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Warum der Radwegebau im Landkreis Meißen stockt

Der Radverkehr hat nicht nur im Elbland keine Lobby, sondern auch in ganz Sachsen. Es scheitert schon am Grundsätzlichen.

Von Martin Skurt
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In Neusörnewitz gibt es seit 2013 eine Brücke über die Gleise, aber ohne Rad- und Fußweg. Neu gebaute Überwege erhalten zumindest einen Fahrradschutzstreifen, wie die Schiffsmühlen-Brücke in Coswig und Radebeul.
In Neusörnewitz gibt es seit 2013 eine Brücke über die Gleise, aber ohne Rad- und Fußweg. Neu gebaute Überwege erhalten zumindest einen Fahrradschutzstreifen, wie die Schiffsmühlen-Brücke in Coswig und Radebeul. © Daniel Schäfer

Landkreis. Radverkehr und Landkreis Meißen: Für viele scheint das nicht zusammenzupassen. Der Elberadweg ist zwar bei Touristen beliebt, aber abseits davon gibt es viele Probleme. Wer im Alltag mit dem Fahrrad durch das Elbland radeln möchte, auch zur Arbeit, zur Schule oder in seiner Freizeit, scheitert an vielen Stellen. Gefährliche Staatsstraßen ohne begleitende Radwege, für viele Radfahrende unsichere Schutzstreifen, die Autofahrer einfach überfahren, oder Brücken über Bahnschienen, die ohne Rad- oder Fußwege gebaut werden, wie die in Neusörnewitz. Sie symbolisiert den niedrigen Stellenwert des Radverkehrs im Landkreis.

Die Brücke steht seit 2013. Zu dieser Zeit plante die Deutsche Bahn AG, die S-Bahnlinie 1 zwischen Dresden und Meißen jede Viertelstunde fahren zu lassen. Autofahrer sollten ohne Unterbrechung fahren können, denn bisher regelte ein regulärer Bahnübergang mit Schranke den Verkehr. Inzwischen ist der dichtere Takt aber bis auf Weiteres ausgesetzt – aufgrund von Personalmangel . Trotzdem bleibt die Straße über die Brücke die einzige direkte Verbindung zwischen Elbtal und Moritzburger Land. Aber eben nur für Autofahrer. Radfahrer müssen über die Unterführung am S-Bahnhof Neusörnewitz gehen.

Landkreis baut 2024 nur vier Radwege

„Wenn ich Radtouren in der Region anbiete, schicke ich die Teilnehmer dort entlang. Alles andere wäre zu unsicher“, sagt Wolf-Rüdiger Meyer, Inhaber der Rad-Event-Agentur aus Moritzburg. Gerade die Brücke in Neusörnewitz sei für ihn ein Beispiel, wo aus Sparzwang kurzfristige Entscheidungen getroffen werden. Jetzt wären oft nachträglich Radwege geplant, die man vorher kostengünstiger umsetzen konnte. Auch entlang der Kreisstraße 8016, also Cliebener Straße und Köhlerstraße bis zur Forststraße, soll ein Radweg entstehen. Er steht in der Maßnahmenliste der Kreisradverkehrskonzeption an zweiter Stelle und soll etwa 80.000 Euro kosten.

Wolf-Rüdiger Meyer hat früher als Ingenieur für Informationstechnik bei Vodafone gearbeitet. Nun ist er seit 2010 ehrenamtlicher Wegewart in Moritzburg und betreibt eine Rad-Event-Agentur.
Wolf-Rüdiger Meyer hat früher als Ingenieur für Informationstechnik bei Vodafone gearbeitet. Nun ist er seit 2010 ehrenamtlicher Wegewart in Moritzburg und betreibt eine Rad-Event-Agentur. © Arvid Müller

Diese hat der Kreistag im Juli 2020 beschlossen. Gegenstand der Konzeption sei auch gewesen, den Radwegebau an Kreisstraßen bis zum Jahr 2030 zu belasten, sagt die Sprecherin des Landratsamtes, Anja Schmiedgen-Pietsch. Ohne diese Grundlage konnte das Kreisstraßenbauamt weder kurz- und mittelfristig planen – weder finanziell noch personell.

