DVB: "Irgendwann Fahrer zu ersetzen, ist nicht nur eine Idee, sondern ein Muss"
Die beiden Chefs der Dresdner Verkehrsbetriebe bleiben fünf weitere Jahre im Amt. Ein Interview mit Andreas Hemmersbach und Lars Seiffert zur Zukunft der DVB.
Dresden. Bis Ende 2028 bleibenAndreas Hemmersbach und Lars Seiffert als Vorstände der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) im Amt - Hemmersbach für den Bereich Finanzen und Technik, Seiffert für Betrieb und Personal. Obwohl kürzere Laufzeiten denkbar waren, wurde mit beiden so lange verlängert, wie es rechtlich zulässig ist. Ein Interview über aktuelle Probleme, mehr Geld für Mitarbeiter und die Frage, wann Computer Straßenbahnen fahren.
Frage: Was bedeutet dieser Vertrauensbeweis für Sie?
Lars Seiffert: Das ist ein Zeichen des Danks und der Anerkennung für das, was wir in den vergangenen fünf Jahren getan haben. Und es ist ein Zeichen dafür, dass das, was wir in den nächsten fünf Jahren tun wollen, auch der Weg ist, den sich der Aufsichtsrat vorstellt.
Andreas Hemmersbach: Das ist eine Verpflichtung für uns beide, als Diener der Stadt und den Fahrgästen gegenüber in Verantwortung zu stehen.
Es gab auch Kritiker, die der Meinung sind, man hätte eine kürzere neue Amtszeit festlegen können und die DVB könnten kostensparender arbeiten. Kritisiert wird ein vermeintlicher Luxus in den Fahrzeugen, Klimaanlagen seien zum Beispiel nicht nötig.
Seiffert: Wieso eigentlich nicht? Wer kauft sich denn ein Auto ohne Klimaanlage? Wer sagt denn, dass die Menschen, die so klug sind, mit Bus und Bahn zu fahren, auf eine Klimaanlage verzichten sollen? Das ist nicht Luxus, das ist heute Standard.
Hemmersbach: Wir investieren in Fahrzeuge, die 30 Jahre lang fahren sollen. Wenn wir da nicht das kaufen, was heute Stand der Technik ist, wäre das nicht verantwortungsbewusst. Dieser vermeintlich zu hohe Standard entspricht auch den Erwartungen der Fördergeld-Geber. Als Unternehmer tut man gut daran, in Qualität und Langlebigkeit zu investieren und das haben wir getan.
Was ist Ihre Vision mit Blick auf die nächsten fünf Jahre als Vorstände und was ist die größte Herausforderung?
Hemmersbach: Ein großes Thema ist die Antriebswende. Wir sind bei den Bussen dabei, Richtung Elektromobilität zu transformieren, ob es Richtung Wasserstoff weitergehen wird, muss man sehen. Dazu brauchen wir die entsprechende Technik, zum Beispiel in den Werkstätten. Außerdem müssen wir auf den Straßen Platz finden für Autos, Busse, Bahnen und neu für die Radfahrer. Das ist eine gesellschaftliche Diskussion und davon werden wir ein Teil sein.
Seiffert: Wir müssen die Mitarbeiter ins Unternehmen holen, die wir brauchen, um die Mobilität zu bieten, die die Menschen benötigen. Und wir müssen diejenigen, die da sind, halten. Das wird anspruchsvoll. Es werden weniger Menschen in Sachsen im berufsfähigen Alter sein. Da spielen die Arbeitsbedingungen eine Rolle, auch die Bezahlung. Bei der Bezahlung sind wir inzwischen auf einem sehr guten Weg. Wir müssen dazu kommen, dass uns die Mitarbeiter nicht mehr aus finanziellen Gründen verlassen.
Wollen Sie innerhalb der bevorstehenden fünf Jahre also das Verdienstdefizit zwischen Mitarbeitern der DVB und zum Beispiel im Rathaus ausgleichen?
Mein Ziel ist nicht, zu bezahlen wie der öffentliche Dienst. Ich will, dass wir ein Gehaltsgefüge haben, bei dem die Mitarbeiter sagen, dass es passt und sie keinen Grund haben, aufgrund der Bezahlung zu wechseln. Das kann das Niveau des öffentlichen Dienstes sein.
Hemmersbach: Es ist geplant, dass wir keine Dieselbusse mehr kaufen, sondern komplett auf Elektromobilität umstellen. Wir haben gerade erst 72 Dieselbusse gekauft. Das ist eine stattliche Anzahl, die wird uns auch die nächsten zehn Jahre noch begleiten. Aber das, was jetzt an Ersatz für Busse angeschafft wird, ist elektrisch.
