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Was Kretschmer zum "Zwei-Klassen-Lockdown" sagt

Lutz Beyer aus Hirschfelde hatte sich mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer gewandt. Nun hat der Regierungschef geantwortet.

Von Jan Lange
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Friseure sind seit über sechs Wochen geschlossen. Aber Politiker wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sind trotzdem immer gut gestylt - das wundert nicht nur Lutz Beyer aus Hirschfelde.
Friseure sind seit über sechs Wochen geschlossen. Aber Politiker wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sind trotzdem immer gut gestylt - das wundert nicht nur Lutz Beyer aus Hirschfelde. © dpa/Erwin Scheriau

Seine Enttäuschung kann Lutz Beyer nicht verbergen. Der Hirschfelder hätte sich von Michael Kretschmers Antwort auf seinen offenen Brief mehr erwartet. Nur eine Viertelseite des dreiseitigen Schreibens betreffe sein Anliegen, der Rest sei übliches Politikergerede, findet Lutz Beyer und ist merklich unzufrieden.

Mitte Januar hatte der Hirschfelder an Sachsens Ministerpräsidenten geschrieben und ihm darin einige Fragen gestellt. So zum Beispiel, warum sich Profifußballer nach jedem Tor umarmen und bei Stürzen übereinander "herfallen", während sein Friseur, der mittlerweile jede Schutzmaßnahme in Perfektion beherrsche, schließen muss? Lutz Beyer sieht darin einen Zwei-Klassen-Lockdown.

Für Michael Kretschmer ist der Vorwurf so nicht berechtigt. "Dass Bilder von Sportlern, die sich nahekommen, jubeln und sich umarmen angesichts der Einschränkungen in anderen Bereichen, dem ein oder anderen fragwürdig erscheinen und auch wenn die Forderung nach einem Verbot des Profisports vor diesem Hintergrund aufkommen mag, könnte ich bei diesem Schritt keinen Vorteil im Kampf gegen die Pandemie erkennen", schreibt Sachsens Regierungschef an den Hirschfelder. Er sehe aber sehr wohl ökonomische Schäden für Vereine, Verbände und die Sportler, die vermeidbar sind.

Sportler werden regelmäßig getestet

Hinsichtlich des Profisports während der Pandemie gebe es eine kontroverse Diskussion, weiß Kretschmer. "Es gibt Menschen, die wie Sie kein Verständnis dafür haben, dass diese Wettkämpfe und Spiele stattfinden. Andere wiederum sind froh und freuen sich, Sport im Fernsehen verfolgen zu können", heißt es in der Antwort des MP.

Die Sportler werden auch regelmäßig auf Kosten der Vereine, Verbände, Ligen oder Veranstalter auf das Coronavirus getestet, weist Kretschmer hin. "Bei allen Spielen und Wettkämpfen wird nur auf das nötigste Personal zurückgegriffen. Es ist kein Publikum erlaubt. Die Veranstaltungen sind also keine Anziehungspunkte für Menschen." Er nimmt damit auch Bezug auf Lutz Beyers Kritik, dass der Ski-Weltcup in Dresden stattfinden konnte. Der Hirschfelder äußerte darüber sein Unverständnis.

Kretschmer: Prämisse, Kontakte zu reduzieren

Die Politik müsse sich in der Pandemiebekämpfung immer die Frage stellen, ob eine Maßnahme notwendig und verhältnismäßig ist, so Kretschmer. "Unserer Strategie der Pandemiebekämpfung liegt die Prämisse zugrunde, dass es darum geht, Kontakte zwischen den Menschen zu reduzieren und damit die Übertragungsmöglichkeiten für das Virus zu minimieren", schreibt er. Deshalb sei es nötig, Hotels und Restaurants, Geschäfte und bestimmte Dienstleistungsbetriebe, Kitas und Schulen zu schließen.

