SZ + Wirtschaft
Merken

Wie Sachsen die Energiewende mit Stromspeichern voranbringt

Weil Sonne und Wind nicht gleichmäßig Strom liefern, helfen Speicher künftig bei der Versorgung. Sächsische Firmen und Forscher zeigen bei einer Energietagung, was sie schon können - mit Batterien und Wasserstoff.

Von Georg Moeritz
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wie kommen Industrieanlagen wohl mit Wasserstoff statt Erdgas zurecht? Professor Hartmut Krause gehörte zu den Experten bei der Jahrestagung von  Energy Saxony.
Wie kommen Industrieanlagen wohl mit Wasserstoff statt Erdgas zurecht? Professor Hartmut Krause gehörte zu den Experten bei der Jahrestagung von Energy Saxony. © SZ/Georg Moeritz

Freiberg. Ein großer Stromspeicher in Freiberg wird gebrauchte Akkus noch jahrelang weiternutzen, die sonst entsorgt worden wären. In sächsischen Städten wie Kamenz und Großröhrsdorf kümmern sich Batterie-Experten um die Aufladetechnik der Zukunft. "Wir brauchen Batteriespeicher zum Gelingen der Energiewende", sagte Mandy Schipke, Vorstandsvorsitzende des Vereins Energy Saxony, bei der jährlichen Fachtagung in Freiberg. Dort zeigte sich: Viele Beiträge dafür kommen schon aus Sachsen.

Skeleton: Die "Superbatterie" für schnelles Aufladen

Das Unternehmen Skeleton in Großröhrsdorf schließt mit seinen "Superbatterien" nach eigenen Angaben die Lücke zwischen Batterien und Superkondensatoren. Sie lassen sich in einer Minute aufladen. Zwar liefern sie nicht viel Energie über längere Zeit, aber hohe Leistung für kurzzeitige Anwendungen. Geschäftsführer Linus Froböse sagte, Skeleton stelle pro Jahr etwa zwei Millionen Stück her, größer als Getränkedosen. Roboter in der Logistik könnten sie nutzen, wenn sie den ganzen Tag hin- und herfahren und schnell wieder aufgeladen werden müssen. Ein Hafenkran oder ein Aufzug braucht kurzzeitig eine hohe Leistung.

Sie sehen aus wie Batterien, sind aber größer als Getränkedosen und vor allem für schnelles Laden und große Leistungen geeignet: Superbatterien von Skeleton Technologies in Großröhrsdorf.
Sie sehen aus wie Batterien, sind aber größer als Getränkedosen und vor allem für schnelles Laden und große Leistungen geeignet: Superbatterien von Skeleton Technologies in Großröhrsdorf. © Archivfoto: Matthias Schumann

Das Unternehmen hat voriges Jahr den Mineralölkonzern Shell als einen der ersten Großkunden für die Superbatterie gewonnen. Schwerlastfahrzeuge im Bergbau sollen sie nutzen. Skeleton baut gerade eine neue Fabrik in Markranstädt bei Leipzig, um die Produktion auszuweiten. Dort sollen 240 Arbeitsplätze entstehen.

Liovolt: Neue Bauart spart Material

Liovolt in Limbach-Oberfrohna stellt laut Geschäftsführer Michael Roscher große flache Lithium-Ionen-Batterien her - in einer neuen Bauweise, die Energieverluste in Heim- und Gewerbespeichern verringere. Sie benötigen weniger Bauteile - laut Roscher bestehen herkömmliche Batteriezelldeckel aus bis zu 39 Komponenten. Die Platten von Liovolt werden ähnlich wie Brennstoffzellen zusammengesetzt, sind einen Meter lang und 30 Zentimeter breit.

In zwei bis drei Jahren soll die Serienproduktion an zwei Standorten laufen. Liovolt wird ab Juli unter dem Namen Celluno Technology firmieren, zur Angleichung an den Hauptgesellschafter. Ein chinesischer Investor wurde laut Roscher einbezogen, auch in der Hoffnung auf erleichterten Zugang zu Materialien.

Liofit: Reparatur statt Austausch

Liofit in Kamenz ist auf Akkus von Elektrofahrrädern spezialisiert. Der Betrieb mit 34 Beschäftigten unter Leitung des Inhabers Ralf Günther sortiert, entlädt, repariert oder zerlegt die Batterien - je nach Zustand. Laut Günther können zwar viele Unternehmen defekte Batteriezellpakete auswechseln, aber nur Liofit repariere Akkuelektronik. Das Unternehmen habe das Wissen über 1.000 verschiedene Fahrradakkus katalogisiert. Eine Riesenchance für Liofit sei die neue EU-Batterieverordnung mit einer neuen Kategorie für leichte Transportmittel.

