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Kommt ein 365-Euro-Ticket für Dresden?

Der Stadtrat hatte die Verwaltung beauftragt, Tickets für einen Euro pro Tag für Bus und Bahn zu prüfen. Jetzt liegen die Ergebnisse vor - sie sind eindeutig.

Von Andreas Weller
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Für einen Euro pro Tag das ganze Jahr Bus und Bahn durch Dresden fahren, kostet Millionen.
Für einen Euro pro Tag das ganze Jahr Bus und Bahn durch Dresden fahren, kostet Millionen. © Rene Meinig, Schubertsrasse 39 D

Dresden. Ein Jahr lang mit den Bussen und Bahnen der Dresdner Verkehrsbetriebe  (DVB) für 365 Euro fahren - so wie es Wien 2012 eingeführt hat und in mehreren Städten diskutiert wird?

Welche Auswirkungen hat das günstige Ticket für die DVB, bringt es Dresdner zum Umsteigen vom Auto und damit den gewünschten Effekt fürs Klima? Die Stadt hat eine Untersuchung dazu beauftragt. Die Ergebnisse gehen in eine klare Richtung.

Wie sind die Voraussetzungen?

Das von der Dresdner Stadtverwaltung beauftragte Unternehmen Civity berät seit Jahren Wien bei der Umsetzung des 365-Euro-Tickets. Civity hat das Ingenieurbüro WVI beauftragt, eine Studie für Dresden zu erstellen. Dafür wurden 60 deutsche Großstädte miteinander verglichen.

Das Vergleichs-Ergebnis lautet: Dresden hat bereits gute Voraussetzugen im Nahverkehr. Die Stadt hat eine mittlere Siedlungsdichte. "Es können also noch Bahnstrecken gebaut werden", sagt Stefan Weigele von Civity. Zudem gibt es in Dresden vergleichsweise wenige Autos. Die Stauanfälligkeit sei gering. "Der Punkt ist nicht so positiv, wenn man Autofahrer zum Umsteigen animieren will", erklärt Wiegele. 

Sehr gut ist allerdings das Angebot der DVB im Vergleich mit anderen Städten. Busse und Bahnen fahren häufig, viele Bereiche sind angebunden und es gibt einen hohen Anteil an Schienen - Bahnen kommen besser durch den Verkehr.

"Dazu ist der Fahrpreis sehr gering. Dresden hat das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bundesweit", so Weigele. "Aber die Parkgebühren sind viel zu niedrig." Das soll sich allerdings ab dem kommenden Jahr ändern. Dazu ist der Anteil von Bussen und Bahnen am Gesamtverkehr mit rund 20 Prozent bereits relativ hoch. 

Stefan Weigele. von der Beratungsfirma Civity hat die Ergebnisse der Prüfung eines 365-Euro-Tickets für Dresden im Stadtmuseum vorgestellt.
Stefan Weigele. von der Beratungsfirma Civity hat die Ergebnisse der Prüfung eines 365-Euro-Tickets für Dresden im Stadtmuseum vorgestellt. © Sven Ellger

Was würde das 365-Euro-Ticket bringen?

In erster Linie eine Senkung des Preises für die Abo-Karte um 41 Prozent. Statt gut 640 Euro müssten die Dresdner nur noch 365 Euro bezahlen. Dadurch würden die DVB rund 37,4 Millionen Euro weniger einnehmen. Das sind etwa 20 Prozent der bisherigen Ticket-Erlöse. Denn nach den Berechnungen der Experten würden die Fahrgastzahlen nur um 2,4 Prozent steigen. Ein 365-Euro-Ticket im gesamten Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) würde übrigens 53,8 Millionen Euro Einbußen bringen.

"Es wäre günstiger für die Nutzer", so Weigele. "Aber für die Klimaschutzziele würde es nahezu keinen Effekt bringen." Laut Weigele würde kaum ein Autofahrer aus Bus und Bahn umsteigen, sondern eher noch Radfahrer - was die Klimabilanz schlechter macht.

Wie kommen die Experten auf die Ergebnisse?

Da verweist Weigele auf Wien. Dort gibt es jahrelange Erfahrungen mit dem 365-Euro-Ticket. In Wien war das Ticket vor der Einführung mit 449 Euro im Jahr sogar nur 19 Prozent teurer als die 365 Euro seit 2012. Im selben Atemzug wurden die anderen Fahrscheine wie Einzeltickets massiv erhöht und das Schwarzfahren mit 105 Euro Strafe ausgepreist. 