Von mehr als 300 nötigen Maßnahmen plant der aktuelle Haushalt aber nur vier: die K 8012 zwischen Ockrilla und Gröbern, Gröbern und Niederau, die K 8014 zwischen Weinböhla und Coswig und die K 8032 zwischen Naustadt und der S 177. Dort sollen Radwege entlang der Straße liegen entstehen. Die Planungen sind anspruchsvoll. Deshalb geht der Ausbau nur schleppend voran, kann man aus dieser Antwort deuten. Und bis auf den Ausbau der K 8032 sind die drei anderen Maßnahmen des „MEI-eFAIR“-Projektes , das mit Bundesmitteln gefördert wird.

Datengrundlage für Radwegebau fehlt

Derzeit ist es auch so, dass ein gezielter Ausbau des Netzes kaum möglich sei. Denn es fehlt etwas Wichtiges, was die Planer aus dem Landratsamt brauchen: Daten, die die Umsetzung des Kreisradverkehrskonzepts dokumentieren würden. Diese im Amtsdeutsch bezeichnete Überwachung der Maßnahmen soll am Ende für alle einsehbar sein, wer wo baut.

Doch „die hierfür erforderlichen Grundlagen und Strukturen wurden noch nicht geschaffen“, sagt Schmiedgen-Pietsch. Das Landratsamt beruft sich dabei darauf, dass der Freistaat Sachsen noch nicht sein Touristisches Wegeinformationssystem (TWI) umgesetzt habe. Der Landkreis habe lange auf die Umsetzung gewartet, „um im Sinne der Sparsamkeit der Haushaltsführung“ eine positive Zusammenarbeit zu ermöglichen. „Das zugesagte TWI existiert bis heute nicht.“

Im 2019 veröffentlichten sächsischen Radverkehrskonzept und im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen ist das TWI verankert. Es soll ein digitales System werden, das alle Straßen, Rad-, Reit- und Wanderwege erfasst und für verschiedene Zwecke zur Verfügung stellt. Zunächst sollte sich das Innenministerium darum kümmern, dann folgte das Ministerium für Regionalentwicklung, bis dann im März 2023 das Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus übernahm.

Ein Sprecher verkündet auf Nachfrage von Sächsische.de, dass das TWI voraussichtlich im Haushaltsjahr 2025 starten soll. Bis dahin müssen aber noch die Details geklärt und die Finanzierung gesichert werden. Es ist ein „komplexes Digitalisierungsvorhaben“, sagt Jörg Förster. Das heißt, das Tourismus-Ministerium und die Menschen in der Tourismusbranche haben unterschiedliche Interessen und Vorstellungen an das System. Darüber hinaus gibt es verschiedene technische Lösungen. „Unser Ziel ist es, eine einvernehmliche Umsetzungsvariante zu etablieren. Dieser Abstimmungsprozess dauert noch an.“

Weniger planen, dafür aber richtig

Aber egal, ob Freistaat oder Landkreis: Alle Verantwortlichen gehen es scheinbar nur um den Tourismus. Das zeigt zum Beispiel, dass im Meißner Kreistag eher über die Fortschritte des touristischen Radverkehrs berichtet wird, als über den Alltagsverkehr. Wie am 14. November vergangenen Jahres im Technischen Ausschuss des Kreistags. Dort berichtete Andreas Böhme, Leiter des Kreisentwicklungsamtes, dass es nun fast überall Schilder gebe, die touristischen Routen ausweisen. Zudem entstehe die neue Themenroute „August der Starke“. Einen ähnlichen Bericht zum Alltagsradverkehr gibt es auf Sächsische.de-Nachfrage an das Landratsamt nicht.

Somit verharrt der strukturierte Ausbau im Landkreis Meißen in der Entwicklung technischer Lösungen und hat auf keiner Ebene eine hohe Priorität. Das ist ein ziemlich ernüchterndes Ergebnis. Wenn eine wesentliche Grundlage für den Fortschritt des Radwegebaus, das TWI, erst im Haushalt 2025 starten soll, wer weiß, ob das überhaupt noch kommt. Denn vorher wählen die Menschen in Sachsen noch den Landtag neu. Wenn dort die Alternative für Deutschland (AfD) stärkste Fraktion werden sollte, wird sich das Kreisradverkehrskonzept noch länger schleppen. Denn die AfD ist bislang nicht als fahrradfreundliche Partei aufgetreten.