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150 sächsische Genossenschaftswohnungen werden nicht gebaut

Nach Vonovia sagen auch sächsische Wohnungsgenossenschaften Neubauten ab - jeden dritten. Sie sparen jetzt außerdem an Details.

Von Georg Moeritz
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An der Fetscherstraße in Dresden baut die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt nach eigenen Worten "die perfekte Welle" mit geschwungener Fassade. Manche Genossenschaftsbauten in Sachsen sind gestoppt.
An der Fetscherstraße in Dresden baut die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt nach eigenen Worten "die perfekte Welle" mit geschwungener Fassade. Manche Genossenschaftsbauten in Sachsen sind gestoppt. © SZ/Georg Moeritz

Dresden. Inflation bremst Wohnungsbau: In den vergangenen Jahren haben die sächsischen Wohnungsgenossenschaften jeweils zwischen 300 und 500 neue Mietwohnungen bauen lassen. Obwohl ein Teil ihrer Wohnungen leer steht und manche Altbauten noch immer mit Subventionen abgerissen werden, wollen sie auch attraktive Neubauten anbieten. Sie werben um junge Familien. Doch in diesem Jahr schaffen die gut 200 Wohnungsgenossenschaften in Sachsen voraussichtlich zusammen gerade mal etwa 190 Neubauwohnungen.

Weitere 150 Projekte werden „storniert oder auf unbestimmte Zeit verschoben“. Verbandschefin Mirjam Philipp begründete die Baubremse am Donnerstag in Dresden vor allem mit den gestiegenen Baupreisen. Nächstes Jahr werde es erneut einen Einbruch beim Neubau geben.

Die sächsischen Genossenschaften kalkulieren derzeit mit 4.000 bis 5.000 Euro Neubaukosten pro Quadratmeter. Auch Vonovia-Vorstand Daniel Riedl sprach von 5.000 Euro und sagte, das lohne sich nur bei Mieten „Richtung 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter“ statt früher zwölf Euro. Doch die ließen sich nicht einnehmen.

Großvermieter Vonovia hatte vor einigen Tagen Neubauprojekte gestoppt, auch in Dresden. In sächsischen Genossenschaftswohnungen müssten bei diesen Baupreisen laut Verband 15 bis 16 Euro Kaltmiete in Neubauten verlangt werden - weniger als bei Vonovia, „weil wir die Grundstücke in der Regel schon besitzen“.

Modernisierung: Aufzug außen statt innen ist billiger

Auch bei Modernisierungen muss laut Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) nun gespart werden. Vorgesehene Aufzüge außen statt innen bauen, das sei ein Beispiel für eine mögliche Sparmaßnahme, sagte Verbandsreferent Sven Winkler. Er rechnete vor: Die Renovierung einer Mietwohnung koste etwa 40.000 bis 50.000 Euro für Bad, Elektrik, Heizung und neue Türen.

Dabei haben die Genossenschaften es noch gut: Sie haben oft langfristige Verträge oder sind Stammkunden bei Handwerkern, sodass sie bisher nicht laut über Fachkräftemangel klagen. Für dieses Jahr waren laut Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) 9.119 Modernisierungen geplant. Davon seien voraussichtlich 15 Prozent nicht mehr „realisierbar“.

Kaltmieten: Durchschnitt in Sachsen bei 5,25 Euro

Die Kaltmieten in den sächsischen Genossenschaftswohnungen steigen in diesem Jahr laut Winkler voraussichtlich auf 5,20 bis 5,30 Euro pro Quadratmeter. Das ist freilich ein Durchschnittspreis, von dem Neukunden wenig haben. Nach jüngsten Verbandszahlen für das vorige Jahr zahlten neue Mieter im Schnitt 6,13 Euro, in Dresden 6,74 Euro kalt pro Quadratmeter.

In Dresden lagen voriges Jahr die durchschnittlichen Kaltmieten in Genossenschaftswohnungen bei 5,86 Euro. Wer einen neuen Vertrag unterschrieb, musste im Schnitt 6,74 Euro kalt bezahlen.
In Dresden lagen voriges Jahr die durchschnittlichen Kaltmieten in Genossenschaftswohnungen bei 5,86 Euro. Wer einen neuen Vertrag unterschrieb, musste im Schnitt 6,74 Euro kalt bezahlen. © SZ Grafik

Am niedrigsten waren die Preise im Vogtland und im Erzgebirgskreis. Langjährige Mieter der Genossenschaften konnten im Vogtland mit 4,16 Euro im Durchschnitt auskommen, 4,79 Euro wurden dort im Schnitt für „Wiedervermietungsmieten“ angesetzt. Die Preise in Leipzig sind etwas niedriger als in Dresden. Philipp warb um Familien, die sich wegen der gestiegenen Baupreise kein Eigenheim mehr leisten können: Sie könnten möglicherweise bei einer Wohnungsgenossenschaft eine Einlage von beispielsweise 50.000 leisten, mit der ein Neubau verwirklicht werde - das sei ein Beitrag zum nötigen Eigenanteil. Im Neubau könnten sie dann „eigentümerähnlich“ leben.

