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Dynamos merkwürdiger Umgang mit einem Pyro-Vorfall

Nach dem massiven Einsatz von Bengalos im Spiel gegen den Halleschen FC akzeptiert Dynamo Dresden die geforderte Strafe nicht und argumentiert mit einer Zahl an Verletzten, die sich von den Polizeiangaben unterscheidet.

Von Daniel Klein
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Lichterloh brannte der K-Block vorm Anpfiff des Heimspiels gegen den Halleschen FC. Und dann noch mal in der 7. Minute. Dabei wurden Menschen verletzt.
Lichterloh brannte der K-Block vorm Anpfiff des Heimspiels gegen den Halleschen FC. Und dann noch mal in der 7. Minute. Dabei wurden Menschen verletzt. © dpa/PA/Robert Michael

Dresden. Es ist ein Vorgang, wie er beinahe schon zur unheilvollen Routine geworden ist: Dynamo-Fans zündeln im Stadion, der Deutsche Fußballbund (DFB) ermittelt und verhängt eine Geldstrafe. Abhängig von der Höhe der Summe vermeldet der Verein die Sanktion lediglich, oder aber er reagiert mit einer Stellungnahme.

So war es auch vergangene Woche, als das DFB-Sportgericht die Vorfälle beim Heimspiel gegen den Halleschen FC am 4. Oktober mit einer 90.000-Euro-Strafe ahndete. Damals waren im K-Block des Rudolf-Harbig-Stadions kurz vor dem Anpfiff und in der 7. Spielminute jeweils „mindestens 120 Bengalische Fackeln“ abgebrannt worden, wie es in der Urteilsbegründung des DFB heißt. Zusammen also 240.

Dabei zogen sich Zuschauer Verbrennungen zu. „Wir bedauern und verurteilen die Vorfälle zutiefst, insbesondere weil diese durch ihre übertriebenen Ausmaße einige leicht verletzte Dynamo-Fans zur Folge hatten, bei denen wir uns an dieser Stelle im Namen des Vereins nochmals in aller Form entschuldigen“ heißt es in einer Mitteilung, die der Verein nach der Urteilsverkündung am 12. Januar veröffentlichte, also gut drei Monate nach dem Spiel. Das Zitat stammt nicht von einem Vorstandsmitglied, sondern, wie es auf der Homepage auch optisch hervorgehoben wird, von den „Gremien und der Geschäftsführung gemeinsam“. Das soll sicher Geschlossenheit demonstrieren, man könnte es aber auch so interpretieren, dass eine Person allein keinen Mut hatte.

Vor allem aber lässt sich die Aussage so deuten, dass einzig das „übertriebene Ausmaß“ zu den Verletzungen führte. Oder anders formuliert: weniger Bengalos, keine Verbrennungen und folglich kein Problem. Diese Schlussfolgerung wäre falsch, teilt der Verein auf SZ-Anfrage mit: „Unabhängig von der Menge an abgebrannten pyrotechnischen Gegenständen ist jedwede widerrechtliche Handlung, im Besonderen, wenn sie Verletzte zur Folge hat, aus Vereinssicht zu verurteilen.“

Die etwas ungelenke Kommunikation ist nicht die einzige Merkwürdigkeit an diesem Fall. In einer Mitteilung der Dresdner Polizei vom Tag nach dem Spiel ist von „vier Menschen“ die Rede, drei Frauen (zwei 17- und eine 24-Jährige) sowie ein Mann (37), die Brandverletzungen davongetragen hätten. Zudem wurden mögliche weitere Geschädigte sowie Zeugen aufgerufen sich zu melden. Inzwischen sind sechs verletzte Personen bekannt, teilte Polizeisprecher Marko Laske der SZ mit. Die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung laufen, sind noch nicht abgeschlossen. „Die Betroffenen haben teils Anzeige erstattet, teils sind die Ermittlungen von Amtswegen seitens der Polizei eingeleitet worden“, so Laske.

Der DFB-Kontrollausschuss war in seinem Strafantrag von – wie von der Polizei zunächst gemeldet – vier Verletzten ausgegangen und hatte eine Geldstrafe von 100.000 Euro beantragt. Die akzeptierte Dynamo nicht und verwies in der Begründung darauf, dass sich lediglich zwei Personen leicht verletzt hätten. Doch wie kommt der Verein auf diese Zahl? „Zum Zeitpunkt der erfolgten Stellungnahme gegenüber dem DFB war der Informationsstand innerhalb des Vereins, dass (...) zwei Fans leichte Brandverletzungen davongetragen und die anderen beiden beschädigte Kleidung zu beklagen hatten“, erklärte Dynamo auf Anfrage.

Dynamo blitz mit den Argumenten ab

Georg Schierholz, der stellvertretende Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, schrieb in seiner Urteilsbegründung, dass er „vorläufig zu Gunsten des Vereins von der Richtigkeit“ dieser Angabe ausgehe – auch, weil eine Überprüfung einen größeren Aufwand bedeuten würde. Die Strafe senkte er auf 90.000 Euro.

Mit den weiteren Argumenten blitzte der Drittligist beim Richter ab. So hatte Dynamo eine „standardisierte Betrachtung“ des Falles angemahnt. Damit ist der Strafzumessungsleitfaden gemeint, der in einer Tabelle vorgibt, welches Vergehen in welcher Liga wieviel Strafe kostet. In der 3. Liga sind das bei 240 pyrotechnischen Gegenständen 84.000 Euro. „Darüber hinaus muss aber natürlich strafschärfend ins Gewicht fallen, dass diese Aktionen zu erheblichen Verletzungen mehrerer Personen geführt haben. Für solche Fälle ist der Strafzumessungsleitfaden nach seinem Inhalt ausdrücklich nicht anzuwenden, mithin eine ‚standardisierte Behandlung‘ ausgeschlossen“, so Schierholz.

Dynamo wurden von der Strafe 30.000 Euro erlassen, die für sicherheitstechnische oder gewaltpräventive Maßnahmen verwendet werden müssen. Mit dieser Summe wollte der Verein eine zusätzliche Stelle in der Fanbetreuung finanzieren. Doch das untersagte der Richter. Laufende Personalkosten seien nach ständiger Rechtssprechung des DFB-Sportgerichts davon ausgeschlossen.

Der Verein könnte einen Teil der Geldstrafe zudem auf die Täter umlegen. Bisher aber seien keine ermittelt worden, erklärte Polizeisprecher Laske und verwies darauf, dass „seitens des Vereins keine Informationen übermittelt wurden, die das Ermittlungsverfahren vorangetrieben oder zur Ergreifung der Täter geführt“ hätten. Unmittelbar nach dem Spiel im Oktober hatte Dynamo auf eine Frage der SZ geantwortet: „Wie bei solchen Vorfällen üblich, unterstützt der Verein die Polizei bei der Ermittlung der Täter im Rahmen seiner Möglichkeiten – beispielsweise, falls vorhanden, durch Informationsweitergabe.“ Offensichtlich waren keine Infos vorhanden.

Die Strafe aus der Partie gegen den HFC war nicht die letzte. Am Dienstag urteilte der DFB, dass Dynamo weitere 1.000 Euro zahlen muss, weil bei der Partie bei Viktoria Köln am 10. November im Gästeblock Trillerpfeifen eingesetzt wurden, die von der Schiripfeife kaum zu unterscheiden waren. Der Unparteiische unterbrach das Spiel deshalb. Auch gegen diesen Antrag des DFB-Kontrollausschusses hatte der Verein sein Veto eingelegt – jedoch erfolglos.