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So ist es im Corona-Autokino in Dresden

Hunderte fuhren am Freitagabend an den Flughafen, um einen Filmklassiker zu sehen. Das war magisch, aber nicht ganz billig. Ein Erfahrungsbericht.

Von Dominique Bielmeier
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"Go Trabi Go" und ein bisschen Gemeinschaftsgefühl: Autokino am Dresdner Flughafen.
"Go Trabi Go" und ein bisschen Gemeinschaftsgefühl: Autokino am Dresdner Flughafen. © Christian Juppe

Dresden. Manchmal liegt zwischen einer herben Enttäuschung und einem gelungen Abend nur wenig. In diesem Fall: eine junge Frau, die verstohlen aus dem eine Reihe weiter vorne parkenden Auto aussteigt, sich ihren Schal vor Mund und Nase drückt und so ans eigene Beifahrerfenster geschlichen kommt. "Wollen wir vielleicht tauschen?"

Ein halb-legales Umparkmanöver später - denn zuvor hatte ein Einweiser mit Mundschutz jedem Auto auf dem Gelände einen festen Platz in bestimmtem Abstand zugewiesen - ist die Sicht auf die Leinwand frei, das größere Auto steht nun eine Reihe weiter hinten, ganz freiwillig. Magische Dinge passieren offenbar in Autokinos, selbst wenn es letztere erst seit wenigen Stunden gibt. 

Am Freitagabend hat Dresdens allererstes, wohl nur temporäres Autokino am Flughafen eröffnet. Ab 19 Uhr auf einer von vier Leinwänden, die jeweils höchstens ein Viertel so groß sein dürften wie die Leinwand bei den Filmnächten: der Kultfilm "Go Trabi Go". Klar, dass der auch viele Trabantfahrer anzieht, die ganze Reihen füllen. 

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Sie gehören mit zu den ersten, die gegen 18 Uhr auf das Gelände von Flughafenparkplatz 4 fahren, schon da ist mindestens die halbe Fläche gefüllt. Platz für rund 500 Autos sei, sagten die Veranstalter, die GBG GmbH aus Niesky, vorher. Hunderte sind es sicher, beide Filme am Eröffnungsabend sind ausverkauft. Ein Mitarbeiter vor Ort nennt als Zahl 270. 

Bis es los geht, ist noch Zeit - also kann der Blick etwas über den großen Parkplatz schweifen, über die anderen Kinobesucher: Kleinwagen, Smarts, Familien-SUVs und manches Saisonfahrzeug, das sicher nur für heute aus der Garage geholt und vor dem Besuch noch einmal auf Hochglanz gebracht wurde. In den Gesichtern der Insassen fast überall die gleiche Aufgedrehtheit. Ein Autokino! In Dresden! Manch einer hat sich richtig in Schale geschmissen, um mal gepflegt zwei Stunden lang in seinem Auto zu sitzen. 

Dresdens erstes Autokino in Bildern:

An der Einfahrt zum Gelände bildete sich eine Warteschlange.
An der Einfahrt zum Gelände bildete sich eine Warteschlange. © Christian Juppe
Die Tickets wurden durch die geschlossene Seitenscheibe kontrolliert und die Autos den Stellplätzen zugewiesen. 
Die Tickets wurden durch die geschlossene Seitenscheibe kontrolliert und die Autos den Stellplätzen zugewiesen.  © Christian Juppe
Jedes Auto erhielt eine Eintrittskarte, die unter einen Scheibenwischer geklemmt wurde. 
Jedes Auto erhielt eine Eintrittskarte, die unter einen Scheibenwischer geklemmt wurde.  © Christian Juppe
Beide Filme am Eröffnungsabend - nach "Go Trabi Go" lief "Ziemlich beste Freunde" - waren ausverkauft. 
Beide Filme am Eröffnungsabend - nach "Go Trabi Go" lief "Ziemlich beste Freunde" - waren ausverkauft.  © Christian Juppe
Der Kultfilm zog auch viele Trabantfahrer an.
Der Kultfilm zog auch viele Trabantfahrer an. © Archiv: Christian Juppe
Manche trugen auf ihren Trabis sogar ein Autogramm des Filmhelden Wolfgang Stumph aka Udo Struutz.
Manche trugen auf ihren Trabis sogar ein Autogramm des Filmhelden Wolfgang Stumph aka Udo Struutz. © Christian Juppe
Zwischen den einzelnen Fahrzeugen sollte ein Abstand von zwei Metern bleiben. 
Zwischen den einzelnen Fahrzeugen sollte ein Abstand von zwei Metern bleiben.  © Christian Juppe
Viele Besucher machten es sich im eigenen Auto gemütlich. 
Viele Besucher machten es sich im eigenen Auto gemütlich.  © Christian Juppe
Weil nur zwei Personen pro Auto erlaubt waren, wurde eine Familie getrennt: Die Kinder durften den Film im Auto sehen, die Eltern mussten draußen vor dem Zaun zuschauen. 
Weil nur zwei Personen pro Auto erlaubt waren, wurde eine Familie getrennt: Die Kinder durften den Film im Auto sehen, die Eltern mussten draußen vor dem Zaun zuschauen.  © Christian Juppe
Getränke und Snacks wurden per Warnblickleuchte "bestellt" und ans Auto geliefert. 
Getränke und Snacks wurden per Warnblickleuchte "bestellt" und ans Auto geliefert.  © Christian Juppe
Mancher Kinobesucher hatte aber gut vorgesorgt und konnte so die teuren Preise umgehen.  
Mancher Kinobesucher hatte aber gut vorgesorgt und konnte so die teuren Preise umgehen.   © Christian Juppe
Romantik im Kino? Das geht für André und Janine auch in Coronazeiten. 
Romantik im Kino? Das geht für André und Janine auch in Coronazeiten.  © Christian Juppe

