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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Corona-Regeln verlängert +++ Schulen bleiben offen +++ Keine Entwarnung aus Kliniken +++ Weniger Verkehrskontrollen +++ Wöller will mehr Befugnisse für Polizei

Von Tobias Winzer
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Schulen und Kitas sollen offen bleiben. Das hat Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Dienstag versichert. Ansonsten herrscht angesichts der sich ausbreitenden Omikron-Variante viel Ungewissheit.
Schulen und Kitas sollen offen bleiben. Das hat Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Dienstag versichert. Ansonsten herrscht angesichts der sich ausbreitenden Omikron-Variante viel Ungewissheit. © dpa-Zentralbild

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Guten Morgen,

man hat das Gefühl, es geht nicht so richtig voran. Zwar auch nicht zurück. Aber es gibt eben Schöneres als gefühlten Stillstand. Doch vorwerfen kann man das ausnahmsweise mal niemandem so richtig. Außer dem Virus, das die Welt seit zwei Jahren dramatisch bewegt.

Sachsen geht es da nicht anders als dem Rest von Deutschland. Warten auf O. – wann kommt sie, die angekündigte "Omikron-Wand"? Vermutlich erst in zwei bis drei Wochen wird die neue Variante verstärkt im Freistaat ankommen, so haben es Experten vorausberechnet. Bis dahin gilt es, sich darauf vorzubereiten, ohne zu wissen, was genau da kommt. Es ist wie eine Fahrt im Nebel. Und es ist eine trügerische Ruhe. Doch die aktuell relativ niedrigen Infektionszahlen täuschen. Die Krankenhäuser sind zwar nicht mehr so überfüllt wie vor Weihnachten, aber sie sind voll.

Trotz dieser Ungewissheit muss auch Sachsen sich in dieser Situation bis Ende der Woche entscheiden, wie es in der Pandemie-Bekämpfung weitergeht. Was die bisher geltenden harten Einschränkungen gebracht haben? Eine Zahl nannte Gesundheitsministerin Petra Köpping gestern, die allen, die sich mühevoll an die Regeln gehalten haben, darin bestärken sollte, weiterzumachen: 2.000 Menschenleben, so schätzt Köpping, könnten der späte, aber dann strikte Kurs allein in Sachsen gerettet haben.

Dennoch dürfte sich die Gesundheitsministerin in den kommenden Tagen auch gegen die Lockerungs-Begehrlichkeiten von anderen Ministern zur Wehr setzen müssen. So versucht sich Kulturministerin Barbara Klepsch zu profilieren, indem sie sich für die Öffnung von Kultureinrichtungen und Ski-Liften starkmacht. Doch spätestens wenn Omikron in den nächsten Wochen die Infektionszahlen in die Höhe getrieben haben dürfte, dürften auch diese Gedankenspiele wieder schnell in der Kiste verschwinden. Leider. Man sollte in dieser Zeit nicht noch mit den Hoffnungen der Menschen spielen, dass sich sehr schnell etwas zum Besseren stabilisieren könnte.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de


Die wichtigsten News am Morgen

+++ Corona-Verordnung um fünf Tage verlängert +++

Sachsen verlängert seine aktuelle Corona-Notfallverordnung (hier in der Zusammenfassung von sächsische.de) um fünf Tage bis zum 14. Januar und erwägt danach Erleichterungen. "Wir wollen natürlich alles, was möglich ist, bewerkstelligen", sagte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Dresden. "Die Absicht, dass wir so vielen wie möglich etwas ermöglichen, die ist da. Wir wollen Perspektiven aufzeigen, sind aber auch abhängig von der Entwicklung", betonte die Ministerin.

Köpping begründete die Verlängerung der Schutzverordnung zum einen mit der besseren Datenlage in einer Woche. Zudem gelte es, Beschlüsse auf Bundesebene abzuwarten. Noch diese Woche berieten der Expertenrat der Bundesregierung, die Gesundheitsministerkonferenz, die Ministerpräsidentenkonferenz und der Krisenstab von Bund und Ländern zum Fortgang der Pandemie. Die Eckpunkte der neuen sächsischen Corona-Schutzverordnung sollen am Freitag feststehen, die Verordnung selbst soll am Mittwoch kommender Woche verabschiedet werden. Köpping deutete am Dienstag an, dass es eine Veränderung beim Versammlungsrecht geben könnte. Auch der Skibetrieb solle in der neuen Verordnung geregelt werden.

Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, hatte das Kulturministerium bereits Öffnungen im Kulturbetrieb ab 14. Januar angekündigt. Entschieden ist aber noch nichts. Ziel sei es, dass in Sachsen zumindest ein Teil der Kultur wieder öffnen dürfe - analog zu den anderen Bundesländern, in denen die Beschränkungen nicht so groß seien, teilte das Kulturministerium am Dienstag mit (auch per Twitter). Die gleichen Argumente gälten für den Tourismus.

+++ Piwarz: Schulen sollen offen bleiben +++

Sachsen will seine Schulen mit den bekannten Corona-Regeln offen halten. Eine entsprechende neue Corona-Verordnung für Schulen und Kitas soll am Freitag im Kabinett beschlossen werden, wie Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Dienstag sagte. Die aktuell geltende Verordnung läuft am 9. Januar aus. Für Kitas und Grundschulen sieht der Entwurf weiter den eingeschränkten Regelbetrieb vor: Klassen und Gruppen müssen streng getrennt bleiben. In Schulgebäuden gilt immer dann eine Maskenpflicht, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Ab Klasse 5 müssen Schüler auch im Unterricht eine Maske tragen. Zudem gilt eine dreimalige Testpflicht pro Woche. Die neue Schul- und Kitaverordnung soll vier Wochen lang gelten. Sollten die Fallzahlen in dieser Zeit stark ansteigen, sei eine Verschärfung der Maßnahmen denkbar, sagte Piwarz.

Derweil hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) generelle Schulschließungen im Fall hoher Infektionszahlen ins Spiel gebracht. "Wenn ohnehin viele Schüler und Klassen in Quarantäne sind, müsste man überlegen, ob das nicht die sinnvollere Variante ist", sagte die Landesvorsitzende Uschi Kruse am Dienstag. Ende des vergangenen Jahres, als Sachsen Corona-Hotspot in Deutschland war, sei dieser Punkt an einigen Stellen überschritten gewesen. "An vielen Orten hat es zwischenzeitlich keine verlässliche Schule mehr gegeben, auch wenn die Schulen nicht offiziell geschlossen wurden."

+++ Inzidenz gesunken, Fallzahlen steigen +++

Die gemeldete Corona-Inzidenz in Sachsen schwankt und ist am Dienstag gesunken. Das Robert-Koch-Institut (RKI) weist allerdings darauf hin, dass die Daten noch immer kein vollständiges Bild der Lage bieten. Das RKI gab die Inzidenz am Dienstag mit 287,5 an - nach 327,1 am Vortag. Den höchsten Wert verzeichnete wie in den Tagen zuvor der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (411,1) dicht gefolgt vom Landkreis Meißen (409,4). Wie trügerisch das Bild ist, verdeutlicht das Beispiel Dresden: Dort fiel die Inzidenz, zugleich wurden deutlich mehr Corona-Fälle gemeldet. Die niedrigste Inzidenz im Freistaat meldete das RKI für Leipzig (203,2). Alle aktuellen Entwicklungen zur Pandemie in Sachsen, Deutschland und der Welt gibt es in unserem Newsblog.

Wie Gesundheitsministerin Petra Köpping am Dienstag sagte, sind aktuell 446 Betten auf sächsischen Intensivstationen mit Covid-19-Patienten belegt. Für die Überlastungsstufe gilt in Sachsen ein Wert von 420 Betten. "Wir müssen alles dafür tun, um das Personal in den Kliniken zu entlasten", sagte die Ministerin. Laut Köpping gibt es derzeit in Sachsen 35 bestätigte Fälle der Omikron-Variante und 149 Verdachtsfälle. Sorge äußerte die Ministerin darüber, dass auch eine vergleichsweise hohe Zahl älterer Menschen noch nicht geimpft ist. Mehr als 265.000 Menschen im Alter ab 60 hätten noch keinen Impfschutz. Dabei sei diese Altersgruppe besonders gefährdet.

Unklar bleibt aber, welche Folgen die Ausbreitung der Omikron-Variante für die Kliniken in Sachsen hat. "Nach der vierten Welle, die alles Bisherige nochmals übertroffen hat, können wir aktuell nicht absehen, wie schlimm uns die neue Variante Omikron treffen wird", sagt Michael Albrecht, Chef des Dresdner Uniklinikums. "Deshalb können wir aktuell nur in wenigen Bereichen die Kapazitäten zugunsten der Patienten neu verteilen, deren Behandlungen durch die Pandemie aufgeschoben werden mussten", sagt er. Ähnlich äußerte sich auch der Chef des Leipziger Uniklinikums, Christoph Josten. "Wir befinden uns im Nebel", sagte er bei einer Diskussionsrunde mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Dienstagabend. Josten plädierte für ein Beibehalten der jetzigen harten Maßnahmen in Sachsen. "Im Nebel etwas zu ändern, wäre der falsche Weg." Die nächsten vier Woche solle man nicht daran denken, Maßnahmen zu lockern.

