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Kretschmer zu Drohungen: "Natürlich bin ich in Sorge"

Im Messengerdienst Telegram tauchen Äußerungen zu Mordplänen gegen Sachsens Regierungschef auf. Nun hat sich Kretschmer zu Wort gemeldet.

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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte erst kürzlich vor der Radikalisierung über den Messengerdienst Telegram.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte erst kürzlich vor der Radikalisierung über den Messengerdienst Telegram. © dpa-Zentralbild

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will sich von Drohungen gegen seine Person nicht einschüchtern lassen. "Wir müssen mit allen juristischen Mitteln gegen solch eine Entgrenzung vorgehen. Menschen, die öffentliche Ämter haben, sollen keine Angst haben müssen, ihre Meinung zu sagen und ihre Arbeit zu machen. Das gilt genauso für Berufsgruppen wie Journalisten", sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Dresden.

Im Messenger-Dienst Telegram waren nach einem Bericht des ZDF-Magazins "Frontal 21" Äußerungen zu Mordplänen gegen Kretschmer aufgetaucht. Demnach soll sich in dem Messengerdienst Telegram eine Gruppe unter dem Namen "Dresden Offlinevernetzung" zusammengefunden haben. Aus Audio-Chats gehe hervor, dass ein Großteil der 100 Gruppenmitglieder Impfungen gegen Covid, die Pandemie-Maßnahmen, aber auch das demokratische System ablehne.

Der Kern der Gruppe soll sich den ZDF-Recherchen zufolge allerdings nicht nur über Telegram treffen, sondern auch nachts in Dresdner Parks. Konkret ist von zwei Treffen die Rede. Hier soll es unter anderem um Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten gegangen sein. Ein Gruppenmitglied soll sogar in einer Audionachricht behauptet haben, er habe sich bewaffnet und Munition parat.

Kretschmer zu Mordplänen: "Natürlich bin ich in Sorge"

"Es ist mir nicht egal", sagte Kretschmer am Mittwoch. "Natürlich ich bin in Sorge. Aber ich entwickle daraus eher Kraft und Energie. Wenn das der Zustand ist, wie wir miteinander umgehen, dann wäre dieses Land verloren. Und das ist es nicht."

Kretschmer berichtete davon, auch viel Zuspruch zu erhalten: "Es geht gar nicht um mich, sondern um die Frage, wer Verantwortung in der Demokratie übernimmt - an den verschiedensten Stellen, ob nun im Gemeinderat, als Bürgermeister, Journalist oder Abgeordneter im Landtag. Diese Menschen müssen geschützt werden. Sie dürfen keine Angst um ihr Leben haben."

Der sächsische Verfassungsschutz antwortete auf Anfrage des Senders, er beobachte eine "zunehmende Radikalisierung der Szene". Dazu gehörten auch Beleidigungen und Bedrohungen von Politikern. Am Wochenende waren Radikale mit Fackeln und Trommeln vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) in Grimma aufmarschiert.

Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft

Polizei und Generalstaatsanwaltschaft teilten am Mittwoch mit, die Sicherheitslage prüfen zu wollen. Gegen die Gruppierung "Dresden Offlinevernetzung" und deren einzelne Mitglieder ergebe sich ein Straftatverdacht. Mögliche Tatvorwürfe würden gegenwärtig geprüft sowie erste Ermittlungshandlungen initiiert, hieß es. Dabei spielten auch Äußerungen einzelner Mitglieder zum angeblichen Besitz von scharfen Waffen und Armbrüsten eine Rolle. Die Ermittlungen übernimmt das Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum mit der Sonderkommission Rechtsextremismus im Landeskriminalamt Sachsen.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) zeigte sich entsetzt: „Die Morddrohungen gegen Ministerpräsident Kretschmer müssen wir sehr ernst nehmen. Sie zeigen, welches Ausmaß Hass und Gewalt in unserer Gesellschaft erreicht haben", teilte er bei Twitter mit. "Mittlerweile haben sich Kriminelle in der bürgerlichen Mitte festgesetzt und verbreiten von dort ihre Mordfantasien. Neben der Corona-Pandemie gibt es leider auch eine geistige Pandemie. Dieser müssen wir uns als Gesellschaft insgesamt entgegenstellen."

