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Dresdens OB Dirk Hilbert will mehr Macht bei Finanz-Alleingängen

Oberbürgermeister Dirk Hilbert will die Hauptsatzung, eine Art Grundgesetz der Stadt Dresden, ändern. Er bekäme so unter anderem mehr Macht während neuer Pandemien.

Von Dirk Hein
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Will mehr Macht in Finanz-Fragen: Dresdens OB Dirk Hilbert.
Will mehr Macht in Finanz-Fragen: Dresdens OB Dirk Hilbert. © Sven Ellger

Dresden. Hauptsatzung der Landeshauptstadt, Geschäftsordnung des Stadtrates, Entschädigungssatzung der Stadträte: OB Dirk Hilbert (FDP) will wichtige Regelwerke im politischen Dresden anfassen. Teils geht es um Kleinigkeiten, teils sollen Machtfragen neu geregelt werden.

Mehr Macht in Notlagen und bei Grundstücksgeschäften

Die Hauptsatzung der Landeshauptstadt regelt als eine Art lokales Grundgesetz relevante politische Entscheidungen. Darin sind unter anderem Aufgaben und Rechte der Stadtbezirke geregelt. Die Anzahl der Bürgermeister in Dresden wird festgelegt, es sind Regeln zu Bürgerbegehren und Petitionen hinterlegt. Änderungen daran bedürfen einer absoluten Stimmenmehrheit, eine einfache Mehrheit reicht nicht.

Mit so einer absoluten Mehrheit will sich der OB jetzt neue Sonderrechte einräumen lassen. Konkret hätte Hilbert nach einer durch den Rat festgestellten "Sondersituation" das Recht, Verträge und Leistungen bis zu fünf Millionen Euro pro Vorgang selbst anzuweisen, solange dafür genug Geld da ist und der Zweck klar definiert ist - die Bewältigung einer Sondersituation.

Der OB könnte zudem in unbegrenzter Höhe Grundstücke für den Bau kommunaler Wohnungsbauvorhaben erwerben, wenn die "Angemessenheit des Preises dokumentiert" ist. Im Rahmen von Zwangsversteigerungen, Vorkaufsrechten und bei "strategischen Flächenankäufen für gewerbliche Entwicklungen" soll das Budget des OBs deutlich erhöht werden. Bislang galten Obergrenzen von 150.000 Euro bis 500.000 Euro. Diese sollen jetzt zumeist auf zwei Millionen Euro erhöht werden. Mehreinnahmen könnte der OB bis zu einer Million Euro nach seinen Plänen ausgeben. Der Stadtrat wird dazu frühestens Ende Januar entscheiden.

So reagieren Räte auf den Hilbert-Plan

Stadträtin Andrea Mühle (Grüne) kritisiert, dass "weitreichende Vergrößerungen in der Zuständigkeit des Oberbürgermeisters vorgeschlagen werden, wo doch inzwischen schon die Kämmerei und das Rechnungsprüfungsamt im Geschäftsbereich des OBs liegt". Die angedachte "Verschlankung der Vergabeprozesse" im Krisenfall könne sich positiv auswirken, allerdings blieben Fragen offen. Auch fehle teilweise die notwendige Transparenz in einigen Prozessen, "die umso notwendiger ist, da der Oberbürgermeister faktisch gleichzeitig Bürgermeister für Finanzen ist".

Die Pläne lösen bei einigen Stadträtin Bedenken aus. "Herr Hilbert geht erneut auf Konfrontationskurs zum Stadtrat. Der Machthunger des Oberbürgermeisters scheint keine Grenzen zu kennen", sagt Linke-Chef André Schollbach. Hilbert plane, die Rechte des Stadtrates zu beschneiden und seine Macht immer weiter auszudehnen. Schollbach kritisiert zudem den Zeitpunkt, an dem der OB seine Pläne vorstellt. "Im Juni wird ein neuer Stadtrat gewählt. Damit sind weitere Änderungen bereits jetzt absehbar."

