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Wie Freiberg wieder zu einem "gemeinsamen Wir" finden will

Montagsdemos, irritierende Aussagen des Stadt-Vize und eine Medienklage: Freiberg kommt kaum zur Ruhe. Im CoronaCast erklärt OB Krüger, was er dagegen tun will.

Von Fabian Deicke
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Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) erklärt im CoronaCast die Strategie der Stadt gegen Corona-Proteste.
Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) erklärt im CoronaCast die Strategie der Stadt gegen Corona-Proteste. © [M] dpa/Sächsische.de

Freiberg. In einem Punkt sind sich Städte wie Bautzen, Zwönitz oder Freiberg gleich: Sie sind mittelgroß und in der Pandemie jenseits der Großstädte irgendwie zu Brennpunkten des Protests gegen Corona-Maßnahmen geworden. Jedoch ist Freiberg zuletzt noch ein bisschen mehr als die anderen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Neben der allwöchentlichen Bilder von meist illegalen Montagsdemonstrationen hat zudem eine Debatte um einen fragwürdigen Völkermordvergleich von Vize-OB Holger Reuter (CDU) sowie ein Streit vor Gericht um eine Gegendarstellung für einen Zeitungsbericht der "Freien Presse" für Verwirrung gesorgt.

Im CoronaCast bei Sächsische.de schildert Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger die Lage seiner Stadt - und wie sich die nach der Zuspitzung der vergangenen Wochen rasch wieder bessern soll.

Die augenscheinlich kleinere Baustelle zuerst: Neben den wöchentlichen Protesten sorgte im Dezember die Aussage von Baubürgermeister und Vize-OB Holger Reuter (CDU) bundesweit für negative Schlagzeilen aus Freiberg. Reuter hatte sich in einem Interview mit der FAZ so geäußert, dass der Umgang mit Montagsdemonstranten eine Art "Kesseltreiben gegen Ungeimpfte" sei und verglich deren Situation mit der Verfolgung von Armeniern durch die Türkei Anfang des 20. Jahrhunderts.

Krüger hält die Aussagen seines Vize nach wie vor für "unentschuldbar", sagt er. Jedoch habe Reuter mit dem Rückzug aus der Spitze der Freiberger CDU die Konsequenzen gezogen und sich außerdem zu seinen Äußerungen positioniert. Eine Abwahl kam vergangene Woche nicht zustande.

"Trotzdem bleibt festzustellen, dass 19 von 34 Stadträten, die an der Abstimmung teilgenommen haben, für eine Abwahl gestimmt haben. Also aus meiner Sicht ist das auch ein großer Vertrauensverlust, den der Stadtrat hier ausgesprochen hat."

"Menschen scheuen montags den Weg in die Innenstadt"

Jetzt die größere Baustelle: In Bezug auf die Zuspitzung von Protesten gegen Corona-Maßnahmen sagt Krüger, dass er die Entwicklung mit Sorge beobachte. "Die Ereignisse um die Montagsspaziergänge haben dazu geführt, dass gerade an Montagnachmittagen die Innenstadt weitgehend verwaist ist." Die Menschen würden den Weg in die Stadt scheuen, weil man nicht wissen könne, wie der Abend verlaufen werde. "Das schadet unseren Einzelhändlern, Gastronomen und bringt uns in der Situation nicht weiter", so Krüger.

Dass die Proteste seit dieser Woche zumindest gemessen an der Teilnehmerzahl wieder legal stattfinden, begrüßt Krüger. Eine entsprechende Änderung der aktuell geltenden sächsischen Corona-Verordnung hat das möglich gemacht, weil in der gegenwärtigen Infektionslage die Obergrenze nicht mehr strikt bei 10, sondern bei 1.000 Teilnehmern liegt.

Freiberg plant Bürgerforum Ende Februar

Doch, nur weil die Demonstrationen jetzt in einen gesetzlichen Rahmen passen, ist für Krüger der Weg zu einer Befriedung der Lage in seiner Stadt noch nicht zu Ende. "Die große Herausforderung wird sein, die unterschiedlichen Meinungen, unsere Gesellschaft wieder zu einem gemeinsamen Wir für unsere Stadt zusammenzuführen."

Um das zu erreichen, will Freiberg wie bereits im vergangenen Jahr wieder auf gemeinsame Gespräche setzen. Krüger kündigt für Ende Februar einen Bürgerdialog und sagt begründend: "Ich bin ich dafür angetreten, mit allen gesellschaftlichen Gruppen unserer Stadt zu sprechen, die das Grundgesetz anerkennen und damit die darin verankerten Rechte und Pflichten."

Dialog ja, aber nicht mit Rechtsextremen

Damit stellt Krüger auch klar, welchen Teil der Montagsdemonstranten er nicht zum "gemeinsamen Wir" zählt. "Mit Rechtsextremen, die nicht auf der Basis des Grundgesetzes stehen, lehne ich Gespräche ab." Den Anteil extremer Kräfte bei den Protesten hält Krüger für gering.

Schließlich verweist Krüger aber auf die Szenen, die sich diese Woche bei einem Besuch von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in Frankenberg abspielten. "Was dort passiert ist, sollte etwas sein, was unserer Gesellschaft fremd ist. Jemanden nieder zu brüllen, bei allen unterschiedlichen Standpunkten." Wer für sich selbst Toleranz einfordere, müsse auch bereit sein, dem Gegenüber diese gleichen Rechte einzuräumen.

Schlüssel zu mehr Vertrauen in einfacheren Regeln

Um die Proteste nachhaltig zu befrieden, sieht Krüger neben Dialogangeboten zudem eine Vereinfachung sowie längere Gültigkeit bestehender Corona-Regeln als Notwendigkeit an. Um die Menschen beim nach wie vor wichtigen Thema Infektionsschutz nicht zu verlieren, fordert er mit Blick nach Dresden: "Wir brauchen einfache Lösungen, die auf eine Seite passen. 15 Regeln, die jeder verstehen kann, und die nicht nur für drei Wochen, sondern für Monate Bestand haben."

Es gehe um Planbarkeit und verlässliche Aussichten. Krüger ist überzeugt davon, dass die Politik auf diese Weise verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen kann.

Außerdem Themen des Gesprächs:

  • Wieso hat Freiberg gegen einen Artikel der "Freien Presse" übers Impfen geklagt?
  • Wie soll die Kampagne "Wir lieben Freiberg" weiter entwickelt werden?
  • Worin sieht Freibergs OB die Ursachen für den Protest in seiner Stadt?

Das Podcast-Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.

Hier sind ergänzende Links zu Themen, auf die in der Folge Bezug genommen wird:

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