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Das Hilfspaket beseitigt nicht die Inflation

Energie, Benzin, Lebensmittel: Fast alles wird teurer. Die Bundesregierung verteilt darum viel Geld um. Aber das behebt kaum Ursachen für steigende Preise. Ein Kommentar.

Von Georg Moeritz
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Der Euroshop verlangt 1,10 Euro statt einen Euro, und Energie ist teuer wie nie. Das Entlastungspaket der Bundesregierung behandelt Wirkung statt Ursache.
Der Euroshop verlangt 1,10 Euro statt einen Euro, und Energie ist teuer wie nie. Das Entlastungspaket der Bundesregierung behandelt Wirkung statt Ursache. © Georg Moeritz

Was war die wichtigste Meldung dieser Woche? Für viele sächsische Rentner dürfte es die Nachricht gewesen sein, dass ihre Renten um gut sechs Prozent steigen. Ab Juli gibt es zum Beispiel bei 1.300 Euro Rente eine Erhöhung um 80 Euro brutto.

Das gleicht einigermaßen die Teuerung bei Benzin und Brötchen aus. Denn die Inflationsrate in Sachsen lag im Februar schon bei 4,9 Prozent und wird wohl in den kommenden Monaten auch sechs Prozent erreichen – vor allem als Folge des Krieges in der Ukraine.

Schon haben manche sächsische Bäcker angekündigt, erneut höhere Preise für Brot und Brötchen zu kalkulieren. Spediteure demonstrierten mit einem Lastwagen-Umzug hupend in Dresden wegen der hohen Spritpreise. Bauern können jetzt zwar mehr Geld für Getreide, Milch und Fleisch verlangen, klagen aber auch über teuren Dünger.

Wie die Rentner sollen nun bald auch die meisten Berufstätigen Geld bekommen, das zumindest einen Teil der Preis-Erhöhungen ausgleicht: Die Bundesregierung hat in der Nacht zum Donnerstag ein Entlastungspaket ausgehandelt, das die heftigsten Folgen der Teuerung erst einmal mildern wird. Zwar kam gleich Kritik von links wie rechts, das Paket reiche nicht aus. Doch tatsächlich hat die Ampelkoalition eine erstaunliche Sammlung von sinnvollen Hilfen zusammengestellt. Sie sind auch gerecht.

Nur auf den ersten Blick sieht es ungerecht aus, dass alle steuerpflichtigen Beschäftigten pauschal 300 Euro erhalten sollen – auch Abteilungsleiter. Doch weil das Geld als Einkommen besteuert wird, bekommen Gutverdienende netto weniger als Niedriglöhner heraus. Da funktioniert die Regel, dass der Staat von höheren Einkommen mehr Prozente abzieht als von niedrigen. Der Staat sorgt also für eine Umverteilung von Geld, hin zu Geringverdienern. Das ist gerade jetzt in Zeiten der Geld-Entwertung richtig.

Zudem steigt in diesem Jahr der Mindestlohn in Deutschland so stark wie noch nie: von jetzt 9,82 Euro im Juli auf 10,45 Euro und zum Oktober auf 12 Euro. Diese Löhne kommen allerdings nicht vom Bund. Die Unternehmer müssen das Geld aufbringen, viele werden dafür wiederum Preise erhöhen.

Frankreich, Polen und Österreich handeln ähnlich

Aus der Staatskasse kommen der schon früher angekündigte Heizkostenzuschuss für Wohngeld- und Bafög-Empfänger, der neue Familienzuschuss von 100 Euro pro Kind und ein Zuschuss für die Monatskarte: Ein Vierteljahr lang soll jeder für neun Euro im Monat Bus und Straßenbahn fahren dürfen. Wann und wie Jahreskartenbesitzer die Entlastung bekommen, ist noch offen.

Diese Staatshilfen sind erst einmal nützlich. Frankreich, Polen, Österreich und andere haben ähnliche Entscheidungen getroffen. Die Inflation ist auch bei ihnen, in den USA liegt sie bei über sieben Prozent. Die Hilfen sind auch notwendig, denn schon in den beiden vergangenen Jahren sind die Löhne in Deutschland real gesunken – real heißt, nach Abzug der Inflationsrate. Die Inflation war höher als die Lohnsteigerungen.

Das ganze Entlastungspaket der Bundesregierung kann aber nicht verhindern, dass auch künftig Inflation droht. Die Staatshilfen lindern einige Monate lang die Folgen, aber sie beseitigen leider nicht die Ursachen der Inflation.

Preise stiegen schon vor dem Krieg

Einige Hilfen aus dem Entlastungspaket sind auf drei Monate befristet, etwa die Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Das soll bei Benzin 30 Cent pro Liter ausmachen, bei Diesel 14 Cent. Aber was geschieht nach den drei Monaten?

Freilich darf jeder die Hoffnung haben, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine bald vorbei ist. Damit würde eine der Inflations-Ursachen wegfallen: besonders hohe Öl- und Gaspreise, getrieben von der Sorge um Nachschub-Ausfälle. Doch der Krieg ist nicht die einzige Ursache für die Inflation. Auch vorher stiegen die Preise schon stärker als die rund zwei Prozent pro Jahr, die als Ziel von der Europäischen Zentralbank angepeilt werden.

Wer in die Tabellen des Statistischen Landesamts in Kamenz schaut, findet sehr unterschiedliche Preissteigerungen: Im Februar waren Kraftstoffe etwa 32 Prozent teurer als vor sieben Jahren. Lebensmittel verteuerten sich im gleichen Zeitraum um 22 Prozent. Kleidung und Schuhe dagegen, oft aus Fernost importiert, wurden kaum teurer.

Versorgung sichern - von Erdöl bis Getreide

Im ersten Corona-Jahr 2020 war Sprit günstig, weil die Industrie vorsichtig wurde und die Nachfrage sank. Inzwischen ist die Nachfrage nach vielen Rohstoffen stark gestiegen, Lieferketten waren unterbrochen, auch bei Mikrochips für Autos.

Um diese Ursachen der Inflation zurückzudrängen, muss die Versorgung gesichert werden – von Erdöl bis Getreide. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reiste in der Hoffnung auf Energie-Nachschub schon nach Katar. Außerdem will die Bundesregierung die Energiewende beschleunigen, damit weniger Öl und Gas benötigt werden. Doch erst einmal müssen Speicher für den nächsten Winter gefüllt werden, das wird nicht billig.

Als ein Mittel gegen Inflation würden auch höhere Zinsen helfen, festgelegt von der Europäischen Zentralbank. Doch sie zögert: Höhere Zinsen bremsen Unternehmen, die investieren und Arbeitsplätze schaffen wollen. Auch dadurch könnte Deutschland ärmer werden, wie durch Inflation. Zinserhöhungen werden wohl wie Hilfspakete nur schrittweise kommen. Sinkende Preise kann die Politik kaum schaffen. Immerhin: Sie arbeitet ernsthaft daran.