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Bombenfunde in Dresden: Wie groß ist die Gefahr für Baggerfahrer?

Immer wieder werden bei Bauarbeiten Blindgänger entdeckt, meist durch Baggerfahrer. Schweben diese in Lebensgefahr? Und wer trägt die Kosten der Entschärfung? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Bombenfunden in Dresden.

Von Dominique Bielmeier & Nora Domschke
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An einer Tankstelle in Dresden-Übigau wurde am Donnerstagmorgen ein Blindgänger gefunden.
An einer Tankstelle in Dresden-Übigau wurde am Donnerstagmorgen ein Blindgänger gefunden. © Roland Halkasch

Dresden. An einer Tankstelle in Dresden-Übigau wurde am Donnerstagmorgen eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe gefunden. Laut der Polizei muss sie vor Ort entschärft werden.

Doch wie werden Bomben üblicherweise unschädlich gemacht, wer trägt die Kosten für Evakuierung und Entschärfung und welchem Risiko sind Baggerfahrer ausgesetzt, wenn sie auf einen Blindgänger stoßen?

Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zu Bombenfunden in Dresden.

Wie häufig werden Fliegerbomben in Dresden gefunden?

Mal werden zwei, drei Jahre lang gar keine Bomben in Dresden entdeckt, mal sind es gleich mehrere. 2013 schrieb die Sächsische Zeitung sogar vom "Jahr der Blindgänger": Baggerfahrer André Nitzsche hatte damals, Anfang Dezember, gleich zwei Fliegerbomben in Striesen ausgegraben, wenn auch die zweite bereits unter Aufsicht eines Kampfmittelräumers.

Schon am 6. September jenes Jahres war auf der Baustelle für eine neue Rettungswache in der Johannstadt ein Blindgänger entdeckt worden. Und am 22. Januar hatte ein Baggerfahrer auf dem Gelände einer Schule in der Pirnaischen Vorstadt eine amerikanische Fliegerbombe erwischt.

An einem weiteren 22. Januar, drei Jahre später, wurde eine Fliegerbombe auf der Baustelle für die Ballsportarena an der Magdeburger Straße gefunden. Auch am 30. September 2016 wurde ein Blindgänger von Arbeitern entdeckt: Er lag auf einer Baustelle in Räcknitz. Im Jahr 2014 wurde dagegen "nur" eine Bombe in Altreick gefunden und entschärft.

2018 kam es zu einer Teildetonation bei der Entschärfung einer Bombe in Löbtau Ende Mai. Mehr als zwei Tage dauerte der Ausnahmezustand. Es war die mit Abstand größte Evakuierungsaktion seit dem letzten großen Hochwasser. Eine vermeintliche Bombe, die Anfang Oktober im Ostragehege gefunden wurde, stellte sich stattdessen nur als Wasserrohr heraus.

Am Nachmittag des 12. November 2021, einem Freitag, wurde ein Blindgänger in einer Baugrube nahe der Ecke Fröbelstraße/Emerich-Ambros-Ufer gefunden. Ein knappes Jahr später, am 5. Oktober 2022, fanden Bauarbeiter an der Friedrichstraße eine scharfe Fliegerbombe, die am Nachmittag des nächsten Tages erfolgreich entschärft werden konnte.

Zuletzt wurde im April 2023 eine Weltkriegsbombe in der Zwickauer Straße im Stadtteil Plauen gefunden. Im Vorfeld mussten etwa 15.000 Personen in Dresden-Plauen evakuiert werden. Damit handelte es sich um die größte Evakuierungsmaßnahme im Zusammenhang mit einer Weltkriegsbombe in Dresden.

250 explosive Kilos, auch nach fast 80 Jahren: Dieser Bildgänger aus dem Zweiten Weltkrieg wurde am 6. Oktober 2022 in Dresden-Friedrichstadt entschärft.
250 explosive Kilos, auch nach fast 80 Jahren: Dieser Bildgänger aus dem Zweiten Weltkrieg wurde am 6. Oktober 2022 in Dresden-Friedrichstadt entschärft. © Robert Michael/dpa

Wie werden Blindgänger entschärft und warum war das bei der Bombe in der Friedrichstadt 2022 so schwierig?

Es gibt verschiedene Methoden, um einen Blindgänger zu entschärfen, erklärt Andreas Weiner vom Polizeiverwaltungsamt, zu dem der Kampfmittelbeseitigungsdienst gehört: Fernentschärfung, zum Beispiel durch eine Wasserstrahlschneidanlage, Raketenklemme oder Seilscheibe, und Handentschärfung. Bei letzterer wird der Zünder von Hand mit einer Zange herausgedreht.