Nebenkosten: Heizen ist rund 40 Prozent teurer geworden

Beim Thema Heizkosten sprach Mirjam Philipp von einer „Verschnaufpause“. Voriges Jahr hatten die Großvermieter wegen der schnell steigenden Kosten Angst vor der Wut ihrer Mieter, warnten vor möglichen Nachzahlungen von 500 bis 1.000 Euro und rieten zur vorsorglichen Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung. Eine Genossenschaft stellte zeitweise das Warmwasser ab. Viele Kunden hätten von sich aus die monatlichen Vorauszahlungen erhöht, sagte Philipp.

Neues Logo: Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften hat ein neues Design für seine Veröffentlichungen entwerfen lassen.
Neues Logo: Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften hat ein neues Design für seine Veröffentlichungen entwerfen lassen. © SZ/Georg Moeritz

Die staatliche Deckelung der Preise für Gas und Fernwärme habe den Wohnungsunternehmen sehr geholfen, sagte sie. Die Heizkosten durchschnittlicher Genossenschaftskunden stiegen nach vorläufiger Berechnung von 1,02 auf 1,45 Euro pro Quadratmeter, also um rund 40 Prozent. Bei einigen Vermietern sei „noch gar nichts passiert“, weil manche Verträge mit niedrigen Preisen bis Ende vorigen Jahres liefen. Energie sparen sei dennoch nötig, auch zur Vorsorge für den nächsten Winter.

Leerstand: Platz für Geflüchtete außerhalb der Metropolen

Verbandschefin Philipp betont bei jeder Gelegenheit, dass in Sachsen Wohnungen leer stehen – auch in Dresden. „Ich würde mir wünschen, wir könnten über Wartelisten reden“, sagte sie mit Bezug auf Andrang in Städten wie München. Etwa 26.000 Genossenschaftswohnungen in Sachsen hätten voriges Jahr leer gestanden, dieses und nächstes Jahr kämen voraussichtlich je rund 1.000 dazu.

Die meisten dieser leeren Wohnungen seien saniert und „marktfähig“, aber nicht möbliert. Unbeliebt seien die oberen Etagen in Häusern ohne Aufzug. Vierraumwohnungen stünden dagegen selten leer. Durch Zusammenlegung seien aber zusätzliche geschaffen worden. Philipp beklagte, dass Flüchtlinge in Zeltstädten lebten – sie könnten in Städten wie Riesa, Bautzen oder Torgau in Genossenschaftswohnungen untergebracht werden. Angeblich wollten viele nicht in den „ländlichen Raum“, ohne ihn zu kennen. Es gehe um attraktive Orte – wenn auch nicht Metropolen.

Regulierung: Solaranlagen für Genossen zu kompliziert

Weil voriges Jahr Förderprogramme überraschend endeten, sprach Verbandschefin Philipp von erschüttertem Vertrauen in die Bundesregierung. Zwar sei eine Novelle zum März beschlossen, aber sie helfe nicht – zum Beispiel seien zehn Jahre feste Zinsen zu kurz.

Noch nicht gelöst seien zudem viele Fragen um die Energiewende: „Pioniere“ im Vorstand von Wohnungsgenossenschaften würden gerne Solaranlagen auf die Dächer montieren. Zwar drohe nicht mehr Gewerbesteuer für das ganze Unternehmen. Aber es gebe noch viele Hürden. Wenn beispielsweise der Ökostrom vom Dach eines Genossenschaftshauses im Nachbarhaus genutzt werden solle, müssten womöglich einige Meter öffentliche Leitungen genutzt werden - prompt müssten unnötige Abgaben bezahlt werden. Die jüngst viel gepriesenen Wärmepumpen seien nicht unbedingt die Lösung für große Wohnblöcke.

Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften vertritt 207 Unternehmen mit fast 300.000 Wohnungen. Philipp stellte in Dresden ein neues Logo des Verbandes vor, das für ein "frisches Äußeres" stehe. "Es war an der Zeit, mit der Zeit zu gehen", sagte die Juristin im Verbandshaus gegenüber dem Bahnhof Dresden-Neustadt.

Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften vertritt 207 Unternehmen mit fast 300.000 Wohnungen. Philipp stellte in Dresden ein neues Logo des Verbandes vor, das für ein "frisches Äußeres" stehe. "Es war an der Zeit, mit der Zeit zu gehen", sagte die Juristin im Verbandshaus gegenüber dem Bahnhof Dresden-Neustadt.