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Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen, Herr Ahrens?

Nach seiner Wahlschlappe scheidet Bautzens OB Alexander Ahrens nun aus dem Amt. Im Interview sagt er, wie es für ihn weitergeht und ob er in der Stadt bleibt.

Von Theresa Hellwig & Juliane Just
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"Das ist natürlich schon enttäuschend, wenn man sich sieben Jahre lang ein Bein ausreißt", sagt Alexander Ahrens kurz vor seinem Abtritt als Bautzens Oberbürgermeister.
"Das ist natürlich schon enttäuschend, wenn man sich sieben Jahre lang ein Bein ausreißt", sagt Alexander Ahrens kurz vor seinem Abtritt als Bautzens Oberbürgermeister. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Sieben Jahre lang hat Alexander Ahrens (SPD) als Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt Bautzen geleitet. Einige seiner Entscheidungen waren durchaus umstritten. Im Abschiedsinterview mit Sächsische.de resümiert er seine Amtszeit.

Herr Ahrens, die Oberbürgermeisterwahl im Juni hatte ein eindeutiges Ergebnis. Wie geht es Ihnen jetzt?

Es ist enttäuschend, wenn man sich sieben Jahre lang ein Bein rausreißt - nicht nur für die Stadt, sondern für die ganze Region. Ich bin gegen jegliche Kritik in den Ring gestiegen und habe mich dagegen positioniert. Wenn das nicht gesehen oder wertgeschätzt wird, ist das enttäuschend. Man engagiert sich, man setzt Sachen durch, man kämpft, und dann muss man sich dafür beschimpfen lassen.

Wie geht es für Sie jetzt weiter?

Ich hatte keinen Plan B. Ich bin gut ausgebildet und werde sicherlich andere spannende Aufgaben finden. Ich bin Volljurist, spreche verschiedene Sprachen, und sieben Jahre Berufserfahrung als kommunaler Spitzenbeamter sind auf dem Arbeitsmarkt auch nicht gerade schädlich. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dass ich gern in der Region bleiben würde. Mit meinem Profil allerdings ist es vorstellbar, dass ich woanders einen Job angeboten bekomme.

Werden Sie Bautzen also den Rücken kehren?

Ich würde mit meiner Familie schon gern in Bautzen bleiben - das hat Priorität. Die Geschicke der Stadt und der Region sind mir natürlich nicht gleichgültig.

Wie geht es mit Ihren Immobilien weiter?

Das war immer schon Privatangelegenheit. Ich habe mich mit Immobilien als Eigentümer seit rund 25 Jahren beschäftigt. Das hat mich wirtschaftlich unabhängig gemacht, aber das ist nicht Teil meiner jetzigen Aufgabe. Die einzige Immobilie, die immer öffentlich war, ist die Äußere Lauenstraße 3. Und ich bleibe dabei: Wenn ich die nicht gekauft hätte, dann würde heute an dieser wichtigen Ecke der Stadt, wo früher das Wendische Haus stand, ein Altenheim stehen. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand gewollt hätte.

Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken: Was sind aus Ihrer Sicht Ihre Errungenschaften?

Da fällt mir das Thema Jugend ein. Wir haben die Jugendideenkonferenz ins Leben gerufen, weil wir nach einer Beteiligungsform gesucht haben, bei der junge Leute sich in die Kommunalpolitik einbringen. Die Konferenzen waren über Jahre hinweg ein voller Erfolg. Einige Sachen sind realisiert worden, zum Beispiel der Jugendclub Kurti in der Kurt-Pchalek-Straße oder der Skatepark im Stadtteil Gesundbrunnen. Dort haben wir mit dem Spielplatz und dem Skatepark zwei große Investitionen von 1,5 Millionen Euro getätigt.

Fallen Ihnen weitere Errungenschaften ein?

Ich betrachte es als Errungenschaft, dass ich sieben Jahre lang die Stadt nach außen vertreten habe. Ich habe mit Erfolg dafür geworben, dass man die Region differenzierter betrachten muss, als das noch 2016 der Fall war. Der Auftritt bei Anne Will damals ist bundesweit beachtet worden. Ich finde, das ist eines der wichtigsten Themen überhaupt, dass wir im Osten 32 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch als doof, rückständig und rechtsradikal dargestellt werden.

Ein Blick ins Rathaus: Sie leiten die Amtsgeschäfte noch knapp einen Monat. Was genau machen Sie bis dahin?

Aktuell fange ich an, mein Büro auszuräumen. Ab dem 5. August nehme ich meinen Resturlaub. Vorher muss alles geregelt werden. Es wird noch ein Übergabegespräch stattfinden mit meinem Nachfolger. Da werde ich ihn in die komplexen Vorgänge zum Thema Strukturwandel einarbeiten. Außerdem haben wir drei große Projekte, die seit langer Zeit schon am Laufen sind.

