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Kompromiss im Streit um Dresdens Sozialwohnungen?

Wie viele Sozialwohnungen private Investoren schaffen müssen, ist umstritten. Jetzt gibt es einem Vorschlag zur Einigung und erneut Kritik daran.

Von Andreas Weller
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An der Ulmenstraße hat die WID Sozialwohnungen gebaut, für private Investoren wird um eine Quote gerungen.
An der Ulmenstraße hat die WID Sozialwohnungen gebaut, für private Investoren wird um eine Quote gerungen. © Marion Doering

Dresden. Seit mehr als zwei Jahren gibt es in Dresden Streit darum, wie viele Sozialwohnungen von privaten Bauherren verpflichtend geschaffen werden müssen. Damals wurde die bisherige Regelung von 30 Prozent halbiert. Auslöser war ein Antrag der Freien Wähler.

Der Beschluss wurde von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gekippt, weil er rechtswidrig war. Aber Hilbert ist selbst für 15 Prozent Sozialwohnungsquote und Investoren klagen gegen die Vorgabe von 30 Prozent. Deshalb wird seitdem unter den Stadträten um eine Lösung gerungen. Jetzt gibt es eine Variante, die mehrheitsfähig sein könnte. Wie diese aussieht und weshalb dennoch einige dagegen sind.

Wie ist die Ausgangslage?

Rund 82.000 Mietwohnhaushalte in Dresden haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, also darauf, eine für sie bezahlbare Wohnung zu bekommen. Das betrifft bei weitem nicht ausschließlich Dresdner, die auf Leistungen wie Hartz IV angewiesen sind, sondern auch viele, die für ihre Arbeit nur ein geringes Einkommen erhalten.

Diese mietpreisgebundenen Wohnungen sind aber rar, auch wenn deren Bau vom Land gefördert wird. Der Freistaat hat die Förderung sogar ausgedehnt, zahlt bis zu 35 Prozent der Baukosten, also maximal 3,80 Euro pro Quadratmeter. Dafür müssen die Investoren sich für Jahre daran binden, entsprechend weniger Miete zu verlangen. Ziel sind etwa sieben Euro Kaltmiete pro Quadratmeter.

Wie sieht der Kompromiss aus?

Bei dem Streit geht es darum, wie viele Sozialwohnungen Bauherren schaffen müssen, wenn sie Mehrfamilienhäuser in Dresden errichten. Monatelang haben CDU, Grüne, Linke, SPD und FDP nun miteinander verhandelt - CDU und FDP sind für geringere Vorgaben für die Investoren, die anderen wollen mehr Sozialwohnungen.

Künftig sollen für Projekte bis 120.000 Quadratmeter 15 Prozent Sozialwohnungen vorgeschrieben werden, darüber dann 30 Prozent. In Wohnungen gerechnet seien das laut den Fraktionen 100. Das bedeutet beispielsweise für Projekte wie Herzogin Garten mit rund 200 Wohnungen: von den ersten 100 Wohnungen müssen 15 Prozent Sozialwohnungen sein und von den weiteren 100 Wohnungen 30 Prozent. So käme man auf 45 Sozialwohnungen und eine Quote von 22,5 Prozent. Bei größeren Projekten, beispielsweise der Lignerstadt, mit rund 400 Wohnungen, müssten 105 Sozialwohnungen geschaffen werden - macht mehr als 26 Prozent.

Projekte mit bis zu 20 Wohnungen fallen unter eine Bagatellgrenze, sodass keine Sozialwohnungen gebaut werden müssen. Auch Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser werden ausgenommen und Stadtgebiete, in denen es bereits mehr als 50 Prozent Sozialwohnungen gibt. Das betrifft Reick und die Johannstadt. Dort müssen ebenfalls keine Sozialwohnungen entstehen.

Das Ziel ist es, mit der Grenze von 100 Wohnungen vor allem Dresdner Bauunternehmen entgegenzukommen, weil diese eher kleinere Projekte umsetzen. Die großen Konzerne könnten durchaus zu einem höheren Anteil an Sozialwohnungen verpflichtet werden.

Wer ist für diese Regelung und weshalb?

"Im Stadtrat ist die Mehrheit unklar", so Grünen-Stadtrat Thomas Löser. Bei der Abstimmung im Oktober 2020 hing es von einer Stimme ab. "OB Hilbert hat 15 Prozent vorgeschlagen, das ist viel zu wenig, aber im Zweifel kommt diese Regelung", befürchtet Löser. Es seien ausreichend Fördermittel vom Land da, diese würden derzeit nur nicht komplett abgerufen. Deshalb müsse eine dauerhafte Lösung her.

Durch den Kompromiss könne jetzt ein Weg gefunden werden, zumindest einen Teil der benötigten Wohnungen zu bauen. Die Verwaltung habe den Parteien vorgerechnet, dass bei den anstehenden Bauprojekten für die kommenden Jahre mit einer Quote von 30 Prozent 1.600 Sozialwohnungen gebaut werden, bei 15 Prozent wären es nur 800 und mit dem Kompromiss käme man auf rund 1.300. "Wir hätten uns mehr gewünscht", so Löser. "Aber alleine können wir das nicht durchsetzen."

Dresden würde erhebliche Probleme bekommen, wenn nur 15 Prozent gefordert werden, so SPD-Stadtrat Vincent Drews. "30 Prozent sind eigentlich das Minimum, wir würden uns mehr wünschen." Das sei aber das Ergebnis der Verhandlungen. "Wenn wir irgendwann andere Mehrheiten im Stadtrat haben, können wir gerne mehr beschließen. Das Wichtigste ist jetzt erstmal, die 15 Prozent zu verhindern." Die Linke hat sich noch nicht klar zu dem Kompromiss positioniert. Ihr ist die Quote eigentlich zu niedrig.

Die FDP sei dagegen eher für 15 Prozent generell. "Deshalb sind wir nicht ganz zufrieden", so FDP-Stadtrat Christoph Blödner. Aber wichtig sei eine langfristige Lösung. Die CDU hätte lieber die 15 Prozent bis 150 oder 200 Wohnungen gehabt, sagt CDU-Stadtrat Ingo Flemming. Grüne und SPD hätten dagegen ab 50 Wohnungen bereits 30 Prozent haben wollen. "So ist es ein Gesamtpaket, das für uns passt", so Flemming.

Weshalb gibt es dennoch Kritik?

Harsche Kritik am Vorschlag gibt es von Dissidenten-Stadtrat Michael Schmelich. "In dem Vorschlag wird ausgeführt, dass Dresden eigentlich mindestens 30 Prozent benötigt. Stattdessen wird das Angebot an Wohnungen mit sozial-verträglichen Mieten aber verknappt. Das ist paradox."

Schmelich fordert, statt jetzt Regeln festzulegen, eine breite Diskussion mit den Dresdnern und eine öffentliche Anhörung zum Thema. "Die Absenkung ist ein politischer Fehler und macht diesen Kompromiss nicht besser." Er werde als Änderung eine deutlich höhere Quote beantragen - "in Richtung München und Frankfurt", dort werden bis zu 50 Prozent vorgegeben.