In den betroffenen Branchen versteht man diese Notwendigkeit nicht unbedingt. So bezweifelt die Zittauer Kneipenwirtin Elke Mäffert, dass die Gastronomie an der zweiten Corona-Welle schuld sei und deshalb seit drei Monaten zwangsweise geschlossen ist. Man habe sich an alle Schutzmaßnahmen gehalten. Dennoch mussten die Restaurants und Kneipen schließen. Das treibe viele langsam in die Pleite, meint die "Irish Pub"-Chefin.

Hygienekonzepte nicht vergebens

Die von den Gastronomen, Hoteliers, Händlern und Dienstleistern nach dem ersten Corona-Lockdown entwickelten Hygienekonzepte seien keineswegs vergebens gewesen, findet Michael Kretschmer. "Die Erfahrung der vergangenen Monate hat aber gezeigt, dass es leider einen Punkt gibt, an dem das Einhalten dieser Hygienekonzepte nicht mehr ausgereicht hat, um die schnelle Verbreitung des Virus zu verhindern", erklärt er. Sobald das Infektionsgeschehen Öffnungen wieder zulasse, werden die Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen gebraucht, damit es nicht zu einem Rückschlag und einem neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen komme, so der MP.

"Wir wollen, dass es beginnend im Februar Schritt für Schritt Lockerungen der Beschränkungen geben kann. Dafür ist es aber entscheidend, dass die lnfektionszahlen auf ein Niveau sinken, bei dem die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung und die Krankenhäuser die Stabilität der medizinischen Versorgung gewährleisten können. Dann, und nur dann, sind Lockerungen möglich", erklärt Kretschmer.

Konkrete Termine, wann genau Geschäfte oder Restaurants wieder öffnen dürfen, nennt Kretschmer nicht. Vorerst gilt der Lockdown bis zum 14. Februar - so lange bleiben sie auf jeden Fall geschlossen. Mitte Januar deutete der MP aber an, dass Friseure und Kosmetiker vielleicht im Februar wieder arbeiten könnten. Das würde auch Susanne Leyer freuen, die drei Salons in Schönau-Berzdorf, Ostritz und Görlitz betreibt und sich ebenfalls mit einem öffentlichen Hilferuf an die Politik gewandt hatte. In ihrer Branche habe kaum jemand einen ewig langen Atem. Die Friseurmeisterin befürchtet, dass Insolvenzen vorprogrammiert sind.

Kretschmer: Halte mich auch an Beschränkungen

Lutz Beyer hatte sich auch gewundert, warum Michael Kretschmer trotz der Schließung der Friseursalons immer so gut frisiert sei. Darauf ist der MP auch eingegangen. "Wenn Sie den Eindruck haben, ich wäre erst kürzlich bei Friseur gewesen, so mag das zwar für die Qualität der handwerklichen Arbeit meines Friseurs sprechen, ist aber ein falscher Eindruck", schreibt Kretschmer. Sein letztmaliger Friseurbesuch habe vor Beginn des Lockdowns im Dezember gelegen. "Selbstverständlich halte ich mich auch an jene Beschränkungen, die für alle Bürger gelten", betont der Regierungschef.

Kretschmer sei bewusst, dass die Corona-Maßnahmen harte Einschränkungen für unser Leben sind und für alle Bürger Belastungen bedeuten. Umso wichtiger sei es, findet der MP, dass sich alle an die Regeln halten und auf diesem Wege zur Eindämmung der Pandemie beitragen. Durch Leugnen, Verweigern oder Verharmlosen können seiner Meinung nach keine Probleme gelöst werden.

Auch Lutz Beyer denkt so, sieht sich keinesfalls als Corona-Kritiker. Er befürworte vielmehr die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Mit der Antwort auf seinen offenen Brief ist er aber insgesamt unzufrieden. Kretschmer bietet ihm aber an, im Gespräch zu bleiben und Meinungen auszutauschen. Einen weiteren Brief werde er an den MP aber nicht schreiben, meint Beyer. Das bringe nichts mehr. Eine Diskussionsrunde würde seiner Ansicht nach aber vielleicht Sinn machen.

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