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Kreis Bautzen: Stößt die AfD an Grenzen?

Die AfD schneidet schwächer ab. Die CDU kann doch noch gewinnen. In Bautzen endet ein politisches Missverständnis. Fünf Erkenntnisse aus der Wahl.

Von Ulli Schönbach
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Die AfD schneidet schwächer ab. Die CDU kann doch noch gewinnen. In Bautzen endet ein politisches Missverständnis.
Eine Analyse des Wahlabends im Kreis Bautzen von Redaktionsleiter Ulli Schönbach.
Die AfD schneidet schwächer ab. Die CDU kann doch noch gewinnen. In Bautzen endet ein politisches Missverständnis. Eine Analyse des Wahlabends im Kreis Bautzen von Redaktionsleiter Ulli Schönbach. © Dietmar Thomas

Bautzen. Es war am Sonntag kurz vor 20 Uhr, als sich Karsten Vogt (CDU) und Alexander Ahrens (SPD) im Rathaus direkt gegenüberstanden. Der eine war vor Freude gerührt, der andere konnte sein Entsetzen nur mit Mühe verbergen. Denn schon in wenigen Wochen wird der Schulleiter als neuer Oberbürgermeister ins Rathaus einziehen, Amtsinhaber Ahrens muss sein Büro hingegen nach sieben Jahren räumen.

Der Machtwechsel im Bautzener Rathaus ist sicher das spektakulärste Ergebnis der Wahl am Sonntag, aber nicht das einzige, das die lokale Politik noch länger beschäftigen wird. Fünf Beobachtungen zum Ausgang der Wahl:

Erkenntnis 1: Die CDU kann doch noch gewinnen

Zwar ist die CDU kommunal längst nicht mehr so stark wie noch vor Jahren. Doch am Wahlsonntag hat die Partei bewiesen: Sie kann es noch. Sieben Bürgermeister-Posten – darunter das wichtige Oberbürgermeisteramt in der Kreisstadt – gingen an die Union. Ein achter Wahlerfolg könnte am 3. Juli in Königsbrück hinzukommen.

Andere Parteien sind davon weit entfernt, sie stellen im Kreis Bautzen höchstens vereinzelt Bürgermeister. Die meisten Kandidaten am Sonntag waren parteilose Einzelbewerber.

Noch wichtiger für die CDU: Ihr Landratskandidat Udo Witschas hat gute Chancen, das Chef-Büro im Landratsamt zu beziehen. Mit 38 Prozent der Stimmen lag er am Wahlabend deutlich vor AfD-Kandidat Frank Peschel (28 Prozent). Damit kann Witschas die Wahl in drei Wochen voraussichtlich aus eigener Kraft gewinnen.

Im zweiten Wahlgang müssen die Kandidaten nicht mehr über 50 Prozent kommen, es genügt die einfache Mehrheit. Neben Witschas und Peschel wollen auch Alex Theile (Linke, Grüne, SPD) und der abgeschlagene Einzelbewerber Tobias Jantsch nochmals antreten.

Dass Vize-Landrat Witschas auch in der eigenen Partei umstritten ist, unter anderem wegen seiner umstrittenen Äußerungen zur Impfpflicht, hat ihm letztlich weder genützt noch geschadet. Unter den acht CDU-Landratskandidaten in Sachsen landete er am Sonntag mit seinen 38 Prozent im Mittelfeld.

Erkenntnis 2: Die AfD ist weiter stark, stößt aber an Grenzen

Die AfD kann im Landkreis Bautzen auf eine gefestigte Basis setzen. 28 Prozent der Wähler stimmten bei der Landratswahl für den Kandidaten der Rechtsaußen-Partei. Das ist etwas weniger als bei der Bundestagswahl im Herbst, als die AfD im Landkreis 33 Prozent der Erststimmen holte. Wegen der unterschiedlichen Art der Wahlen und der unterschiedlichen Wahlbeteiligung wäre es verfrüht, hierin bereits ein Schrumpfen der Wählerschaft zu sehen.

Allerdings zeigte die AfD bereits im Vorfeld der Wahl deutliche personelle und organisatorische Schwächen. Erst spät benannte sie ihren Landratskandidaten, der den Wahlkampf auch eher lustlos herunterspulte. Zugleich schaffte es die Partei nicht, in ihrer Hochburg Bautzen einen Oberbürgermeister-Kandidaten aufzustellen. Ihr fehlt schlicht geeignetes Personal. Die Folge: Bei den 25 Bürgermeisterwahlen am Sonntag traten überhaupt nur zwei AfD-Kandidaten an.

