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Dresdner Eltern fordern Schulschließungen

In einem Brief wenden sich unzufriedene Familien an den Ministerpräsidenten. Wenn die Schulen geöffnet werden, dann unter bestimmten Voraussetzungen, fordern sie.

Von Julia Vollmer & Sandro Pohl-Rahrisch
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Weniger Notendruck, Masken und mehrere Tests pro Woche fordern Dresdner Eltern. Sonst müssten die Schulen geschlossen bleiben.
Weniger Notendruck, Masken und mehrere Tests pro Woche fordern Dresdner Eltern. Sonst müssten die Schulen geschlossen bleiben. © Symbolbild: Matthias Balk/dpa

Dresden. Kinder und Jugendliche müssten in den Mittelpunkt des Denkens über die Pandemie gestellt werden. Das fordern jetzt Dresdner Eltern in einem offenen Brief an Minsterpräsident Michael Kretschmer und Kultusminister Christian Piwarz (beide CDU) sowie an Sozialministerin Petra Köpping (SPD). Der Brief soll am Dienstag übergeben werden, so Grünen-Stadträtin Andrea Mühle, die zu den Unterzeichnern gehört.

Forderung 1: Schließung der Schulen und Kitas

Die Unterzeichner fordern die sofortige Schließung aller Schulen und Kitas, und zwar so lange, bis die Sieben-Tage-Inzidenz wieder deutlich unter 100 gesunken ist. Es sei inzwischen wissenschaftlich belegt, dass der Besuch von Kitas und Schulen zur Verbreitung des Virus in erheblichem Maße beitragen könnte, so die Unterzeichner Andrea Mühle, Claudia Hultsch und Anja und Andreas Traut.

"Wir möchten, dass unsere Kinder die Möglichkeit zum Schulbesuch haben. Aber uns Eltern und unseren Kindern ist es ebenso wichtig, dass das Risiko des Schulbesuchs durch Ausnutzung aller vorhandenen und von der Wissenschaft empfohlenen Möglichkeiten reduziert wird", schreiben sie. Es könne nicht sein, dass "Schule auf" oder "Schule zu" die einzigen Möglichkeiten seien. Durch Tests, Hygienemaßnahmen und Digitalisierung würden sich Chancen für eine sichere und gerechtere Bildung auch unter Pandemiebedingungen bieten.

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Forderung 2: Mehr Tests an Schulen

"Wir fordern möglichst umfassende Tests als grundlegende Voraussetzung für jeden Öffnungsschritt, insbesondere für die Öffnung der Schulen." Ohne flächendeckende und regelmäßige Tests sei dies unverantwortlich, so die Eltern weiter. Bei einer Wiedereröffnung müsse der Schulbesuch mit mindestens zwei wöchentlichen Tests verbunden sein. Dabei müsse geprüft werden, ob durch Pool-Tests die Angst vor einer Stigmatisierung bei einem positiven Ergebnis abgebaut werden könnte. Außerdem fordern die Eltern eine Testpflicht für Lehrer, sonstiges Personal an Schulen und Erzieher in Kitas, ebenfalls mindestens zweimal je Woche. Die Tests sollten als Selbsttests durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden.

Forderung 3: Wechselunterricht beibehalten

An den weiterführenden Schulen soll der Wechselunterricht mindestens bis zum Erreichen einer Inzidenz von 35 fortgesetzt werden. An Grundschulen soll bis zum Erreichen einer Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Wechselunterricht eingeführt werden, der übernehme dann die Funktion der Notbetreuung, so die Eltern. Die Präsenzpflicht an allen Schulen sollte mindestens bis zu den Sommerferien ausgesetzt werden. Dies ermögliche Familien mit Kindern oder Angehörigen aus einer Risikogruppe eine eigenverantwortliche Entscheidung. "Für diese Kinder sollte die notwendige Unterstützung der Schulen gewährleistet werden", schreiben die Unterzeichner. Es solle geprüft werden, wie eine zentral organisierte Betreuung dieser Kinder realisiert werden kann. Die Eltern schlagen zum Beispiel einen Lehrer dafür vor, der auch zur Risikogruppe gehört und nicht in Präsenz tätig werden könne.