Wie weit sind wir 2028 beim Thema autonomes Fahren?
Hemmersbach: Ich hoffe, sehr weit. Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel ist das eine Chance für den Nahverkehr, die Produktionskosten zu senken. Es ist auch die Möglichkeit, viel flächendeckender unterwegs zu sein. Aber die Realität ist auch: Bei dem, was derzeit weltweit dazu ausprobiert wird, sind die Ergebnisse derzeit noch recht überschaubar. Da wird mit relativ kleinen Fahrzeugen gefahren und die sind gerade mal mit erweiterter Schrittgeschwindigkeit unterwegs.
Wir testen momentan nicht, wir sind in Gesprächen zum Beispiel mit der TU. Es braucht eine neue Stufe, aber nicht den zwanzigsten Test. Wir beschäftigen uns hinter den Kulissen vor allem mit der Automatisierung im Straßenbahnverkehr. Unsere neuen Stadtbahnen haben erste Voreinrichtungen, die nachgerüstet werden können.
Seiffert: Es wird einen ersten Schritt in Richtung automatischer Betriebshof geben. Der Fahrer wird am Depot ankommen, aussteigen und die Bahn fährt selbst an ihren Platz. Ob das in den nächste fünf Jahre so weit sein wird, bleibt offen. Denkbar ist es zumindest bei unseren neuen Bahnen.
Die Idee ist es aber schon, irgendwann Fahrer zu ersetzen?
Das ist nicht nur eine Idee, sondern ein Muss, weil wir schlicht die Menge an Fahrern nicht mehr haben werden für den Umfang, den wir fahren werden.
Hemmersbach: Viele Systeme leben davon, dass sie keine Fahrer mehr brauchen. Die sind weiterhin wichtig bei vielen Fahrgästen, also immer dann, wenn viel passieren kann. Dann muss ein Fahrer vor Ort sein, ob er immer fahren muss, ist zweitrangig.
Der Verlust der DVB ist von rund 40 Millionen Euro pro Jahr auf etwa 80 Millionen angestiegen. In einem internen Revisionsbericht werden dem Unternehmen mangelnde Digitalisierung und nachlässige Beschaffungsprozesse vorgeworfen. Die 72 Dieselbusse sind zum Beispiel mehr als neun Millionen Euro teurer gewesen als geplant. Können Sie bei allen diesen Prozessen sagen, dass Sie da keine Fehler gemacht haben?
Die Ausschreibungen liefen korrekt ab. Die Ergebnisse sind das, was der Markt hergibt. Das heißt, wir hatten bestimmte Preisvorstellungen, der Ist-Preis weicht aber davon ab. Dass man so etwas in einer Revision aufarbeitet und noch einmal diskutiert, ist das normale Geschäft.
Die Einführung ist eine Herausforderung. Wir wissen um die Lücken zwischen dem Deutschlandticket und der klug ausgebauten Ticketwelt im Verkehrsverbund VVO. Diese Lücke wollen wir schließen. Für Dresden betrifft dies die Mobiwelt vor allem mit Leihrädern und Leihautos. Es geht aber auch um die Übertragbarkeit des Tickets, die Mitnahme von Rad und Hund.
Wir diskutieren intern über Zusatzpakte, die wir einbringen wollen. Wir prüfen, was davon rechtlich machbar ist. Das ist eine große Herausforderung – auch weil uns die Nutzungsbedingungen des Deutschlandtickets noch immer nicht in Schriftform vorliegen.
Besteht die Gefahr, dass Dresdner Errungenschaften verloren gehen?
Mit der Einführung des Tickets - nein. In die Zukunft geblickt stellen wir uns diese Frage schon. Wir werden aktiv keine Tickets aus dem Markt nehmen - vor allem, weil das Deutschlandticket ja formal auf zwei Jahre befristet ist.
Aber in Dresden gibt es die spezielle Situation, dass unser Monatsabo etwa 15 Euro teurer ist, als das Deutschlandticket. Wir wissen nicht, wie unsere Kunden sich verhalten werden. Wenn sie in Größenordnungen auf das günstige Ticket wechseln, müssen wir uns fragen, wie wir dann unsere Zusatzangebote weiter finanzieren. Wir marschieren in einen nicht klar ausgeleuchteten Raum und wir werden nachsteuern müssen.