Erkenntnis 3: Linke, SPD und Grüne profitieren von Bündnissen

25 Prozent bei der Landratswahl sind für den parteilosen Richter Alex Theile ein Achtungserfolg, denn politisch spielte er außerhalb von Kamenz bislang keine Rolle. In Kamenz selbst schaffte er es am Sonntag sogar auf 38 Prozent. In anderen größeren Städten lag er in der Regel vor dem AfD-Kandidaten.

Nominiert wurde Theile von Linken, SPD und Grünen. Und so wundert es nicht, dass er ungefähr das Wählerpotenzial abruft, dass die drei Parteien gemeinsam auch schon in der Vergangenheit hatten. Dreier-Bündnisse dieser Art dürfte es daher künftig häufiger geben – zumindest auf kommunaler Ebene. Allein haben die Kandidaten der drei Parteien kaum eine Chance.

Ausnahmen bestätigen die Regel: etwa der Wahlerfolg von Bürgermeister Jens Krauße (SPD) in Großharthau, der die Wahl am Sonntag mit 98 Prozent Zustimmung gewann. Zwar als einziger Kandidat, dafür zum vierten Mal in Folge.

Erkenntnis 4: Bautzen und Ahrens – das Ende eines Missverständnisses

Nur 14 Prozent für den amtierenden OB – das ist eine „Klatsche“, wie es sie in der Politik nur selten gibt. Das Ergebnis der Bautzener Wahl zeigt daher neben der großen Zustimmung für Karsten Vogt auch die gewaltige Enttäuschung über Alexander Ahrens.

Bürgernah und unkonventionell - so präsentierte sich der Jurist vor sieben Jahren im Wahlkampf. Viele Bautzener versprachen sich damals frischen Wind und neue Ideen. Ein Missverständnis, wie sich rasch zeigte. Schon früh erwies sich Ahrens als Dampfplauderer mit wenig Interesse an praktischer Verwaltungsarbeit.

Den ersten größeren Bruch gab es, als der Parteilose in die SPD eintrat und damit Mitstreiter und Wähler verprellte. Auch eigentümliche Immobilienkäufe und das öffentliche Ausstellen seiner Hobbys wurden ihm angelastet.

Mitarbeiter der Stadtverwaltung berichten schon länger von einem deprimierenden Arbeitsklima. Nicht weniger belastet war das Verhältnis zum Stadtrat, mit dem Ahrens zuletzt notorisch über Kreuz lag.

Und während Görlitz, Kamenz und Bischofswerda erfolgreich Strukturwandel-Projekte platzierten, wuchs in Bautzen die Sorge, dass die Stadt dieses wichtige Thema verschläft. Während Amtsinhaber normalerweise von einem Amts-Bonus profitieren, muss man bei Alexander Ahrens wohl eher von einem Amts-Malus sprechen.

Erkenntnis 5: Die kommunale Demokratie bröckelt

25 Bürgermeisterwahlen fanden am Sonntag statt, doch eine Auswahl hatten die Wähler in vielen Städten und Gemeinden nicht. In elf Orten, also fast der Hälfte, stand nur ein Kandidat auf dem Stimmzettel – oft der amtierende Bürgermeister.

Fälle wie diese gab es auch früher schon, doch dann betraf es in der Regel ehrenamtliche Bürgermeister-Posten und kleine Gemeinden. Wenn aber selbst in einer Stadt wie Bischofswerda nur noch ein Name auf dem Stimmzettel steht, dann ist das – unabhängig von der Leistung des Amtsinhabers – kein gutes Zeichen für die Demokratie. Was, wenn in sieben Jahren in einigen Städten und Gemeinden niemand mehr ins Rathaus einziehen will? Auch für die jeweiligen Wahlgewinner sind solche Papier-Siege nicht wirklich gut. Ihre Position wird geschwächt – vor allem, wenn auch noch die Wahlbeteiligung gering ist.

Stichwort Wahlbeteiligung: Diese ist bei Kommunalwahlen zwar immer niedriger als bei Abstimmungen über den Bundestag und das Landesparlament. Aber weniger als 50 Prozent Beteiligung bei wichtigen Landrats- und Oberbürgermeister-Wahlen sollten doch ein Warnzeichen sein.