Liofit-Geschäftsführer Ralf Günther in Kamenz kennt sich mit der Reparatur von Fahrrad-Akkus aus. Das Foto entstand vor dem Brand in seinem Unternehmen, inzwischen läuft der Betrieb wieder.
Liofit-Geschäftsführer Ralf Günther in Kamenz kennt sich mit der Reparatur von Fahrrad-Akkus aus. Das Foto entstand vor dem Brand in seinem Unternehmen, inzwischen läuft der Betrieb wieder. © Archivfoto: René Plaul

Um Akkureparatur und die Zerlegung fürs Recycling an einem Standort zu verbinden, sei allerdings ein Neubau nötig. In den vergangenen Wochen musste Liofit zudem die Produktion unterbrechen, nachdem sich ein Dachstuhlbrand auf das ganze Unternehmen ausgedehnt hatte. Die Behörden hätten "herausragend" geholfen, lobte Günther, seit dem 19. Juni werde an neuem Standort wieder gearbeitet - in einem ehemaligen Gymnasium.

Forschung in Rossendorf: Flüssiges Metall

Dr. Tom Weier beschäftigt sich als Gruppenleiter am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf mit den Möglichkeiten der Flüssigmetallbatterie. Preiswertes Material und hohe Stromdichte sprechen für diese Technik - aber hohe Temperatur ist nötig, und die Korrosion ist schwer in den Griff zu bekommen. In einem Projekt namens Solstice haben die Rossendorfer sich mit dem Aufbau solcher Akkus beschäftigt, die zum Beispiel Salzschichten mit Natrium- und Zink-Ionen enthalten können, getrennt durch einen Keramikschaum.

Novum Engineering: Schneller Test des Ladezustands

Das Dresdner Unternehmen Novum Engineering findet bei gebrauchten Akkus heraus, wie gut sie noch sind und wie lange sie voraussichtlich noch halten. Solche Vorhersagen sind wichtig, wenn beispielsweise gebrauchte Batterien aus elektrischen Gabelstaplern und Autos zu einem großen Stromspeicher zusammengesetzt werden sollen. Ein solcher Großspeicher steht bei JT Energy Systems in Freiberg, mit 25 Megawatt Leistung.

Novum-Geschäftsführerin Mandy Schipke sagte, gebrauchte Batterien verhielten sich unterschiedlich, weil sie zuvor unterschiedlich behandelt wurden. Damit sie gut zusammenspielen könnten, seien Tests nötig. Die dauerten früher viele Stunden, Novum könne in 90 Sekunden Mess-Ergebnisse liefern. Das sei auch nützlich beispielsweise bei Gabelstaplern im Betrieb. Die Branche entwickle sich gut: Das Unternehmen Novum habe nach sieben Jahren Sauregurkenzeit jetzt sehr viel zu tun.

Zukunft des Recyclings: Viele Materialien sind selten

Nicht nur das Material in Akkus muss künftig möglichst wiederverwertet werden, auch die Wasserstoff-Elektrolyseure enthalten seltene Stoffe. Professor Urs Peuker, der sich an der Bergakademie Freiberg mit Verfahrenstechnik beschäftigt, berichtete von Schwierigkeiten beim Auseinandernehmen: Batterien seien sehr unterschiedlich, in Lithium-Ionen-Batterien steckten häufig sehr dünne Folien aus Lithium und Kupfer - die seien nicht leicht zu recyceln. Auch die Herstellung von Wasserstoff mit Membranen in Elektrolyseuren funktioniere mit "schrecklich dünnen Schichten". Da sei noch viel zu forschen. Peuker riet: "Schicken Sie Ihre Kinder und Nichten zu uns zum Studium, hier lernt man was Gescheites, und die Zukunft ist rosig."

Die Forscher suchen auch nach Ersatz für seltene Rohstoffe. Vor wenigen Tagen hat das Europäische Parlament über Mindest-Einsatzquoten für recyceltes Lithium diskutiert. Viel seltener als Lithium, das auch im Osterzgebirge abgebaut werden könnte, sind zum Beispiel Scandium und Iridium für die Elektrolyse. Künftig wird ein Vielfaches der bisher gewohnten Mengen benötigt.

