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Justus Strelow, möchten Sie die Nummer eins im deutschen Biathlon werden?

Den Biathlon-Winter hat Justus Strelow als drittbester Deutscher beendet, mit nur knappem Rückstand. Im großen Interview erklärt der Schmiedeberger nun, worüber er sich in der Saison geärgert hat - und worauf er stolz ist.

Von Daniel Klein
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Beide Daumen nach oben: Justus Strelow ist mit der Saison zufrieden, nicht aber mit der WM. Nun erholt er sich mit seiner Verlobten Elli in Kanada.
Beide Daumen nach oben: Justus Strelow ist mit der Saison zufrieden, nicht aber mit der WM. Nun erholt er sich mit seiner Verlobten Elli in Kanada. © Foto: Karina Hessland-Wissel

Justus Strelow, wo erreiche ich Sie gerade?

Im Urlaub. Mit meiner Verlobten Elli bin ich direkt nach dem letzten Weltcup-Rennen in Canmore zu einer kleinen Kanada-Rundreise gestartet. Wir fahren mit einem Mietauto mehrere Orte und Quartiere an, die wir vorher gebucht haben. Das Ziel ist Vancouver, von dort geht es dann zurück nach Deutschland.

Neben der Erholung bleibt da sicher Zeit, auf die gerade beendete Saison zurückzublicken. Wie fällt Ihre Rückschau aus?

Der erste Podestplatz im Weltcup bei einem Einzelrennen zum Auftakt in Östersund, die Plätze fünf und sechs in Ruhpolding, dann der erste Sieg in der Mixed-Staffel an der Seite von Vanessa Voigt in Antholz – das waren richtige Highlights in der ersten Saisonhälfte. Dann wurden die Schneebedingungen deutlich unangenehmer, das begann leider beim Saisonhöhepunkt, der WM in Nove Mesto. Auch danach waren die Bedingungen nicht so, wie man sich das als Wintersportler wünscht. Das hat einiges an Energie gekostet und mir am Ende auch einige Plätze in der Weltcup-Gesamtwertung. Trotzdem bin ich sehr zufrieden, dass ich unter den Top 15 geblieben bin.

Die Saison 2022/23 hatten Sie als 21. des Gesamt-Weltcups beendet. Waren die Top 15 deshalb das große Ziel?

Nein, das entstand erst im Laufe des Winters. Vor der Saison hätte ich mich nicht getraut, das so offensiv zu formulieren.

Lagen die Podestplatzierungen zu Beginn also über dem, was Sie sich vorgenommen hatten?

Ja, weit darüber. Deshalb hatte ich das Gefühl: Die Saison könnte gerne schon eher zu Ende sein, weil ich von nun an etwas zu verlieren habe. Das kannte ich vorher so nicht und war eine neue Erfahrung.

Wenn die Saison so gut beginnt und danach das Podest verfehlt wird: Haben Sie das als Enttäuschung empfunden?

Nein, auf gar keinen Fall. Top15-Platzierungen sind immer eine gute Leistung, schließlich bedeutet das, mit den Weltbesten mithalten zu können. Den Fehler, mich zu sehr auf die Ergebnisse zu fokussieren, hatte ich vergangene Saison gemacht. In diesem Winter wollte ich einfach am Schießstand mein Potenzial abrufen und auf der Strecke das zeigen, was in mir steckt. Und das ist mir in sehr vielen Rennen gelungen, finde ich.

Trotzdem: Wenn man mit solchen Vorleistungen zur WM fährt und dort dann spürt, dass die Ski der anderen Nationen deutlich schneller sind als die eigenen: Ist das ein Gefühl der Ohnmacht?

Es hat sich auch bei den letzten beiden Weltcups in den USA und Kanada gezeigt, dass wir als deutsches Team bei warmen Bedingungen nicht die Lösungen finden, wie wir das bei niedrigen Temperaturen schaffen. Das ist schade, weil beim Biathlon und Skilanglauf neben den Sportlern noch andere Bausteine dazugehören. Natürlich habe ich mich da geärgert, wobei ich auch betonen möchte, dass es nicht nur am Wachsen lag. Die WM in Nove Mesto war sicher meine Enttäuschung der Saison, doch der Rest lief zum Glück wirklich gut.