In Summe gab es rund 12,2 Prozent mehr Kunden mit Jahreskarten, aktuell sind es rund 800.000 in Wien. Dafür werden kaum noch andere Tickets verkauft. "Die Entwicklung insgesamt stagniert", erklärt Weigele. Der Anteil am öffentlichen Nahverkehr sei in Wien nicht signifikant gestiegen. "Eine höhere Steigerungsquote gab es in den Jahren vor der Einführung des 365-Euro-Tickets, als in Wien massiv in den Ausbau des Angebotes, also Strecken, investiert wurde."

Parallel zu dem Ticket wurden in Wien die Parkgebühren heftig erhöht. Die Preise wurden mehr als verdoppelt und die Stadt kassiert an viel mehr Stellen. Vor 2012 hatte Wien rund 100.000 Bezahl-Parkplätze, nun sind es rund 300.000. Die Stadt nimmt damit rund 200 Millionen Euro im Jahr ein.

Um das Ticket zu subventionieren, müssen Arbeitgeber eine "U-Bahn-Steuer" zahlen. Das ist in Deutschland bisher nicht zulässig. "Mit dem Ticket werden pro Jahr 50 bis 60 Millionen Euro Verlust gemacht", erläutert Weigele. "Aber es infrage zu stellen, wäre politischer Selbstmord." 

Was ist mit Leipzig?

In Leipzig hatte der Stadtrat ebenfalls beschlossen, die Einführung zu prüfen. "Die Ergebnisse sind sehr ähnlich", sagt der ÖPNV-Referent der Stadt Stephan Rausch. "Wir würden 28 bis 29 Millionen Euro Minus pro Jahr machen und hätten einen sehr geringen Zuwachs an Fahrgästen. Leipzig habe auf mehr Geld vom Bund gehofft. Der fördert die Einführung in zehn Modell-Regionen mit bis zu 30 Millionen Euro  für drei Jahre. Welche Städte das Geld bekommen, ist noch unklar. "Eine Idee für eine langfristige Finanzierung des 365-Euro-Tickets gibt es nicht", so Rausch.

Ähnliches berichtet auch Rauschs Kollege aus Potsdam Nils-Frisco Weber. Dort wurden der fahrscheinlose Nahverkehr und das 365-Euro-Ticket geprüft. In allen Fällen, das betrifft auch Leipzig und Dresden, kam heraus, dass eine Insellösung für eine Stadt schwierig ist - auch wegen der Pendler. Wenn entweder die Kosten vom Staat über Steuermittel komplett getragen werden oder alle - in diesem Fall - Potsdamer eine Abgabe zahlen, damit der Nahverkehr finanziert ist, würden die Fahrgastzahlen deutlich steigen. "Aber wir müssten auch sehr viel Geld investieren, um das leisten zu können", so Weber - mehr Personal, mehr Bahnen und so weiter. Das Modell würde pro Jahr rund 65 Millionen Euro Verlust für Potsdam bedeuten. Beim 365-Euro-Ticket wäre es ähnlich wie in Leipzig und Dresden.

"Verkehrspolitische Ablenkungsmanöver"

Das Ziel, den Anteil von Bus und Bahn am Verkehr zu erhöhen, sei nicht zu erreichen, indem die Preise deutlich günstiger werden", sagt VVO-Chef Burghard Ehlen. "Kostenloser Nahverkehr geht nicht, es ist die Frage, wer es bezahlt."

In ganz Sachsen den Nahverkehr frei anzubieten, würde etwa eine halbe Milliarde Euro kosten, rechnet Ehlen vor. "Das sind alles verkehrspolitische Ablenkungsmanöver. Wenn die Verkehrswende gewollt ist, geht es darum, wie viel Parkplätze in der Stadt angeboten werden und wie hoch die Gebühren sind. 

Was empfehlen die Experten?

Weigele sagt eindeutig, es gebe keinen Effekt, dass Autofahrer auf Bus und Bahn umsteigen, wenn man das 365-Euro-Ticket einführt. Der Zuwachs sei zu vernachlässigen und es koste viel Geld.

Dieses Geld solle besser in den Ausbau des DVB-Angebotes eingesetzt werden, darin sind sich Weigele und DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach einig. Hemmersbach hat bereits Berechnungen durchführen lassen, wie mehr Fahrgäste gewonnen werden können. Mit rund 19 Millionen Euro mehr pro Jahr könnten die DVB die Strecken  so ausbauen, dass 14 bis 15 Millionen mehr Fahrgäste pro Jahr mit Bus und Bahn fahren. 

Ob ein 365-Euro-Ticket kommt, entscheidet der Stadtrat.

Aus für das 365-Euro-Ticket in Dresden?

Nach der Expertenrunde schien diese Variante erledigt. Einige geben diese Idee aber noch lange nicht auf. Im Stadtrat sind die Meinungen geteilt. Hier lesen Sie mehr.

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