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Globalfoundries erstmals bereit zu Tarifverhandlung

Dresdens größte Fabrik zahlte noch vor zwei Jahren Prämien an Streikbrecher. Doch jetzt haben sich Manager von Globalfoundries und Gewerkschafter geeinigt - teilweise.

Von Georg Moeritz
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Hier gilt noch kein Tarifvertrag: ein Großraumbüro des Mikrochipherstellers Globalfoundries, der in Dresden 3.200 Menschen beschäftigt.
Hier gilt noch kein Tarifvertrag: ein Großraumbüro des Mikrochipherstellers Globalfoundries, der in Dresden 3.200 Menschen beschäftigt. © Archivfoto: Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Das ist ein "Meilenstein" für Dresdens größte Fabrik. So schreiben es gemeinsam Manfred Horstmann, Geschäftsführer von Globalfoundries Dresden mit 3.200 Beschäftigten, und Oliver Heinrich. Der leitet von Berlin aus den Landesbezirk Nordost der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). In den vergangenen Jahren hatten Gewerkschaft und Großbetrieb einander getriezt. Jetzt sind sie erstmals auf dem Weg zu einem Tarifvertrag.

Manager und Gewerkschafter haben ein "Eckpunktepapier" unterschrieben. Das ist noch nicht der Tarifvertrag, den die Chemiegewerkschaft seit Jahren für die Mikrochipfabrik im Dresdner Norden fordert. Doch in einer Information an die Beschäftigten schreiben die Verhandlungspartner, sie seien einig über Fragen zur Arbeitszeit im Schichtdienst und zum Jahresurlaub. Sie seien auch "einig, dass wir ein gutes Ergebnis erzielt haben".

Vor zwei Jahren schien das Verhältnis zerrüttet: Damals versuchte die IG BCE mit einer Reihe von Warnstreiks, das Management zu Verhandlungen zu drängen. Die große Fabrik müsse "endlich Tarifland" werden, hieß es auf einem Flugblatt. Das Unternehmen wehrte sich mit Geld für Streikbrecher: Bei einem Warnstreik im März 2020 zahlte Globalfoundries je 100 Euro „Wertschätzungsprämie“ an Beschäftigte, die am Streiktag arbeiteten. Wegen der Corona-Bedingungen fanden weitere Proteste laut Gewerkschaft schließlich „in stiller Form“ statt. Streikende konnten sich per E-Mail oder an einem Infomobil registrieren.

Vertrag soll erst gelten, wenn auch Einigung über Gehalt

Der Mikrochipkonzern mit Zentrale in den USA, Besitzern in Abu Dhabi und Firmensitz auf den Kaimaninseln in der Karibik hatte die Forderungen nach einem Tarifvertrag stets abgelehnt. Firmensprecher Jens Drews schrieb damals, Partner bei allen „internen Themen“ sei der Betriebsrat, also nicht die Gewerkschaft. Betriebsräte dürfen keine Tarifverträge schließen, das dürfen nur Gewerkschaften. Drews schrieb zur Streik-Ankündigung im Jahr 2020, die Gewerkschaft habe angesichts der insgesamt düsteren Wirtschaftsaussichten "nichts Besseres zu tun, als eines der wenigen regionalen Unternehmen, das entgegen der Krise massiv in Mitarbeiterschaft und Anlagen investiert, ins Visier zu nehmen". Partnerschaft entstehe nicht durch Druck, nur im Dialog.

Inzwischen ist es zum Dialog gekommen. Das Eckpunktepapier sieht laut IG BCE vor, in mehreren Stufen die Arbeitszeit in der Chip-Produktion zu verkürzen und Schichtarbeitern mehr Urlaub zu geben. Im April 2020 hatte Dresdens größte Fabrik die Arbeit im Reinraum von Zwölf- auf Achtstundenschichten umgestellt, wie im Jahr 2013 schon der Nachbar Infineon. Zum Ausgleich müssen Angestellte in der Produktion allerdings "Einbringeschichten" leisten, deren Zahl soll nun kleiner werden.

Die Wochenarbeitszeit soll laut Eckpunktepapier bis 2025 von 36,75 auf 36,11 Stunden sinken. Der Urlaubsanspruch für Schichtarbeiter bei Globalfoundries soll von 28 auf 30 Tage im Jahr wachsen. In ihrer gemeinsamen Mitteilung loben Firmenchef und Gewerkschafter "das gegenseitige Vertrauen" während der monatelangen Verhandlungen - nennen aber auch einen Haken an der Vereinbarung: Der Rahmentarifvertrag mit den Arbeitszeitregeln soll erst gelten, wenn auch Einigung über einen Entgelttarifvertrag erzielt ist.

Kapazität im Werk Dresden um ein Viertel erhöht

Streitfragen ums Geld stehen also erst noch zur Verhandlung an und können die bisher erzielte Einigung wieder kippen. Vor anderthalb Jahren forderte die IG BCE sechs Prozent Gehaltserhöhung und 90 Minuten mehr freie Zeit pro Woche. Die Gewerkschaft möchte sich laut Oliver Heinrich bei der Höhe des Gehalts am Branchen-Tarifvertrag der Chemieindustrie orientieren.

Der Tarifvertrag gilt beispielsweise für Wacker-Chemie in Nünchritz und BASF Schwarzheide. Vor einem Jahr setzte die Chemiegewerkschaft auch erstmals einen Tarifvertrag für die Dresdner Chipfabrik von X-Fab mit rund 500 Beschäftigten durch. Für Infineon mit 3.100 Beschäftigten in Dresden ist dagegen die IG Metall zuständig, weil Infineon aus der Halbleitersparte des Siemens-Konzerns hervorgegangen ist.

Die Mikrochipfabriken stehen zunehmend im Wettbewerb um neue Mitarbeiter und bemühen sich, als attraktive Arbeitgeber zu gelten. Globalfoundries Dresden wirbt auf seiner Internetseite damit, "gelebte Mitbestimmung" gehöre zum Miteinander im Unternehmen: "Wir haben einen Betriebsrat, welcher sich aktiv und engagiert für die Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen einsetzt und vertrauensvoll mit der Geschäftsleitung zusammenarbeitet." Das Unternehmen weist auch auf Fitnessstudio und 13. Gehalt hin.

Managerin: Der Fachkräftemangel ist überall

Globalfoundries sucht händeringend Techniker, die Maschinen installieren, warten und instand setzen. In einem Podcast des Branchenverbandes Silicon Saxony sagt Yvonne Keil, bei Globalfoundries als Managerin für den Einkauf zuständig, alle Unternehmen der Branche in der Region seien interessiert an denselben Mitarbeitern. "Der Fachkräftemangel ist überall", sagt Keil.

Wer sich bewerbe, solle aber nicht nur aufs Gehalt schauen. Wer längere Zeit im Beruf sei, der merke: Es gehe "ums Komplettpaket", also die Arbeitsbedingungen insgesamt, eventuell auch die Kinderbetreuung und die Mieten in einer Region. Die Lohnunterschiede seien nicht mehr so groß wie in den 90er-Jahren: "Weil wir Fachkräfte brauchen, sind die Gehälter gestiegen."

Der Globalfoundries-Konzern hat auch Fabriken in den USA und in Singapur. Der Umsatz wuchs im vergangenen Jahr um 36 Prozent auf 6,6 Milliarden US-Dollar. In Singapur begann das Unternehmen einen Neubau, in den USA kündigte Globalfoundries Neubaupläne an, und in Dresden wurde die Produktionskapazität laut Geschäftsbericht um mehr als ein Viertel erhöht. Im Dresdner Reinraum war noch Platz für neue Maschinen.