Ihr Potenzial am Schießstand ist ein außergewöhnliches. Sie waren in der Weltcup-Saison der Schütze mit der höchsten Trefferquote.

Womöglich habe ich sogar den Allzeitrekord geknackt. Aber da muss ich noch ein wenig recherchieren.

Justus Strelow stand in dieser Saison mehre Male auf dem Podest einmal auch bei einem Einzelrennen.
Justus Strelow stand in dieser Saison mehre Male auf dem Podest einmal auch bei einem Einzelrennen. © dpa/Javad Parsa

Haben Sie rückblickend eine Erklärung dafür, dass bei Ihnen 94 Prozent aller Schüsse im Ziel landeten?

Ich konnte im Liegendanschlag mein System, das ich gefunden hatte, konstant abrufen. Stehend ist es bei mir vor allem eine Frage der Konzentration. Mentale Stärke ist immer auch ein Verdienst des ganzen Umfelds. Ich habe mich im Team wohlgefühlt, und auch privat läuft alles prima.

Sie heiraten demnächst ihre Verlobte Elli. Aber zurück zum Sportlichen: Ihr Weltcup-Debüt hatten Sie 2021 gefeiert, nun war es der zweite Winter, den Sie komplett in der obersten Biathlon-Liga bestritten haben. Sind Sie mit 27 Jahren endgültig dort angekommen, wo Sie seit Ihrer Kindheit hinwollten?

Ich hatte gleich beim ersten Einzelrennen in Östersund so ein Erlebnis. Da haben mir andere Athleten bereits in der Umkleidekabine gratuliert, als ich noch gar nicht mitbekommen hatte, dass es wohl fürs Podium reichen wird. Ich werde nun öfter mal auf meine Trefferquote und auch auf meine schnellen Schießzeiten angesprochen. In solchen Momenten spüre ich, dass jetzt auf mich geschaut wird.

Im Gesamt-Weltcup sind Sie ganz knapp hinter Johannes Kühn und Benedikt Doll, der seine Karriere beendet hat, die Nummer drei im deutschen Team. Hoffen Sie, aufgrund der Ergebnisse am Beginn der nächsten Saison im Weltcup-Team gesetzt zu sein, sich also nicht mehr dafür qualifizieren müssen?

Die Hoffnung habe ich auf jeden Fall. Das wird in den nächsten Wochen entschieden, aber ich denke, da habe ich gute Karten.

Liebäugeln Sie damit, mal die Nummer eins in Deutschland zu sein?

Dafür müsste ich läuferisch noch zulegen. Aber wenn ich weiter so konsequent daran arbeite, ist das sicher eine Sache, die irgendwann eintreten kann.

Mit Benedikt Doll hat der letzte Weltmeister am Sonntag sein letztes Rennen bestritten. Was ändert sich dadurch innerhalb des Teams?

Wir brauchen auf jeden Fall einen neuen Teamleader. Da hat sich Johannes Kühn aufgrund seines Alters und seiner Ergebnisse angeboten, denke ich. Natürlich müssen wir einige Aufgaben, die bisher der Benny übernommen hat, verteilen – Organisatorisches, aber auch die Interessenvertretung gegenüber den Trainern und Funktionären. Aber am guten Zusammenhalt innerhalb der Truppe wird sich nichts ändern.

Biathlon ist gemessen an den TV-Quoten die Wintersportart Nummer eins ins Deutschland. Das erleichtert die Suche nach persönlichen Sponsoren. Wie zufrieden sind Sie da?

Sehr zufrieden. Natürlich laufen am Ende jeder Saison Verträge aus, es müssen neue abgeschlossen werden. Mir ist wichtig, ein Team an Partnern um mich zu haben, bei denen ich mich wohlfühle und mit denen ich mich identifizieren kann. Immer wieder und gerne sind das Unternehmen aus meiner sächsischen Heimat.