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Stadt Dresden nimmt Abstand von drei Container-Standorten für Asylbewerber

Am 11. Mai sollte der Dresdner Stadtrat über neun weitere Container-Standorte für Geflüchtete entscheiden. Jetzt gibt es eine Wendung.

Von Julia Vollmer & Andreas Weller
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In den Containern in Dresden-Sporbitz, hier am Tag der offenen Tür, leben bereits Geflüchtete.
In den Containern in Dresden-Sporbitz, hier am Tag der offenen Tür, leben bereits Geflüchtete. © Sven Ellger

Dresden. Seit Wochen gibt es Debatten und zum Teil heftige Kritik an den von der Stadt vorgeschlagenen Container-Standorten für die Unterbringung von Geflüchteten. In diesem Jahr erwartet Dresden rund 2.200 Menschen, die vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern fliehen mussten.

Nun gibt es eine Woche vor der Stadtratsentscheidung zu den Standorten eine neue Wendung. In einem Änderungsantrag von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) nimmt die Stadt die Standorte Rudolf-Bergander-Ring in Strehlen, Forststraße in Weißig sowie Pirnaer Landstraße in Leuben aus dem Rennen. "Sie werden nicht weiterverfolgt", heißt es.

Zur Kompensation der damit wegfallenden Platzkapazitäten und der grundsätzlichen Absicherung der Unterbringung von asylsuchenden Menschen, werden "alle neun Ortschaften beauftragt, zur Unterbringung von asylsuchenden Menschen geeignete Objekte oder Grundstücke bis zum 31. Mai vorzuschlagen".

Warum sind die Standorte raus?

Auf Teile des Grundstücks an der Forststraße hat die Stadt gar keinen Zugriff. Das habe nun eine Prüfung der Grundstückshistorie des Standortes ergeben, heißt es. Vielmehr benötigt die Stadt unbedingt das Einvernehmen durch den Ortschaftsrat Schönfeld-Weißig. Denn gemäß dem Eingemeindungsvertrag kommt es für die Frage des Einvernehmens darauf an, wem das Grundstück zum Zeitpunkt der Eingemeindung gehörte. Diese war am 1. Januar 1999. Nach den Schilderungen und den Grundbuchauszügen war zu diesem Zeitpunkt die Gemeinde Schönfeld-Weißig Eigentümerin des Flurstückes. Die Eintragung im Grundbuch und damit die offizielle Übertragung an einen privaten Eigentümer erfolgte erst 2001.

"Auf den zuvor geschlossenen notariellen Vertrag und die Nachträge dürfte es insoweit nicht ankommen", wird in dem Antrag erläutert. "Die Landeshauptstadt Dresden ist auf keinen Rechtsstreit mit der Ortschaft aus." Dies sei nicht im Sinne der Verwaltung, zumal der Ortschaftsrat den Standort bereits abgelehnt hat. Auch im Stadtrat drohte eine knappe Entscheidung.

Der Standort Rudolf-Bergander-Ring werde nach "intensiver Debatte aus sozialräumlichen Gründen nicht weiterverfolgt", teilt das Rathaus mit.

Beim Standort Pirnaer Landstraße sei im Untersuchungsprozess festgestellt worden, dass dort Erdablagerungen beseitigt werden müssten. "Dies wäre mit einer weiteren Kostenerhöhung und einer zeitlichen Verschiebung verbunden. Aus diesem Grund soll auch dieser Standort nicht weiterverfolgt werden", so die Stadt.

Oberstes Ziel sei, dass keine Turnhallen und auch nicht die Messe Dresden belegt werden müssen. Es soll alles darangesetzt werden, dass der Schul- und Vereinssport weiterhin ermöglicht werden kann.

Wie sagt OB Hilbert zu den Änderungen?

Die Verwaltung habe die Hinweise und Anmerkungen zu den vorgeschlagenen Standorten aus den Stadtbezirksbeirats- und Ausschusssitzungen sowie der Bürgerschaft geprüft, abgewogen und gehe nun mit einem Änderungsantrag darauf ein. "Ein pauschales Nein zu den Wohncontainern ohne das Aufzeigen menschenwürdiger Alternativen hilft uns nicht weiter, denn Dresden steht zu seiner humanitären und gesetzlichen Verpflichtung Asylsuchende zu versorgen", so Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP).

