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Hier soll ein riesiges Teleskop unter die Erde

Wissenschaftler wollen in der Oberlausitz das Deutsche Zentrum für Astrophysik aufbauen. Welche Rolle dabei ein Feld bei Ralbitz-Rosenthal spielt.

Von Lucy Krille
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Der Astroteilchenphysiker Prof. Dr. Christian Stegmann steht auf einem Feld bei Ralbitz-Rosenthal. Sein Traum ist, dass hier in zehn Jahren ein riesiges Labor unter der Erde steht.
Der Astroteilchenphysiker Prof. Dr. Christian Stegmann steht auf einem Feld bei Ralbitz-Rosenthal. Sein Traum ist, dass hier in zehn Jahren ein riesiges Labor unter der Erde steht. © SZ/Uwe Soeder

Ralbitz-Rosenthal. Das Feld, auf dem Professor Dr. Christian Stegmann steht, sieht aus wie alle anderen. In die Idylle zwischen den Dörfern Truppen und Cunnewitz im Heideland verirren sich normalerweise nur Spaziergänger, die Ruhe in der Natur suchen. Genau diese Ruhe ist der Grund für Stegmanns Besuch. „Die Region um Ralbitz-Rosenthal ist eine der ruhigsten Gegenden Europas, weil der Boden aus einer gleichmäßigen Granitplatte besteht“, sagt Stegmann, der Professor für Astroteilchenphysik am Deutschen Elektronen-Synchrotron ist. Das sollen Messungen in den nächsten Wochen beweisen.

Auch sein Kollege Günther Hasinger ist begeistert von der Gemeinde zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda. Er schwärmt von der Region - und sitzt über 2.000 Kilometer entfernt in Madrid am Laptop. Hasinger arbeitet derzeit als Wissenschaftsdirektor am Astronomie-Institut der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Sollte Hasingers und Stegmanns Projekt gelingen, könnte er aber bald in die Oberlausitz kommen und hier das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA) aufbauen.

Ein riesiges Teleskop misst Bewegungen im Universum

Das Großforschungszentrum hat es in die Endrunde eines Strukturwandel-Wettbewerbes von Bund und dem Land Sachsen geschafft. In den Kohleregionen bei Leipzig sowie in der Lausitz soll jeweils ein Forschungszentrum entstehen – und mit ihm bis zu 1.500 direkte Arbeitsplätze. Bis April haben die sechs Finalisten Zeit, ihre Vorschläge auszuarbeiten, bevor im Sommer entschieden wird, welche beiden Projekte gefördert werden. Die dafür zur Verfügung stehenden 500.000 Euro werden nun unter anderem für Bohrungen in Ralbitz-Rosenthal eingesetzt.

Hier soll ein Riesenteleskop unter die Erde kommen, um mit Laserlicht Gravitationswellen zu messen. Das „Einsteinteleskop“, wie Hasinger es nennt, besteht aus drei Tunneln, die jeweils eine Länge von zehn Kilometern haben. Wenn das Laserlicht sich in den Tunneln unterschiedlich lang ausbreitet, kann gemessen werden, inwiefern sich der Raum in eine Richtung mehr ausbreitet. Ziel ist es, Gravitationswellen nachzuweisen. Diese entstehen bei großer Energiefreisetzung, beispielsweise dann, wenn sich schwarze Löcher von der Größe der Sonne im Universum vereinigen.

Eine erste Entwurfsskizze zeigt, wie das Einsteinteleskop unter der Erde funktioniert. Allein die Bohrungen für die zehn Kilometer langen Tunnel würden acht Jahre dauern, schätzt Prof. Dr. Christian Stegmann.
Eine erste Entwurfsskizze zeigt, wie das Einsteinteleskop unter der Erde funktioniert. Allein die Bohrungen für die zehn Kilometer langen Tunnel würden acht Jahre dauern, schätzt Prof. Dr. Christian Stegmann. © NIKHEF

Ähnliche Messungen gibt es bereits mit kleineren Geräten. Das hochpräzise Einsteinteleskop wäre ein weiterer Schritt in der Grundlagenforschung der Astrophysik. Denn bisher ist nur ein kleiner Teil der Materie im Universum erforscht, während die sogenannte dunkle Materie kaum bekannt ist. Das Einsteinteleskop könnte die Theorie stützen, dass die dunkle Materie aus schwarzen Löchern besteht.

