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Nach fast 30 Jahren: Abschied von der ersten Nachwende-Straßenbahn in Dresden

Bei den Dresdner Verkehrsbetrieben geht eine Epoche zu Ende: Nach fast 30 Jahren im Dienst werden die ersten "neuen" Straßenbahnen ausgemustert. Was passiert mit ihnen?

Von Dirk Hein
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Auf dem Abstellgleis: Die Dresdner Straßenbahn mit der Nummer "2545" wurde bereits aus dem Verkehr genommen. Weitere Bahnen, die nach der Wende gekauft worden waren, werden bald folgen.
Auf dem Abstellgleis: Die Dresdner Straßenbahn mit der Nummer "2545" wurde bereits aus dem Verkehr genommen. Weitere Bahnen, die nach der Wende gekauft worden waren, werden bald folgen. © Marion Doering

Dresden. Es ist ein leiser Abschied, der sich gerade auf dem Betriebshof der DVB in Trachenberge vollzieht. 1996 hatten die ersten Stadtbahnwagen in der Landeshauptstadt das allmähliche Ende der Tatra-Generation eingeläutet. Zum ersten Mal überhaupt fuhren in Dresden barrierearme Niederflurbahnen durch die Stadt. Zum ersten Mal überhaupt hingen nicht Wagen an Wagen, sondern die ganze Bahn konnte auf der Suche nach einem Platz durchschritten werden. Jetzt geht auch diese Ära allmählich zu Ende.

Drei Straßenbahnen stehen schon auf dem Abstellgleis

Am 23. Januar 2024 lief für die Bahn mit der Wagennummer 2545 der "TÜV" ab. Eine neue Hauptuntersuchung wird nicht gemacht. Zu marode ist die Technik. Wie bei einem alten Auto müsste wesentlich mehr in die sicherzustellende Fahrtauglichkeit investiert werden, als das Fahrzeug noch wert ist. Zusammen mit zwei weiteren Straßenbahnen vom Typ NGT 6 DD steht die Bahn jetzt auf einem Abstellgleis im Betriebshof Trachenberge - und wird von dort nicht mehr im Ganzen wegkommen.

Seit 1996 rollt die erste Nach-Tatra-Generation durch Dresden, insgesamt sind 83 solcher Bahnen in zwei Längen unterwegs. 60 mit einer Länge von knapp 30 Metern gingen im Zeitraum zwischen 1996 und 1998 in Betrieb, 23 weitere Bahnen mit einer Länge von 41 Metern starteten zwischen 2001 und 2002.

Die durchschnittliche jährliche Laufleistung der Bahnen liegt bei knapp 80.000 Kilometern pro Fahrzeug. Straßenbahnen, die seit 1996 im Dienst sind, kommen so auf deutlich über 2 Millionen Kilometer, was mehr als 53 Erdumrundungen entspricht. Die Bahnen fahren damit etwa ein Drittel mehr, als vom Hersteller einst empfohlen.

Ersatzteillager und Schrottpresse

Eine zeitlang bleiben die nun ausgemusterten alten Stadtbahnwagen noch auf dem Betriebshof, sie dienen in der Werkstatt als Ersatzteillager für die sich noch im Dienst befindlichen vergleichbaren Bahnen, sie werden sprichwörtlich ausgeschlachtet. DVB-Sprecher Falk Lösch legt Wert darauf, dass dies nicht der eigentliche Grund für die Ausmusterung war. "Die Fahrzeuge sind einfach am Ende. Es lohnt sich nicht, weiter in immer aufwändigere Reparaturen zu investieren. Wir bauen aus den Bahnen aber das noch aus, was noch zu verwerten ist."

Anschließend werden die Bahnen verschrottet und teilweise recycelt. Zuerst betrifft dies drei Fahrzeuge. In einem zweiten Schritt folgen in den nächsten Wochen drei weitere der neuen "alten Bahnen". Insgesamt sollen zehn der Straßenbahnen der ersten Stadtbahngeneration, deren Aufarbeitung zu kostenintensiv ist, ausgemustert und vergleichbar verwertet werden.

Hintereinander aufgereiht stehen die alten Bahnen in Trachenberge auf dem Betriebshof der Verkehrsbetriebe.
Hintereinander aufgereiht stehen die alten Bahnen in Trachenberge auf dem Betriebshof der Verkehrsbetriebe. © Marion Doering

Laut Sprecher Falk Lösch wird dabei vor allem versucht, die kürzeren Wagen auszumustern. "Bei den längeren Bahnen ist die Abwägung zwischen Werkstatt-Aufwand und Notwendigkeit zum Weiterbetrieb nochmals eine andere, weil wir die höhere Kapazität der Bahnen brauchen."

Bis zu 40 neue Bahnen stehen für Dresden als Ersatz bereit

Möglich wurde die Ausmusterung der ersten Stadtbahn-Generation durch den Einsatz der neuen, breiteren Stadtbahnwagen. Für knapp 200 Millionen Euro haben die Dresdner Verkehrsbetriebe, inklusive aller Nebenkosten, neue Straßenbahnen gekauft.

30 neue und breitere Stadtbahnwagen haben die DVB insgesamt bestellt, für zehn weitere Bahnen gibt es eine Kaufoption, die bereits teilweise gezogen wurde. Teil der Absprachen zu diesem Kauf war auch die Ausmusterung der ersten alten Bahnen. Allerdings war der Start der neuen Generation ein extrem komplizierter. Monatelang verhinderten Kinderkrankheiten eine schnelle Inbetriebnahme.

Doch weil es dafür feste Fristen gab, bis Ende 2023 mussten alle im ersten Schritt bestellten 30 Bahnen rollen, drohte eine Fördermittelrückzahlung. Zudem gab es Ärger, weil die EU einen Teil der Fördermittel aus anderen Gründen nicht auszahlen wollte. Beide Probleme konnten im Sinne der DVB gelöst werden. Alle Bahnen rollten rechtzeitig. Im zweiten Fördermittel-Streit gab es eine Einigung mit dem Freistaat, der einen Großteil der offenen Rechnungen bezahlt.

"Die Wehmut kommt später"

"Die Bahnen jetzt wurden ohne großen Wehmut außer Dienst gestellt. Der kommt wie bei den Tatra-Bahnen sicher erst später, wenn vom letzten Wagen Abschied genommen wird", sagt Lösch. Tatsächlich wurde der Abschied der Tatras im Sommer 2023 mit einem großen Fest und Sonderfahrten gefeiert.

Davon sind die neuen Wagen weit entfernt. Zum einen werden vorerst nur zehn von 83 Bahnen ausgemustert. Zum anderen sehen die seit 2006 in Betrieb genommenen Niederflurgelenktriebwagen NGT D8 ähnlich aus. Nur wer genau hinschaut, sieht zum Beispiel eine leicht andere, weniger kantige Front der Bahnen.