+++ Wegen Corona-Einsätzen: Polizei hat weniger Zeit für Verkehrskontrollen +++

14 verletzte Polizisten - so lautet die Bilanz der Corona-Proteste am Montagabend im westsächsischen Lichtenstein. "Eine Person versuchte, einem Beamten die Dienstwaffe zu entreißen und ein Polizist erlitt eine Bissverletzung durch einen Teilnehmer der Versammlung", teilte die Polizeidirektion am Dienstag mit. Demnach hatten sich in einen Pulk von rund 200 Demonstranten etwa 60 gewaltbereite junge Leute gemischt. "Diese widersetzten sich mit mehreren Durchbruchsversuchen der polizeilichen Maßnahme und griffen die Beamten massiv an. Darüber hinaus versprühten Teilnehmer Reizstoffe gegen die Einsatzkräfte." Auch die Polizei setzte nach eigenen Angaben Pfefferspray ein. Der MDR beleuchtet den Einsatz und die Reaktionen. Auch gestern Abend demonstrierten dort 270 Personen gegen die Corona-Maßnahmen. Es blieb friedlich.

Bei Protesten in Freiberg wurde ein 17-Jähriger vorläufig festgenommen. In Bautzen verlief der Protest ruhiger als in der Vorwoche. Trotzdem stellte die Polizei 19 Strafanzeigen aus. In Zittau wurde eine Polizeisperre durchbrochen. Saechsische.de fasst das Einsatzgeschehen in Sachsen zusammen. Auch in vielen anderen Bundesländern gab es Proteste mit insgesamt Zehntausenden Teilnehmern. In insgesamt 26 sächsischen Städten hatte auch die AfD Demos angemeldet. In Görlitz, wo die Partei zwei Kundgebungen angemeldet hatte, konnte sie offenbar nur wenige Protestler anziehen.

Die Polizeieinsätze bei den Corona-Demos haben mittlerweile konkrete Auswirkungen auf die Polizeiarbeit in anderen Bereichen. Laut Polizeipräsident Horst Kretzschmar sei die Präventionsarbeit in Schulen vorerst gestrichen. Ebenso würden Verkehrskontrollen und Ordnungswidrigkeiten derzeit nur zu 50 Prozent ausgeführt und dokumentiert.

+++ Wöller fordert mehr Befugnisse für Polizei +++

Die Polizei braucht nach Ansicht des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU) mehr Befugnisse im Kampf gegen Kriminelle, die etwa über den Messengerdienst Telegram kommunizieren. "Ich war ein Stück weit entsetzt, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann die Auffassung vertritt, man brauche keine neuen Gesetze und müsse nur die bestehenden anwenden", sagte Wöller mit Blick auf die Debatte um eine Regulierung von Telegram. Dies sei Realitätsverweigerung. Gott sei dank höre man auch andere Töne aus der Bundesregierung, beispielsweise von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

"Wir leben in einer Welt, wo sich Kriminelle und Schwerverbrecher nicht mehr mit dem Wählscheibentelefon zu Straftaten verabreden, sondern im Internet", sagte Wöller. "Wenn die Polizei und die Sicherheitsbehörden das wirksam bekämpfen wollen, brauchen sie mehr Befugnisse. Das fordere ich schon seit langem." Leider würden sich die Koalitionspartner SPD und Grüne gegen Möglichkeiten wie Online-Durchsuchung von Computern oder die Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) im Gefahrenabwehrbereich sperren. Dabei wird die Kommunikation erfasst, bevor sie verschlüsselt wird.

Kritik an den Aussagen kommt von den Linken. "Wir brauchen keine weiteren polizeilichen Möglichkeiten, sondern klare Kante gegen Nazis. Der Innenminister aber zeigt auf seine Koalitionspartner und will von seinem Versagen ablenken", so Fraktionschef Rico Gebhardt laut einer Mitteilung. Auch Wöllers grüner Koalitionspartner in Sachsen wurde deutlich: "Mal wieder die Mär von den 'fehlenden Befugnissen' als Ablenkungsmanöver. Wer den Unterschied zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung immer noch nicht verstehen will, sollte sich mit allzu plumpen Angriffen auf Koalitionspartner zurückhalten", twitterte Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann.


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