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Forderung 4: Maskenpflicht und Luftreiniger

Die Unterzeichner des Briefes fordern außerdem, dass die Maskenpflicht an allen Schulen auch während des Unterrichts eingeführt oder beibehalten wird. Auch der im Wechselunterricht mögliche Abstand von 1,50 Meter verhindere nicht die Ansteckung über Aerosole, insbesondere in wenig oder nicht ausreichend belüfteten Klassenzimmern, begründen sie die Forderung. Außerdem sollten Luftreiniger für die Klassenräume angeschafft werden.

Forderung 5: Unterstützung und kein Notendruck

Kinder und Jugendliche, die an Homeschooling-Tagen keine ausreichende Unterstützung durch ihre Eltern bekommen könnten, weil diese nicht im Homeoffice arbeiten, sollen unterstützt werden. "Das kann durch regelmäßige Betreuung durch die Schulsozialarbeiter, sozialpädagogische Angebote in den Stadtteilen, Pädagogikstudierende oder durch Lehrer über Videokonferenz oder in Einzel- oder Kleingruppenbetreuung erfolgen", so die Eltern. Kein Kind dürfe in der Pandemie zurückgelassen werden.

Für dieses Schuljahr solle der Notendruck minimiert werden. "Schüler und Lehrer leisten seit einem Jahr so viel, um mit den Auswirkungen der Pandemie fertig zu werden. Daher sollte Wissensvermittlung entsprechend des Wissenserwerbs in den häuslichen Lernzeiten erfolgen", heißt es in dem Brief. Der Fokus müsse darauf liegen, Ungleichheiten auszugleichen, und nicht so viele Zensuren wie möglich zu vergeben.

Der Hintergrund: Kinder infizieren sich aktuell häufiger

In Dresden haben sich in der vergangenen Woche 22.640 Schüler ab der fünften Klasse selbst getestet. Bei 18 von ihnen fiel das Ergebnis positiv aus. Es handelt sich dabei um bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Infektionen. Daneben gibt es diejenigen Kinder und Jugendlichen, die bei einem Arzt positiv getestet wurden, weil sie Symptome oder engen Kontakt zu einem Infizierten hatten.

Die Gesamtzahlen hat das Robert-Koch-Institut (RKI). Demnach sind in der vergangenen Woche 35 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren positiv auf das Coronavirus getestet worden. Ob die Schultest-Ergebnisse dort schon enthalten sind, ist unklar. Denn die Schnelltest-Ergebnisse müssen zunächst per PCR-Test bestätigt werden. Erst anschließend werden sie an das RKI gemeldet.

Im Grundschulalter – dort sind Tests für den Schulbesuch bislang nicht verpflichtend – sind dem RKI in der vergangenen Woche 41 Fälle übermittelt worden. Damit liegt die Inzidenz in der Gruppe der Kinder zwar immer noch am niedrigsten, sie steigt aber derzeit im Vergleich zu den älteren Generationen schneller.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass Kinder seltener schwer an Covid-19 erkranken als Erwachsene, und dass sie das Virus eventuell seltener übertragen, so bestehe natürlich immer die Gefahr, dass sich Lehrer, Erzieher, Eltern und Großeltern ansteckten, hatte Professor Michael Albrecht, der medizinische Vorstand des Dresdner Uniklinikums, in der vergangenen Woche der in einem Gespräch mit der SZ gesagt. Er plädiert deshalb bei einem neuen, harten Lockdown dafür, dass auch Kitas und Schulen wieder geschlossen werden.

Ohnehin sind die Folgen schon jetzt groß, wenn nur ein Schüler an einer Schule oder Kita positiv getestet wird. Dann müssen nämlich alle engen Kontaktpersonen in Quarantäne – zwei Wochen lang. Das sind in der Regel alle Kinder und Jugendlichen derselben Klasse beziehungsweise derselben Kindergartengruppe sowie die Lehrer und Erzieher, die vor der Klasse standen oder die Gruppe betreut haben.

Mit Stand vom Montagmittag befinden sich 1.588 Kinder und Jugendliche sowie Erzieher und Lehrer in Quarantäne. Neue Corona-Fälle sind unter anderem von der Robinson-Förderschule an der Schweizer Straße sowie von der Semper-Berufsfachschule an der Semperstraße gemeldet worden, so das Gesundheitsamt.

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