Die 2022 gefundene US-Fliegerbombe in der Friedrichstadt konnte nicht per Hand entschärft werden, da ihr Zünder stark deformiert war. Deshalb sei nur das Fernentschärfungsverfahren infrage gekommen, konkret die Wasserstrahlschneidanlage, sagt Weiner. Mit einem komprimierten Wasser-Sand-Strahl wurde der Zünder vom Sprengstoff getrennt und danach noch vor Ort in die Luft gesprengt. Wäre das nicht möglich gewesen, hätte der ganze Blindgänger vor Ort gesprengt werden müssen, hatte Sprengmeister Robert Ludewig nach der erfolgreichen Entschärfung erklärt.

Andreas Weiner vom Polizeiverwaltungsamt bestätigt das: "Da es sich bei den Arbeiten an den Kampfmitteln stets um einen Entschärfungsversuch handelt, wäre im Falle eines Misserfolges eine Sprengung erforderlich gewesen."

Wie groß ist die Gefahr für Baggerfahrer, die auf eine Bombe stoßen?

Vielen Baggerfahrern dürfte mulmig sein, wenn sie in Dresden eine neue Baugrube ausheben - zu viele Geschichten über aufgeschaufelte Blindgänger gibt es mittlerweile. Manchmal kratzt die Baggerschaufel auch "nur" über die Bombe, bevor diese erkannt wird. Wie groß ist die Gefahr, dass das Sprenggut schon bei dieser groben Behandlung hochgehen könnte? Und ist das in Dresden bereits einmal passiert?

Laut Andreas Weiner ist dem Kampfmittelbeseitigungsdienst keine ungeplante Detonation einer gefundenen Bombe in Dresden bekannt. Deshalb sind bisher glücklicherweise auch keine Menschen, zum Beispiel Baggerfahrer, verletzt worden.

Doch das Risiko ist durchaus real, wie Weiner sagt: "Grundsätzlich ist die Gefahr der Umsetzung eines Kampfmittels immer gegeben." Dabei sei "mit einem entsprechenden Personenschaden der Baumaschinenführer und gegebenenfalls Beteiligten in der unmittelbaren Umgebung zu rechnen". 2014 detonierte ein Blindgänger bei Baggerarbeiten in Euskirchen bei Bonn, der Baggerfahrer kam ums Leben, acht Menschen wurden verletzt.

Wird der Boden bereits vor dem Beginn von Bauarbeiten auf Bomben überprüft?

Um das Risiko für Baggerfahrer zu minimieren, muss der Bauherr schon bei der Vorbereitung seines Bauvorhabens Auskünfte über die Kampfmittelbelastung einholen, erklärt Weiner. Dafür zuständig sei in der Regel die Kommune. "Anhand der Empfehlung der Behörde sind gegebenenfalls weiterführende Maßnahmen einzuleiten, wie beispielsweise die vorsorgliche Sondierung der Fläche", so Weiner. Dafür sei ebenfalls der Bauherr verantwortlich.

Wer trägt die Kosten für Evakuierung und Entschärfung?

Die Kosten für die Evakuierung aufgrund eines Bombenfundes werden durch die zuständige Kommune getragen, erklärt Weiner vom Polizeiverwaltungsamt. Entschärfungs- und Entsorgungskosten würden in der Regel vom Land getragen.

Der Geschäftsbereich Ordnung und Sicherheit der Stadt Dresden spricht im Rahmen von Bombenentschärfungen von durchschnittlich 20.000 Euro im Jahr, die zum Beispiel für Feuerwehr, Rettungsdienst und Evakuierungen anfallen. Die Kosten seien jedoch stark abhängig vom Aufwand. In den Jahren 2011 und 2012 habe es beispielsweise keine Ausgaben gegeben, im Jahr 2018 gab es dafür gleich zwei Kampfmittelfunde, von denen sich einer über drei Tage hinzog.

Wie viele Weltkriegsbomben könnten noch in Dresdens Boden liegen?

Schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen Bomben haben die Alliierten im Zweiten Weltkrieg über dem deutschen Reichsgebiet abgeworfen. Einige Experten gehen davon aus, dass zehn bis 15 Prozent dieser Bomben damals nicht detonierten und als Blindgänger teilweise bis heute im Boden stecken - auch in Dresden. Hier warfen britische Bomber in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 tausende Sprengsätze und Brandbomben ab. Die Altstadt wurde fast vollständig zerstört.

Gibt es eine Schätzung, wie viele Blindgänger heute noch in Dresdens Boden schlummern? Laut Andreas Weiner ist diese leider nicht möglich. In einer früheren Anfrage zu diesem Thema hatte das Polizeiverwaltungsamt bereits erklärt, dass nicht einmal klar sei, ob die Flugzeug-Beladungslisten der Briten und Amerikaner, mit denen der Kampfmittelbeseitigungsdienst arbeitet, richtig sind.

Außerdem seien in den Nachkriegsjahren viele Blindgänger entschärft und weggeräumt worden. Listen wurden darüber jedoch nicht geführt. Andere Bomben wurden zwar von Trupps, die durch Dresden zogen, unschädlich gemacht, danach allerdings wieder verbuddelt. Vermutlich auch deshalb, weil es damals viel für die Entschärfer zu tun gab. (mit SZ/sr/csp)