Die großen Herausforderungen bei der Unterbringung von asylsuchenden Menschen könnte man nur gemeinsam bewältigen – im Stadtgebiet und in den Ortschaften, so Hilbert weiter. Deshalb seien die vorgeschlagenen Wohncontainerstandorte in den letzten Wochen in den gewählten Gremien und mit der Bürgerschaft diskutiert worden, um Fragen zu beantworten und konstruktive Vorschläge zu sammeln. "Im Ergebnis schlagen wir nun einen Änderungsantrag vor, der Kritik und Hinweise aufgreift sowie sozialräumliche Belange ausgewogener berücksichtigt."

Um die wegfallenden Platzkapazitäten zu kompensieren, werden dafür weitere Prüfaufträge vorgeschlagen. Gleichzeitig sollen alle Ortschaften Vorschläge unterbreiten, wie und wo asylsuchende Menschen dort untergebracht werden könnten. "Wir bauen auf die lokale Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger vor Ort", sagt Hilbert. "Aber auch für die Ortschaften gilt, dass wir ein pauschales Nein nicht akzeptieren werden."

Wie geht es nun weiter?

Parallel prüft die Verwaltung, inwieweit bestehende Gebäude zur Unterbringung genutzt werden können, damit Investitionen in diese Immobilien auch langfristig genutzt werden können. Diese Prüfung bezieht sich auf die ehemalige Staatsoperette sowie auf diverse ehemalige Kindertagesstätten, die derzeit nicht in Nutzung sind.
"Die Debatte der vergangenen Wochen war zwar von großer Emotionalität geprägt, aber es gab auch viele Stadtbezirksbeiräte sowie Bürgerinnen und Bürger, die sich sehr konstruktiv mit dem Thema beschäftigt haben. Dafür bin ich dankbar", erklärt Hilbert. "Leider sind die leisen und sachlichen Töne zu selten in einer solchen Situation zu hören."

Die Stadt will nun eine Vorlage für den Stadtrat erarbeiten, die sich in erster Linie mit den finanziellen Auswirkungen der Asylunterbringung beschäftigt. "Die Kommunen, insbesondere die großen Städte, müssen weit mehr Geld aufbringen, als im Nachgang erstattet wird", erläutert der OB. "Beim Spitzentreffen im Kanzleramt muss es greifbare Ergebnisse geben, damit wir Planungssicherheit bekommen. Auch die pauschale Abrechnung im Freistaat entspricht nicht mehr der Realität. Es braucht eine sogenannte Spitzabrechnung, die berücksichtigt, dass die Unterbringung in einer Stadt wesentlich kostenintensiver ist als im ländlichen Raum."

Was fordern die Geflüchteten-Initiativen?

"Solange kein ausreichender Wohnraum vorhanden ist, müssen aktuell Wohncontainer als Notlösung greifen. Wir vertrauen hier den Worten von Sozialbürgermeisterin Kaufmann, dass diese tatsächlich nur als Provisorium dienen", sagt Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat. Turnhallen hingegen würden überhaupt keine Privatsphäre bieten und "bleiben für Schutzsuchende gänzlich ungeeignet."

"Sollte die CDU gemeinsam mit antidemokratischen Kräften gegen die Wohncontainer stimmen, betreibt sie Realitätsverleumdung. Die Menschen sind bereits da und es besteht weiterhin die humanitäre wie rechtliche Verpflichtung diese unterzubringen", sagt er. Die hohen Anerkennungsquoten von Menschen aus Syrien oder Afghanistan bewiesen den Schutzbedarf dieser Menschen.

Christian Schäfer-Hock, Geschäftsführer vom Ausländerrat, sagt: "Wir rufen dazu auf, den Geflüchteten an den jeweiligen Standorten nicht mit Ressentiments zu begegnen, sondern mit offenen Armen und mit einer realistischen Einschätzung der Situation." Diese Menschen benötigten Hilfe.