Dresden. Nein, einfach ist es momentan nicht in der Coronakrise. Besonders nicht, wenn man schulpflichtige Kinder hat, so wie Kai-Uwe Schurig. Seine Tochter geht derzeit in Meißen aufs Gymnasium Franziskaneum.
Schurig hat in der Pandemie erlebt, wie aus Kindern plötzlich Menschen werden, die ihren Tag selbst organisieren. Aus den festen Strukturen gerissen, ohne Mitschüler und Freunde. Mit vielen engagierten Lehrern, die Youtube-Videos erstellen und über den Bildschirm ansprechbar sind.
"Ich kann meiner Tochter ein Notebook hinstellen"
Aber auch mit Lehrern, die mit der digitalen Technik nicht zurechtkommen. Die lediglich Aufgaben aus Buchseiten schicken, aber nicht da sein können, um sie zu erklären. "Seit Ende November sitzen die Kinder quasi dauerhaft im Homeschooling", sagt der 49-Jährige.
Oft setze er sich dann abends mit seiner Tochter an die Hausaufgaben. "Die Situation ist natürlich eine hohe Belastung", sagt er. Doch dabei weiß Kai-Uwe Schurig genau, dass er eigentlich "in einer guten Position" ist.
Das Wichtigste zum Coronavirus in Dresden:
- Alle aktuellen Zahlen zur Pandemie (SZ+)
- Astrazeneca-Impfstoff bleibt liegen (SZ+)
- Impftermin in Sachsen: Alle wichtigen Infos
- Hier gibt es kostenlose Schnelltests in Dresden (SZ+)
- Click & Meet: “Gerade mal schwarze Null” (SZ+)
- Was wird aus den Dresdner Festen? (SZ+)
- Eltern fordern Schulschließungen (SZ+)
- Was die 100er-Inzidenz für Folgen hat (SZ+)
Denn der 49-Jährige ist Fachplaner bei einem mittelständischen Dresdner IT-Unternehmen. "Ich kenne mich dadurch gut im Digitalen aus. Und es ist finanziell für uns auch kein Problem, unserer Tochter ein neues Notebook hinzustellen", sagt Schurig.
Und fügt dann hinzu: "Das geht aber vielen Familien nicht so". Gemeinsam mit der Geschäftsführerin seines Arbeitgebers hat er sich deshalb zum Ziel gesetzt, zu helfen. "Sozial schwächere oder große Familien haben oft nicht genügend Geräte zu Hause, damit das Homeschooling funktioniert", sagt Schurig.
Im November 2020 werden die IT-Experten auf das Projekt "Hey, Alter!" aus Braunschweig aufmerksam. Der provokante Titel soll auf ein Problem hinweisen, das zugleich Lösung für die Homeschooling-Krise werden könnte.
Die Idee: Viele Menschen und Unternehmen in Deutschland haben alte, aber funktionsfähige Laptops irgendwo im Keller oder Lager. Die spenden sie an örtliche Initiativen und ehrenamtliche Helfer wie Schurig.
Ein Stück Seelenfrieden für gestresste Familien
Dort bekommen die Notebooks ein ganz neues Leben. "Die Daten werden gelöscht und lizenzfreie Software und das offene System Linux auf den Laptop gespielt. Damit gibt es später keine Probleme mit Haftung und Weiterverkauf."
Und: Die Geräte haben alles, was Schüler im Homeschooling brauchen, sagt Schurig. Einen Browser zum Surfen im Internet und ein Schreibprogramm zum Beispiel. Nur ein paar Voraussetzungen muss der Laptop erfüllen.
Vier Gigabyte Arbeitsspeicher, 100 Gigabyte Festplatte, ein 64-Bit-System. Das ist die technische Eintrittskarte, um Kindern digitale Teilhabe und gestressten Familien ein Stück Seelenfrieden zu ermöglichen.
Wem das zuteil wird, das entscheiden Schulleitung oder Klassenlehrer gemeinsam mit dem Elternbeirat. "Da spielen soziale Aspekte die wichtigste Rolle. Wir können und wollen das auch gar nicht auswählen", sagt der IT-Fachmann.
Dass der Bedarf und damit wohl auch die Not groß ist, haben Schurig und seine Chefin schnell gemerkt. "Wir bekommen viele Anfragen und uns gehen schon jetzt die Geräte aus", erzählt er.
Die Politik habe für das Problem offenbar keine gute Lösung, musste Schurig feststellen. "Das Land verleiht die Laptops nur an die Schulen, da sind teilweise Lieferzeiten von einem halben Jahr üblich und die Stückzahl ist zu gering."
Kinder mit leuchtenden Augen bei der Übergabe
Ende Januar haben die beiden ehrenamtlichen Helfer 20 Laptops an das Gymnasium seiner Tochter in Meißen übergeben. Gespendet hat sie ein Catering-Unternehmen aus Radeberg. "Die Übergabe war sehr emotional, alle haben sich riesig gefreut", sagt Schurig.
Am 9. März dann war die 101. Oberschule in der Dresdner Johannstadt an der Reihe. Hier bekamen neun Schüler einen neuen Begleiter für zu Hause. "Kinder mit leuchtenden Augen" hätten die Notebooks in Empfang genommen, sagt Schurig. Das mache ihn glücklich.
Der 49-Jährige hofft jetzt darauf, dass sich noch mehr Unternehmen melden, um aussortierte Notebooks für benachteiligte Schüler zu spenden. "Es müssen auch nicht gleich mehrere Laptops sein", sagt er. Auch Privatpersonen, die ein altes Notebook besitzen, können sich melden. Und vielleicht ein bisschen Druck aus einer betroffenen Familie nehmen.
Die Annahmestelle ist jeden Dienstag von 13 bis 15 Uhr geöffnet. Um vorherige Ankündigung per Mail wird gebeten, auch individuelle Termine sind möglich. Kontakt: [email protected], mehr Infos auch auf der Website heyalter.com.
Nachrichten und Hintergründe zum Coronavirus bekommen Sie von uns auch per E-Mail. Hier können Sie sich für unseren Newsletter zum Coronavirus anmelden.