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Entferntes Mahnmal auf dem Altmarkt in Dresden: "Es sind Fehler passiert"

Auf dem Altmarkt wurde eine Gedenkinschrift für die Opfer des 13. Februars entfernt. Jetzt hat Dresden erklärt, wie es dazu kommen konnte - und ob es Konsequenzen gibt.

Von Dirk Hein
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Die Inschrift an der Gedenk-Bank auf dem Altmarkt wurde entfernt. Viele der Blumen und Kerzen stehen dort neu als Protest.
Die Inschrift an der Gedenk-Bank auf dem Altmarkt wurde entfernt. Viele der Blumen und Kerzen stehen dort neu als Protest. © Sven Ellger

Dresden. Kurz vor dem diesjährigen Gedenken an den 13. Februar steht einer der zentralen Erinnerungsorte daran plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ohne jede Ankündigung zerstörten Arbeiter vor wenigen Tagen die Gedenk-Inschrift an die Opfer des 13. Februar 1945 am Eingang zur Altmarkt-Tiefgarage. Zeitgleich wurde der Erklär-Text der kaputten Stele auf dem Altmarkt verändert. All das sorgte für viel Unmut und Proteste. Am Freitag hat sich die Stadtverwaltung umfassend erklärt.

Wer genau ließ die Gedenk-Inschrift entfernen?

Anfang der Woche herrschte große Hektik im Rathaus. Weder OB Dirk Hilbert, noch die zuständigen Bürgermeister wussten, warum und durch wen die Gedenk-Inschrift aus der Sandstein-Bank gefräst wurde. Mittlerweile ist das klar. Die Gedenk-Inschrift ist Teil des Eingangs zur Tiefgarage unter dem Altmarkt und gehört baulich nicht der Stadt, sondern den Eigentümern der Tiefgarage.

Seit Jahren gibt es Streit darum, ob der Gedenkort überhaupt würdig ist. Menschen nutzen die Bank zum Sitzen und Essen, verdecken somit die Inschrift. Immer wieder kommt es zu Verschmutzungen, auch durch Graffiti. Seit Jahren will der Eigentümer der Tiefgarage daher, dass der Schriftzug verschwindet.

So sah das Denkmal auf dem Altmarkt in Dresden vor seiner Zerstörung aus.
So sah das Denkmal auf dem Altmarkt in Dresden vor seiner Zerstörung aus. © Steffen Füssel (Archivfoto)

Weil auch der Rat die Gedenkstätte zumindest umgestalten wollte, wurde durch die Leiter des Straßen- und Tiefbauamtes und des Amtes für Wirtschaftsförderung im Dezember 2022 ein Vertrag über die Entfernung unterzeichnet. "Leider wurden die übergeordneten Führungsebenen nicht über diese Vereinbarung informiert", sagt Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne).

In dem Vertrag verpflichtet sich die Landeshauptstadt, während der Bauzeit der Altmarkt-Sanierung die an der Natursteinbank befindliche Gedenkschrift "auf eigene Kosten fachgerecht entfernen zu lassen". Die Kosten dafür liegen bei etwa 2.500 Euro.

"Es ist ein Fehler gemacht worden von Menschen, die zuallererst die Aufgabe hatten, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dass der Altmarkt nach der Sanierung wieder genutzt wird. Dort sind Fragen der Erinnerungskultur nicht zuerst auf dem Tisch", sagt Kühn weiter.

Warum wurde der Erklär-Text der Stele geändert?

Seit Anfang 2020 erklärt eine Inschrift auf dem Altmarkt die oft als unwürdig kritisierte Gedenksituation auf dem Platz. Die Stele stand wenige Meter entfernt von der in den Boden eingelassene Metallspur des Künstlers Einhart Grotegut aus dem Jahr 2005 samt deren Inschrift und der Inschrift auf der Gedenk-Bank am Eingang zur Tiefgarage.

Am 11. Oktober 2023 wurde die Stele bei den Bauarbeiten auf dem Altmarkt beschädigt. Doch statt die Stele einfach neu aufzustellen, wurde der Text darauf durch das Amt von Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch verändert. In der neuen Text-Variante taucht zum Beispiel erstmals die Zahl der 25.000 Toten auf, die bei den Bombenangriffen auf Dresden starben. Diese Aussage war lange umstritten. 2010 konnte eine Historikerkommission unter Mitwirkung von Zeitzeugen nach Auswertung aller Dokumente die Zahl der Toten erstmals ausreichend sicher bestimmen.

Mehrere Räte hatten kritisiert, dass so eine Textänderung einer Zustimmung durch den Rat bedurft hätte. Klepsch spricht hingegen von "redaktionellen Anpassungen" eines bestehenden Textes. Es habe keine Umdeutung, sondern eine Präzisierung stattgefunden. Der Zeitdruck für die Anpassungen sei im Rahmen der Arbeiten auf dem Altmarkt groß gewesen. Ein Vergleich mit den Obelisken in Nickern sei nicht möglich. Dort sei, in Zusammenarbeit mit dem Rat, in jahrelanger Detailarbeit ein komplett neuer Text entstanden.

Welche Konsequenzen hat der Denkmal-Streit?

"Im Rathaus ist ein Fehler passiert. Es gab keine Kommunikation aus den Ämtern an die Leitungsebene. Mit dem Gedenkort ist dadurch unsensibel umgegangen worden. Das ärgert uns", sagt Kühn.

"Ich bedauere es, dass die Inschrift entfernt worden ist. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, das es viele Beschwerden zum Beispiel über die Umnutzung der Gedenkbank als Sitz- und Essbank gab. Zudem ist die Initiative zur Entfernung vom Eigentümer der Tiefgarage ausgegangen", sagt Frau Klepsch.

Aktuell sollen die Metallspur im Boden und die am Freitag wieder neu aufgestellte Erklär-Stele zusammen ausreichen, um ein würdiges Gedenken auf dem Altmarkt zu ermöglichen. Laut Frau Klepsch soll aber im neu gegründeten Beirat Erinnerungskulturen zügig darüber diskutiert werden, wie den Opfern der Bombenangriffe "angemessen gedacht werden kann, auch durch bauliche Veränderungen".

Personelle Konsequenzen soll der Vorfall nicht haben. "Es wird niemand als Bauernopfer entlassen. In der Stadtverwaltung arbeiten Menschen, und die können auch Fehler machen", sagt Bürgermeister Kühn.