Die Landesvorsitzenden der SPD in Sachsen verurteilten die Anschlagspläne gegen Michael Kretschmer aufs Schärfste. "Sie sind abscheulich, menschenverachtend und eine ernstzunehmende Gefahr", teilten Kathrin Michel und Henning Homann mit. Die von Rechtsextremen angefachte Hetze in den sozialen Medien nehme immer gefährlichere Formen an - bis hin zu Mordanschlagsplänen. Der Fernsehbeitrag zeige offene Terrorismus-Phantasien. "Die Bedrohung durch rechtsextreme Strukturen braucht eine umfassende Reaktion der Gesellschaft, aber auch der Sicherheitsbehörden", so die SPD-Politiker.

Dulig: "Kein regionales Phänomen"

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bekundete in der Kabinettspressekonferenz am Mittwochvormittag Solidarität für alle von Anfeindungen betroffenen Menschen. Zu ihnen zählte er nicht nur den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und Sozialministerin Petra Köpping (SPD), sondern auch die "vielen nicht bekannten, aber vorhanden Menschen in den Impfzentren und im Gesundheitswesen, die sich bedroht fühlen oder bedroht werden".

In diesem Zusammenhang habe sich Martin Dulig am Mittwochmorgen mit der designierten Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) unterhalten, um noch einmal auf ein "gesellschaftliches und innenpolitisches Stopp-Zeichen" zu drängen und der "Radikalisierung Einhaltung zu gebieten". Es sei "kein regionales Phänomen", so der stellvertretende Ministerpräsident. Dulig stellte noch einmal klar: "Es ist kein Kampf die gegen uns, der Gegner heißt immer noch Corona."

Stärkere Sicherheitsvorkehrungen für Regierung

Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) sprach von einer "unerträglichen Situation" und sagte, Bedrohungen und Mordaufrufe seien "Terror", "ein absolutes No-Go" und "unter aller Würde". Umweltminister Wolfram Günther (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnet die Vorfälle als "sehr beunruhigend" und unterstrich: "Wir haben ein demokratisches Amt inne und müssen in dieser Funktion auch Entscheidungen treffen, die nun notwendig sind."

Es gebe einen ständigen Austausch mit dem Landeskriminalamt und auch Anpassungen an die Gefährdungslage, wenn nötig, so Wolfram Günther. Laut Regierungssprecher Ralph Schreiber seien nach den Mordaufrufen gegen den Ministerpräsidenten auch die Sicherheitsvorkehrungen bei Michael Kretschmer und seiner Familie verstärkt worden.

Es sinke nicht nur die Hemmschwelle, sagte Martin Dulig. Es entwickle sich ein bedrohliches Szenario, "bei dem es nur noch um den Zeitpunkt geht, wo aus verbalem Hass physische Gewalt wird". Darauf könne man nicht warten. Diejenigen, die andere Menschen bedrohen und angreifen, müssten verfolgt und bestraft werden, sagte Martin Dulig. "Wir werden uns wehren."

Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen

Sachsen ist seit Wochen der größte Corona-Hotspot in Deutschland. Immer wieder kommt es zu Protesten gegen die Schutzmaßnahmen. Experten warnen vor einer zunehmenden Radikalisierung der Corona-Leugner-Szene, bei der der Messengerdienst Telegram eine entscheidende Rolle spielt.

Am Dienstag habe das Kabinett auch über die Sicherheitslage im Freistaat gesprochen und sich für verstärkte Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft in Chatgruppen wie bei Telegram ausgesprochen.

Kretschmer selbst hatte erst am Donnerstag im ZDF-Talk von Maybrit Illner eine schärfere Beobachtung von radikalen Gruppen auf Telegram gefordert - und war dabei mit dem designierten Justizminister Marco Buschmann (FDP) aneinander geraten. (SZ/hej/sca)