Aber was ist mit der Verpflegung? Wer nicht gleich eine Snackbox dazugekauft hatte, die er beim Einlass bekommt, kann nun noch etwas "bestellen": mit dem Warnblinker. Dann kommt ein junger Mann mit einem Handwagen voller Snacks und Getränken vorbei. Nur den warmen Käse für die Nachos muss er extra holen. 

Die Preise sind ordentlich: Für eine Tüte Nachos und ein Popcorn ist man mit Trinkgeld 11 Euro los. Neben dem Eintrittspreis von knapp 20 Euro für maximal zwei Insassen kein billiges Vergnügen. Zum Glück kontrolliert in diesem Kino niemand, ob man eigene Verpflegung hineinschmuggelt. 

Und wie kommt eigentlich der Sound ins Auto? Etwa über Lautsprecher? Nein, die Tonspur läuft auf einer Radiofrequenz, die auf den Leinwänden eingeblendet wird. Wohl dem, dessen Autoradio nicht so alt ist wie der Film, der heute gezeigt wird - und der deshalb nicht immer mal wieder mit einem ordentlichen Klaps nachhelfen muss, damit das Radio nicht doch spontan zu einem tschechischen Popsender wechselt. 

Autokino-Tester für Sächsische.de: SZ-Redakteurin Dominique Bielmeier und Marcel Lange.
Autokino-Tester für Sächsische.de: SZ-Redakteurin Dominique Bielmeier und Marcel Lange. © Christian Juppe

Zwischen den Besuchern entsteht übrigens schnell eine gewisse Kameraderie: Wartburg-Fahrer grüßen einander schon beim Einfahren, vor Filmbeginn werden über den Parkabstand von zwei Metern und durch zwei Autoscheiben hindurch Snackvorräte verglichen. Man könnte fast den ernsten Hintergrund vergessen, wenn nicht alle Einweiser, Security-Mitarbeiter und die meisten Besucher außerhalb ihrer Autos Mundschutz tragen und vor Filmbeginn immer wieder Hygienehinweise eingeblendet würden: "Das Verlassen des Fahrzeugs ist nur im Notfall und mit Mund-Nasen-Schutz zulässig - gebt sofort dem Ordnungspersonal Bescheid." 

Ganz so streng wird es zwar dann nicht gehandhabt, aber während des Films geht eine Security-Mitarbeiterin von Auto zu Auto und bittet die Insassen, das Fenster auf der Fahrerseite zu schließen, während das auf der Beifahrerseite geöffnet bleiben darf. 

Ohne die Corona-Pandemie und die geltenden Kontaktbeschränkungen hätte Dresden möglicherweise nicht so schnell ein Autokino bekommen. Und dieses könnte nicht einmal das einzige in der Stadt bleiben: Auch die Filmnächte planen, in dieser Form stattzufinden, allerdings in der Flutrinne im Ostragehege. Zumindest die Verantwortlichen des Flughafenkinos, die bei ihrer Veranstaltung mit dem Airport zusammenarbeiten, sagen: Eine Verlängerung ist nicht ausgeschlossen. 

Als Stumphi sich schließlich mit seinem kanarienbunten Schorsch - reduziert zu einem Cabrio - auf den Heimweg nach Bitterfeld macht, da starten auch die Kinobesucher ihre Motoren und verlassen zügig das Gelände, nach einem kurzen Hupkonzert. Im Autoradio ist noch eine Weile die Musik aus dem Abspann zu hören, während am Eingang schon eine Kolonne von Fahrzeugen für den nächsten Film ansteht. 

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