Von Justus Strelow
Glücklich habe ich mich nach der Woche in Ruhpolding auf den Weg zum Weltcup nach Antholz gemacht: Platz zwei mit der Staffel, Sechster im Sprint und Fünfter in der Verfolgung – eine optimale Woche. Euphorisch reagiere ich nach solchen Erfolgen nicht, in mir breitet sich mehr ein Gefühl von Zufriedenheit aus – vor allem, weil ich auch läuferisch gegenhalten konnte. Auf mein Schießen kann ich mich ohnehin verlassen: Mit 95 Prozent Trefferquote im Liegend- und 93 Prozent im Stehendschießen gehöre ich zur Weltspitze.
Oft werde ich gefragt, was mich zu einem sicheren Schützen macht. Im Liegendschießen ist es mir schon in der zweiten Hälfte der vergangenen Saison gelungen, ein stabiles System zu finden. Es ging um Feinheiten, an denen ich lange getüftelt habe: Welchen Winkel bilden meine Arme? An welcher Stelle berührt die Waffe meine Schulter? Wie ist meine Kopfhaltung und wie fällt mein Blick durch den Diopter? Bei der nur 4,5 Zentimeter kleinen Trefferfläche kommt es darauf an, dass ich dieses System sicher reproduzieren kann. Wenn ich nur ein kleines bisschen anders liege, erhöht sich die Gefahr von Fehlern sofort. Und es muss stabil sein, die hohe Belastung, der hohe Puls dürfen sich möglichst wenig auf die Waffe übertragen. Mittlerweile geht alles wie automatisch: Ich würde spüren, wenn etwas nicht stimmt – so, als zöge ich im Dunkeln ein T-Shirt verkehrt herum an.
Das Stehendschießen ist der fehleranfälligere Anschlag. Hier kommt es darauf an, in genau dem Moment abzudrücken, in dem ich mit der Waffe im Ziel bin. Die Reaktion muss schnell sein, man muss sich trauen durchzuziehen. Andererseits darf man bloß nicht vorschnell abdrücken, nur weil man seinen Rhythmus durchziehen will. Man weiß dann schon beim Schuss, dass die Scheibe nicht fällt. Mein Plus in dieser Saison: Fabriziere ich mal einen Fehler, schaffe ich es, Kontrolle und Fokus wiederherzustellen, sodass kein zweiter hinzukommt.
Die bisher erschienen Kolumnen von Justus Strelow:
- Die Kritik an Oberhof war völlig überzogen
- So hart ist eine Biathlon-Runde in Oberhof
- So erklärt sich der Leistungsanstieg
- Training auch am Heiligen Abend
- Zuschauer bei nächtlichen Yoga-Übungen
- Beim Weltcup in Hochfilzen kommen Fans aus Sachsen
- Im Kinderzimmer träume ich von weiteren Erfolgen
- Plätzchenbacken mit meiner Verlobten
Bleibt die Frage: Ist gutes Schießen eine Frage des Talents? Ja, es mag mir leichter fallen als anderen. Aber in den vergangenen Jahren habe ich mich dennoch kontinuierlich verbessert – weil ich weiter ins Training investiert und mich nicht nur auf mein Talent verlassen habe.
Justus Strelow von der SG Stahl Schmiedeberg ist Sachsens derzeit bester Biathlet und schreibt jede Woche über seine Erlebnisse des Weltcup-Winters.