM-Läufen ist Team Friedrich am Schnellsten, sowohl am Start, bei den Zwischenzeiten als auch im Ziel. © dpa/Robert Michael

Spätestens nach dem vierten Lauf kann auch Straub darüber lachen. "Die Jungs haben mich danach gut aufgebaut, und die anderen drei Starts waren super. Jetzt Weltmeister zu sein, fühlt sich grandios an", sagt der frühere Leichtathlet, der 2021 mit der selten gelaufenen 4x200-m-Staffel noch den WM-Sieg gefeiert hat - und ein Jahr später aufgrund der besseren Perspektive zum Bobsport gewechselt ist. Was für im Eiskanal möglich ist, haben nicht zuletzt schon Ex-400-m-Läufer Martin Grothkopp und der einstige Kugelstoßer Candy Bauer bewiesen.

Jahrelang haben sie "Team Friedrich" mitgeprägt und nun als Olympiasieger und mehrfache Weltmeister die Karriere beendet. Grothkopp vor einem Jahr beim Weltcup in Altenberg, Bauer kürzlich an gleicher Stelle bei der WM-Generalprobe.

Der Umbruch geht also weiter. Am Rande der WM ist bekanntgeworden, dass mit Matthias Sommer einer der besten Anschieber des Landes ins Friedrich-Team wechseln wird, zudem sollen neue junge, schnellkräftige Männer gefunden werden, für die Leichtathletik keine Perspektiven mehr bietet. Ein weiteres gutes Beispiel für diesen Weg, den die deutsche Bob-Nationalmannschaft gezielt verfolgt, ist Georg Fleischhauer.

Große Kulisse: Mit 5.000 Zuschauern ist der Finalsonntag bei der Bob-WM in Winterberg ausverkauft. Gut 100 Fans sind aus Pirna und dem Umland gekommen, um Team Friedrich zu unterstützen.
Große Kulisse: Mit 5.000 Zuschauern ist der Finalsonntag bei der Bob-WM in Winterberg ausverkauft. Gut 100 Fans sind aus Pirna und dem Umland gekommen, um Team Friedrich zu unterstützen. © dpa/Robert Michael

Seitdem der langjährige Hürdensprinter aus Dresden im Bob von Johannes Lochner sitzt, fährt der um den Sieg mit - und im Vorjahr in St. Moritz zum ersten WM-Sieg in Zweierbob. Lochners Bilanz diesmal in Winterberg: Dritter im Zweiter und zum Abschluss also Zweiter mit dem Vierer.

"Wenn ich am Start stehe, will ich gewinnen. Unterm Strich bin ich jetzt aber zufrieden, dass ich mit meiner Mannschaft zwei Medaillen eingefahren habe. Nach Altenberg hätte ich nicht, dass ich überhaupt hier sein kann", sagt der 33-Jährige, der eine Woche vor der WM beim Weltcup in Altenberg schwer gestürzt war. Fürs nächste Jahr kündigt er den erneuten Angriff auf Friedrich an.

Und dann ist da nun auch Adam Ammour, der frühere Turner und Jungstar im deutschen Team vom BRC Thüringen. Er macht den deutschen Dreifach-Erfolg perfekt und wehrt auch im letzten lauf den Angriff des Letten Emils Cipulis ab.