Nächste Woche beginnen die Bohrungen

Um die Gravitationswellen zu messen, muss das Gerät auf festem Boden stehen. Für die Wissenschaftler ist der Granit in der Lausitz dafür besonders geeignet, auch weil das sorbische Gebiet sehr ursprünglich geblieben ist. Außerdem habe die Oberlausitz eine lange Bergbautradition, die nun eben anders genutzt werden könnte, erklärt Stegmann. Nun sollen auf dem Feld bei Cunnewitz die ersten Bohrungen beginnen, um im nächsten Schritt extra angefertigte Seismometer in den Granit einzuführen. Diese Geräte nehmen über mehrere Wochen Erschütterungen im Boden auf.

Nächste Woche rücken die Bohrer auf dem Feld an, das die Gemeinde um Bürgermeister Hubertus Rietscher (CDU) den Forschern zur Verfügung stellt, um ein 200 Meter tiefes Loch zu bohren. Sollte sich bestätigen, dass das Gelände geeignet für das Riesenteleskop ist, wäre das das „Sahnehäubchen“ für den Projektentwurf von Hasingers und Stegmanns Team. Neben dem Einsteinteleskop beruht die Projektidee des DZA noch auf zwei weiteren Forschungsschwerpunkten.

Zum einen plant das Projektteam ein Datenzentrum, das riesige Datenmengen auswertet. In Görlitz sollen die Daten, die Großgeräte wie das Einsteinteleskop liefern, mithilfe von riesigen Rechnern und neuen, intelligenten Konzepten aufgearbeitet werden. „Wir brauchen eine moderne Herangehensweise, denn die Datenmenge ist größer als das gesamte Internet“, erklärt Günther Hasinger.

Ein Untergrund-Labor soll auf jeden Fall kommen

Bevor die Astro-Daten ausgewertet werden können, müssen die Geräte sie allerdings liefern. Die Entwicklung der Technologie ist somit das zweite Standbein des Astrozentrums. In dem Technologiezentrum planen die Astrophysiker, unter anderem Sensoren und Spiegel für Teleskope zu entwickeln. Diese sollen aus Silizium bestehen, was ein weiterer Grund dafür ist, das Deutsche Astrozentrum in Sachsen aufzubauen. „In der Halbleiterindustrie ist Sachsen gut aufgestellt“, erklärt Hasinger.

Wenn das Astrozentrum also in die Lausitz kommen sollte, wäre nicht nur die Expertise von Wissenschaftlern, sondern auch von Bergmännern, Ingenieuren, Handwerkern und anderen Branchen gefragt. „Unsere Chancen stehen eins zu drei“, sagt Hasinger. Doch auch wenn die Entscheidung auf andere Großforschungszentren fallen sollte, könnte das Einsteinteleskop trotzdem in die Lausitz kommen, da der Standort sich gleichzeitig für ein europäisches Projekt bewirbt.

Ein Teil des gigantischen Untergrundlabors soll außerdem unabhängig von dem Teleskop umgesetzt werden. Beispielsweise sollen im ruhigen Untergrund von Ralbitz-Rosenthal Methoden entwickelt werden, kaum wahrnehmbare Erschütterungen auszugleichen. Bei der Arbeit mit winzigen Chips wird dies in der Halbleiterindustrie in Zukunft immer wichtiger.

Ein erster Entwurf für ein Labor unter der Erde von Ralbitz-Rosenthal: Hier würden 100 bis 200 Arbeitsplätze entstehen.
Ein erster Entwurf für ein Labor unter der Erde von Ralbitz-Rosenthal: Hier würden 100 bis 200 Arbeitsplätze entstehen. © Marco Kraan; Nikhef