Aus Sicht von FDP-Rat Robert Malorny ist das höhere Budget für den Kauf von Gewerbegrundstücken in Ordnung. "Damit muss der OB nicht monatelang auf eine Entscheidung des Stadtrates warten. Gewerbeflächen braucht die Stadt dringend für Unternehmer, die sich neue Standorte suchen müssen, wie wir gerade am künftigen TSMC-Standort sehen." Etwa 30 Nachbar-Unternehmen der künftigen TSMC-Fabrik in Dresden ist gekündigt worden. Jetzt fehlen Ausweichgrundstücke.

So begründet der OB seinen Plan

Zum einen begründet Hilbert den späten Zeitpunkt seiner Vorlage. Demnach hätte die Verwaltung schon 2019 einen Vorschlag mit wichtigen Änderungen einbringen wollen. Dieser sei aber wegen "fortbestehendem Beratungsbedarfs nicht in die Gremien gelangt" und wurde lediglich in einer Arbeitsgruppe thematisiert.

Die höheren finanziellen Spielräume im eigenen Ermessensbereich begründet der OB mit einer "Optimierung des städtischen Krisenmanagements". Die Ergänzung einer höheren Wertgrenze für Sondersituationen geht laut Hilbert auf eine Empfehlung aus dem Abschlussbericht zur Evaluation des Krisenmanagements während der Corona-Pandemie zurück.

Diese Untersuchung lege nahe, die bereits vorhandenen Möglichkeiten des Vergaberechts zu nutzen und innerhalb der Hauptsatzung "eine Verschlankung der Prozesse in Krisenzeiten zu verankern". So sollen beispielsweise Sondersitzungen seltener nötig werden. Während der Corona-Pandemie musste der Rat auch tagen, weil sonst wichtige Beschlüsse nicht hätten getroffen werden können.

Bei den Grundstücksangelegenheiten bliebe Hilbert hinter Forderungen aus dem Rat zurück, dort sei "teilweise" ein pauschales Ankaufsrecht in unbegrenzter Höhe vorgeschlagen worden.

Was Hilbert noch ändern will

Frühestes Ende Februar 2024 wird der Stadtrat auch über die eigene Entschädigungssatzung entscheiden. Damit soll ein Kritikpunkt der letzten Jahre beseitigt werden. Bisher konnten Stadträte entscheiden, ob sie lieber im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit kostenlos parken wollen oder ob sie ein DVB-Monatsabo möchten. Jetzt soll ein Geldbetrag in Höhe der Monatskarte für die Tarifzone Dresden ausgezahlt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt soll ebenfalls angegangen werden: Aus Sicht der Stadt könnten Verdienstausfälle der Räte bereits in den monatlichen Grundbetrag und in die Sitzungspauschale einberechnet werden. Bislang erhalten selbstständige Räte jedoch teilweise eine doppelte Bezahlung, wenn Sie einen Verdienstausfall "glaubhaft machen" können. Angestellte Räte müssen so einen Ausfall "nachweisen". Einzelne Räte kritisieren das als Ungleichbehandlung. Ob die Regelung im Sinne der Stadt abgeändert wird, ist offen.

Weniger Rederechte im Rat geplant

OB Hilbert will auch die Geschäftsordnung des Rates anpassen. So soll die Redezeit der Fraktionen teilweise von fünf auf drei Minuten verkürzt werden. Diese Anpassung erfolgte in den vergangenen Sitzungen so bereits auf Antrag der Grünen. Der Rat will mit weniger Redezeit mehr Themen schaffen.

Ebenfalls um mehr Zeit für Diskussionen und Abstimmung zu schaffen, soll die Anzahl der Aktuellen Stunden auf eine pro Fraktion und Jahr begrenzt werden. Pro Sitzung könnte zukünftig nur noch eine Aktuelle Stunde stattfinden. Die Einwohnerfragestunde soll nicht mehr im Rat, sondern im Ausschusses für Petitionen und Bürgerbeteiligung stattfinden. Auch das ist umstritten, würde aber die Zeit im Rat für Diskussionen und Beschlüsse weiter erhöhen. Der Rat soll darüber ebenfalls Ende Januar abstimmen.