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Bekommt man in Görlitz mit Schulden eine Wohnung?

Eine junge Familie will aus Bremen an die Neiße ziehen, wird aber überall abgelehnt. Vermieter sehen dafür Gründe.

Von Ingo Kramer
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Kommwohnen-Bauingenieur Joachim Wätzig zeigt eine frisch sanierte Wohnung in Rauschwalde. Doch Daniel Lührs und seine Familie würden auch eine Wohnung mieten, die nicht mehr so neu ist.
Kommwohnen-Bauingenieur Joachim Wätzig zeigt eine frisch sanierte Wohnung in Rauschwalde. Doch Daniel Lührs und seine Familie würden auch eine Wohnung mieten, die nicht mehr so neu ist. © Archivfoto: Pawel Sosnowski

Daniel Lührs hat sie alle abgeklappert. Große Görlitzer Vermieter wie Kommwohnen oder die TAG, Genossenschaften wie die WGG und auch private Vermieter unterschiedlicher Größe. „Keiner gibt uns eine Wohnung“, sagt der 35-Jährige.

Er würde gern mit seiner 15 Jahre jüngeren Frau und den beiden Töchtern von Bremen nach Görlitz umziehen. Die Töchter sind Zwillinge, gerade 13 Monate alt. Daniel Lührs stammt aus Bremen, die Familie seiner Frau aus Krakau. Sie will gern näher an ihre Heimat ziehen, aber noch in Deutschland bleiben. Und eine schöne Stadt soll es sein. So fiel die Wahl auf Görlitz. „Ich möchte ihr den Wunsch erfüllen“, sagt er: „Wir wollen neu anfangen und ein vernünftiges, glückliches Leben führen.“ In der Großstadt sehen beide keine Zukunft.

Warum sie keine Wohnung finden? „Ich habe einen Schufa-Eintrag und meine Frau verdient zu wenig“, sagt der Familienvater. Die Schufa ist eine Wirtschaftsauskunft, bei der registriert ist, ob jemand größere Schulden hat. „Bei mir sind es etwa 10.000 Euro“, erklärt Lührs.

Es seien ein paar Sachen aus seiner Jugend dabei. Den größten Teil aber führt er auf seine Ex-Freundin zurück, die wiederholt auf seinen Namen Dinge bestellt habe, während er als Berufskraftfahrer unterwegs war. Voriges Jahr habe er Privatinsolvenz angemeldet. Die aber zieht sich hin, weil in der Zwischenzeit sein Vater starb, der eine Eigentumswohnung mit hohen Schulden hatte. Es musste geklärt werden, was mit dem Erbe passiert. Jetzt steht fest, dass ein Käufer sie übernimmt. „Dort bin ich in ein bis zwei Wochen raus“, glaubt Lührs. Dann seien 95 Prozent der Privatinsolvenz durch und er könne neu anfangen.

Es kommt auf den Einzelfall an

Die Görlitzer Vermieter hätten sich für die Privatinsolvenz aber nicht interessiert. Einer hätte gesagt, er solle erstmal die Sache mit der Schufa klären. „Das kann ich aber nicht mehr, weil ich Privatinsolvenz angemeldet habe“, sagt Lührs.

Die SZ hat fünf Görlitzer Vermieter angefragt, vier davon haben geantwortet. Einstimmiger Tenor: Auch mit Schufa-Eintrag ist es möglich, in Görlitz eine Wohnung zu bekommen. Es komme immer auf den Einzelfall an. Mehrere sagen, dass es zunächst mal einen guten Eindruck macht, wenn Mietinteressenten den Schufa-Eintrag nicht verschweigen, sondern gleich ganz offen erwähnen. „Wenn ein Interessent ehrlich mit der Tür ins Haus fällt und uns seine Probleme offenlegt, dennoch eine Mietschuldenfreiheit vorlegen kann und ein regelmäßiges Einkommen hat, lehnen wir die Interessenten nicht ab“, sagt beispielsweise Elisa Ritter von F.T. Immobilien. Lührs versichert, keine Mietschulden zu haben. Und der offene Umgang mit dem Eintrag? „Wir haben versucht, die Wohnung auf meine Frau zu mieten, sie hat keinen Schufa-Eintrag“, sagt er.

Eintrag sollte nicht verschwiegen werden

Der städtische Vermieter Kommwohnen erfragt im Fall einer problematischen Bonitätsauskunft die Gründe. „Wir wollen sicherstellen, dass zukünftig die Miete ordnungsgemäß gezahlt wird“, sagt Geschäftsführer Arne Myckert. Erscheint das gewährleistet, stehe einem Mietvertragsverhältnis „aus unserer Sicht nichts im Wege“. Bei F.T. Immobilien sieht es da ganz ähnlich aus. „Wenn uns aber eine Privatinsolvenz oder ein Schufa-Eintrag verschwiegen werden und die Begleitunterlagen wie Mietschuldenfreiheit und Nachweis für ein geregeltes Einkommen nicht vorgelegt werden können, sieht der Fall schon ganz anders aus und wir müssen den Interessenten ablehnen“, sagt Elisa Ritter: „Wir arbeiten für den Eigentümer und müssen demzufolge auch seine Interessen wahren.“

WGG-Chefin Simone Oehme zählt gleich vier Wege auf. Manchmal seien Schufa-Einträge unberechtigt, sie lassen sich dann löschen, sagt sie. Die anderen Optionen seien eine schriftliche Einigung mit dem Gläubiger, eine offizielle Privatinsolvenz oder ein Partner mit ausreichendem Einkommen. All das könne bei vertrauensvoller und ehrlicher Kommunikation zum Erfolg führen. Die TAG Wohnen holt sich meist einen Bürgen dazu, der mit in den Mietvertrag eintritt, sagt Heike Baumgart, Leiterin Immobilienmanagement. Wichtig sei, dass der Gesamteindruck stimmt. „Wenn jeder Schufa-Eintrag erklärbar ist, dann ist das auf jeden Fall von Vorteil.“

Alle vier Vermieter sagen, dass sie immer wieder Anfragen von Interessenten mit Schufa-Eintrag bekommen. Bei der TAG etwa passiert das „ein- bis zweimal im Monat“, bei der WGG „regelmäßig“, bei Kommwohnen „gehört es zum Tagesgeschäft“, bei F.T. Immobilien ist es „vielleicht eine von 20 Anfragen“.

Zum konkreten Fall kann sich aus Datenschutzgründen freilich niemand äußern. Lührs selbst vermutet, dass es an der Art des Schufa-Eintrags liegen könnte. „Da steht drin, dass ich nicht bereit bin, zu zahlen“, sagt er. Wie genau diese Formulierung zustande gekommen sei, könne er nicht sagen. Auch die Einkommenssituation werde wohl von einigen problematisch eingeschätzt: Weder er noch seine Frau haben Arbeit. „Aber wir leben nicht von Hartz IV, sondern ich beziehe Arbeitslosengeld I“, sagt er. Beide zusammen haben im Monat 2.000 Euro zur Verfügung. „Miete und Kaution können wir also problemlos zahlen“, sagt er. In Görlitz würde er sich schnellstmöglich eine Arbeit suchen wollen, sagt er. Die bekomme er aber nur, wenn er einen Wohnsitz nachweisen könne.