Vor dem Recyceln der Inhaltsstoffe von technischen Geräten solle man erst mal über Reparieren nachdenken, forderte Dr. Mareike Partsch. Die Abteilungsleiterin am Fraunhofer-Institut IKTS erinnerte an die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft. Sachsen habe technisch viel zu bieten - Wiederverwertung sei "keine Last, sondern eine große Chance".

Wasserstoff in der Industrie: Rosten die Anlagen?

Der Freiberger Professor Hartmut Krause ist einer der wichtigsten Experten für gas- und wärmetechnische Anlagen. Nach seiner Ansicht wird Wasserstoff künftig vor allem in Industriebetrieben eingesetzt, die schwer auf Strom umgestellt werden können - weil dort beispielsweise hohe Temperaturen herrschen, Prozesse sehr kompliziert sind und eine Neuorganisation ohne Gas zu aufwendig wäre. Die meisten Speicher, Pipelines und Brenner können laut Krause Wasserstoff nutzen wie bisher Erdgas. Seit fünf Jahren werde vielerorts in Europa daran gearbeitet.

Forscher wie Krause beschäftigten sich damit, wie sich die Emissionen von Fabriken bei Wasserstoffnutzung verändern und wie die Flammen kontrolliert werden. Statt Kohlendioxid entsteht Wasserdampf als Abgas. Das ist umweltfreundlich, kann aber zur Korrosion der Anlagen führen - nicht bei Keramik, aber bei Stahl, sodass die Forscher sich widerstandsfähige Legierungen wie Kanthal vornehmen. Anlagenhersteller warten auf die Messdaten, um ihre Großkunden für die nächsten Jahrzehnte zu beraten.

Ambartec: Höherer Wirkungsgrad für Wasserstoff

Wasserstoff hat als Speicher einen Nachteil: Nach der Umwandlung von elektrischem Strom in das Gas und zurück ist nur noch etwa ein Drittel des Stroms übrig. Das Unternehmen Ambartec AG mit Sitz in Dresden hat aber laut Geschäftsführer Matthias Rudloff einen Weg gefunden, den Wirkungsgrad zu erhöhen. Ambartec nutzt die Oxidation von Eisen zum Energiespeichern. Wasserstoff schließt sich mit den Sauerstoff-Atomen von Eisenoxid zusammen, dabei wird Wasserdampf frei, der wiederum der Elektrolyse zugeführt wird.

Das Unternehmen will seine Speicher als Container anbieten. Rudloff sagte, Ambartec habe sich mit Patenten abgesichert, erste Fördermittel erhalten und voriges Jahr rund drei Millionen Euro von Investoren eingeworben. Nun befasse er sich mit Projekten weltweit, auch in Vietnam und Indien.

Fachkräfte-Projekt: Firmen sollen Bedarf melden

Weil die Branche in Sachsen wachsen will, muss sie wie andere ihren Nachwuchs finden. Constantin Wolf leitet daher ein Projekt zur Fachkräftesicherung im Verein Silicon Saxony, das mit acht Millionen Euro vom Bund gefördert wird. Sechs Bildungsträger in Sachsen und Thüringen sowie das Automotive Cluster Ostdeutschland beteiligen sich daran, erst einmal den künftigen Bedarf in den einzelnen Teilen der Wertschöpfungskette festzustellen - von Rohstoffbeschaffung über Fertigung von Batteriezellen und ganzen Systemen bis hin zu Reparatur, Demontage und Wiederverwertung von Bestandteilen.

Auf Arbeitskräfteknappheit trotz aller Bemühungen werde die Wirtschaft sich wohl für die nächsten Jahrzehnte einstellen müssen, sagte Dirk Orlamünder, der im sächsischen Wirtschaftsministerium die Abteilung Digitalisierung, Bergbau und Marktordnung leitet. Den vorhandenen Arbeitslosen fehle in der Regel die nötige Qualifikation, um Fachkräfte aus dem Ausland bemühe sich Sachsen ebenso wie andere Länder. Staatssekretär Thomas Kralinski sei daher gerade in Vietnam.

Die nächsten Fachtagungen sind schon geplant

Die Dresden Battery Days finden vom 25. bis 27. September im Fraunhofer-Institut IKTS in Dresden statt. Ein Wasserstoffkongress in der Dresdner Messe vom 24. bis 26. Oktober trägt den Titel Clean Hydrogen Convention und wird vom Innovationscluster Wasserstoffland Sachsen veranstaltet.