Bleiben wir beim Thema Strukturwandel. Nach Ihrer Wahlniederlage sagten Sie: "Ich bin gerade krachend abgewählt worden, weil die Wähler in Bautzen meinen, ich hätte den Strukturwandelprozess verbockt." Sehen Sie das immer noch so?

Ich fand es schwer nachvollziehbar, dass mir vorgeworfen wurde, ich hätte den Strukturwandel verschlafen. Ich kann das auch nicht entkräften, weil ich nicht sagen kann: Schaut mal, wir haben eine Zusage zur Elektrifizierung der Strecke Dresden-Bautzen-Görlitz! Die Kommunen sind Bittsteller in diesem Prozess. Die notwendige Planungstiefe für die Förderung des Strukturwandels herzustellen, ist eben nicht in drei Monaten erledigt. Wir sehen das ja an der Spreebrücke, am Sorbischen Kultur- und Begegnungszentrum und erst recht am Logistikzentrum Süd. Das sind Prozesse, die Jahre dauern.

Haben Sie inzwischen andere Ursachen für Ihre Abwahl ausmachen können?

Ich habe das Gefühl, jeder hat sich herausgesucht, was ihm an mir nicht gefällt. Es gibt beispielsweise eine ganze Reihe Leute, die mir den Wiedereintritt in die SPD übelgenommen haben. Mir war es ja auch klar, dass es viel einfacher ist, parteilos zu bleiben. Ich habe schon vor meiner ersten Wahl gesagt, dass ich in der Rolle eines Sozialdemokraten bin. Es ist auch absurd, dass man mir das vorwirft, aber gleichzeitig mehrheitlich einen CDU-Kandidaten wählt.

Sie sind Standesbeamter geworden, obwohl der Stadtrat sich dagegen gestemmt hatte. Es gab viel Wirbel um diese Sache. Am Ende haben Sie keine einzige Trauung vollzogen, richtig?

Die Frage muss man doch andersherum stellen: Warum wurde daraus so ein Politikum gemacht? Viele Oberbürgermeister machen das, beispielsweise Herr Große in Bischofswerda oder Herr Hilbert in Dresden. Ich habe mich zu einem Zeitpunkt für den Kurs angemeldet, als das Standesamt überlastet war. Nach dem ganzen Wirbel habe ich diese Sache ausgesetzt.

Dann stellt sich doch aber die Frage, ob das alles nötig war?

Ich verstehe diese Aufregung bis heute nicht. Die Anfrage wurde öfter aus der Bevölkerung an mich herangetragen, und dann habe ich es eben gemacht. Ich bekomme dadurch kein zusätzliches Geld und binde mir Termine am Wochenende ans Bein. Und dann werde ich dafür angegriffen, dass ich eine weitere Dienstleistung anbieten will?

Anderes Thema: Haben Sie sich mit der Spreebrücke angesichts der Haushaltslage nicht verrannt?

Jedes Projekt, das man realisieren möchte, kostet in der Planung eben Geld. 2020 haben wir Führungen angeboten zum Planungsstand der Querung vom Protschenberg zur Ortenburg. Da haben 2.500 Leute teilgenommen, von denen sich 500 als Brücken-Gegner geoutet haben. Davon sind am Ende noch 50 übrig geblieben, die anderen haben sich überzeugen lassen. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass man die Leute bei so einem Projekt mitnehmen kann.

Würden Sie mit Blick auf Ihre Amtszeit im Nachhinein etwas anders machen?

Ich würde einen viel stärkeren Fokus auf eine Kommunikation nach außen legen. Immer, wenn ich die Gelegenheit hatte, ausführlich mit den Leuten zu reden, hatten sie Verständnis. Die Pandemie hat es deutlich schwerer gemacht, mit den Menschen im Gespräch zu bleiben.

Bautzen will kinderfreundlich sein, dennoch gab es immer wieder Beschwerden. Kita- und Turnhallengebühren steigen, dem Steinhaus & Co. wurden Fördermittel gestrichen. Hat Bautzen unter Ihnen die Familienfreundlichkeit aus dem Fokus verloren?

Kinderfreundlichkeit heißt ja nicht, dass alles, was für Kinder angeboten wird, kostenlos ist. Schauen Sie sich an, in welchem Zustand die Schulen, Kitas und Turnhallen in Bautzen sind - davon können andere Städte nur träumen. Die Menschen hier bezahlen mit den Elternbeiträgen nicht einmal zehn Prozent der Gesamtkosten. Die öffentliche Hand trägt über 90 Prozent der Kosten. Die Kostenbeteiligung der Eltern wird jährlich geringer. Dass sie unterm Strich trotzdem mehr zahlen ist dem Umstand geschuldet, dass die Preissprünge höher sind als der Durchschnitt der Inflationsrate. Wir sind eine extrem kinderfreundliche Stadt, das zeigen die Geburtenraten nach wie vor.