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"Überlegungen und Entwürfe": Wie zögernd sich Dresden für einen Blackout wappnet

Nach dem Stromausfall vom September 2021 will Dresden eigentlich besser vorsorgen. Eine neue Analyse zeigt: Passiert ist im Rathaus wenig.

Von Dirk Hein
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Das Dresdner Stromnetz ist sicher. Dennoch will sich die Stadt auf einen Blackout vorbereiten.
Das Dresdner Stromnetz ist sicher. Dennoch will sich die Stadt auf einen Blackout vorbereiten. © Symbolfoto: dpa/Philipp von Ditfurth

Dresden. Fahrstühle blieben stecken, Bahnen fuhren nicht, die Produktion stoppte: Eine Stunde lang waren große Teile von Dresden Mitte September 2021 ohne Strom. Obwohl die Sachsen-Energie schnell reagieren konnte und bereits eine Stunde später fast alle Kunden wieder Strom hatten, sitzt der Schock noch tief. Im Stadtrat wurde eine umfassende Analyse beauftragt, wie Dresden im Falle eines echten Blackouts aufgestellt wäre. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

"Blackout" oder "Lastabwurf": Was droht Dresden?

Ein sogenannter "Blackout" ist ein mehrere Tage andauernder, großflächiger Versorgungsausfall, bei dem in einem Großteil Deutschlands oder Europas "die Lichter ausgehen". Bislang gab es in Deutschland keinen Blackout und die Wahrscheinlichkeit dafür ist laut Experten extrem gering. Viola Martin-Mönnich, Sprecherin der Sachsen-Energie: "Aus unserer Sicht ist die Wahrscheinlichkeit für einen 'Blackout' auch in Dresden sogar gesunken, weil die Netzbetreiber Vorsorge getroffen haben, um die Netzstabilität zu erhöhen."

Eher denkbar ist ein "Lastabwurf", also dass Regionen oder Großkunden kontrolliert stundenweise vom Netz genommen werden, um das Stromnetz im Falle einer Lastunterdeckung zu stabilisieren und größere Ausfälle zu vermeiden. Grund dafür können Naturkatastrophen oder Extremwetterlagen sein. Doch auch das ist unwahrscheinlich. Viola Martin-Mönnich: "Derzeit gehen wir in unserer Region nicht von einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit von Lastunterdeckungen aus."

Aus Sicht des Versorgers besteht zudem "keine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit eines großflächigen Stromausfalls. Wir sind gut aufgestellt, selbst dann, wenn es einzelne Großkunden gibt, für die eine Gasabschaltung notwendig werden würde und die dann ihren erhöhten Bedarf teilweise im Strom geltend machen."

Könnte die Kritische Infrastruktur weiter funktionieren?

Dennoch will und muss sich Dresden vorbereiten. Nur passiert dies langsam. In einem ersten Schritt will die Verwaltung festlegen, was unter dem Begriff "Kritische Infrastruktur" überhaupt zu verstehen ist. "Dieser Prozess dürfte sich über mehrere Jahre erstrecken", so Bürgermeister Jan Donhauser (CDU) in Vertretung für einen noch immer fehlenden Ordnungsbürgermeister in einem Schreiben an den Rat. Die Verwaltung habe "Überlegungen und Entwürfe" für den Katastrophenfall.

Die Datenlage ist demnach nicht gut. Bei den bisherigen Übungen und Tests habe sich herausgestellt, dass die Pläne der Betreiber Kritischer Infrastruktur "möglicherweise tendenziell zu optimistisch gehalten sein dürften".

Kommt es zum Blackout, will Dresden ein Großtanklager an der Bremer Straße aktivieren, um zum Beispiel Kliniken zu versorgen. Zwingende Voraussetzung ist aber eine funktionierende Notstromversorgung des Tanklagers. Dafür hat der Rat im Januar 2022 zwei Millionen Euro bereitgestellt. Momentan liegt aber noch kein genehmigter Bauantrag vor.

Frühestens Ende 2024 soll die Notstromversorgung bereitstehen. Bis dahin ist es "mehr als fraglich, ob es Dresden bei einem Blackout-Szenario gelingen würde, eine Nachbetankung von Netzersatzanlagen der Kritischen Infrastruktur zu organisieren".

Würden Mobilfunkmasten in Betrieb bleiben?

Auch dazu liegen "keine belastbaren Informationen" vor. Das Rathaus geht davon aus, dass Mobilfunk "mindestens teilweise" funktionieren könne. Die Erfahrungen mit dem Stromausfall vom 13. September 2021 hätten gezeigt, dass es "immer wieder kurzzeitige Möglichkeiten der Mobilfunkkommunikation gegeben hätte".

Im Falle eines Blackouts vertraut Dresden auf das Sirenen-Warnsystem der Stadt. Die Erreichbarkeit von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst soll über die lokalen Dienststellen abgesichert werden. "Diese Objekte aufzusuchen wird im Blackout-Szenario die einzig verbleibende Möglichkeit darstellen, einen Notruf abzusetzen."

Wie will Dresden die Lebensmittelversorgung sichern?

Die Stadt wird im Falle eines längeren Stromausfalles nicht in der Lage sein, die Versorgung der "lebensnotwendigen Bedürfnisse der Bevölkerung sicherzustellen". Die Verwaltung nimmt keine Bevorratung von "Trinkwasser, Lebensmittel oder Medikamenten vor. Hier bleibt jeder einzelne gefordert".

Durch die Lage am Hang hat Dresden jedoch einen Vorteil. Viele Hochbehälter versorgen auch ohne Pumpen die Stadt eine Zeit lang mit Wasser. Für die Zeit danach arbeitet Dresden an einem Konzept. Demnach ist an fünf Standorten im Stadtgebiet der Einsatz von Netzersatzanlagen geplant, die 99,7 Prozent der Dresdner mit Trinkwasser versorgen sollen. Doch auch daran wird noch lange gearbeitet. Ende 2024 könnten die Arbeiten abgeschlossen sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Vor allem die CDU und die Freien Wähler/Freien Bürger setzen sich öffentlich für mehr Krisenvorsorge ein. Die aktuelle Analyse der Stadt geht aus einem CDU-Antrag hervor. Die Freien Wähler machen ein "Sonderprogramm Versorgungssicherheit" zu einem Hauptpunkt ihrer Fraktionsarbeit.

Nachdem alle Vorschläge der Fraktion abgelehnt wurden, die Investitionen mit dem neuen Doppelhaushalt abzusichern, soll nun der Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) helfen. Fraktionschef Jens Genschmar: "Der OB muss das Thema persönlich klären. Wir können weder warten bis es wieder einen zuständigen Bürgermeister für den Bereich Ordnung und Sicherheit gibt, noch bis die üblichen Verfahren zum Ergebnis führen."

Zudem investiert die Sachsen-Energie weiter in die Netze der Stadt. Allein 2022 waren dies 130 Millionen Euro für die Erneuerung und Erweiterung des Stromnetzes. Damit wurden "leistungsfähigere Mittelspannungsanlagen mit größeren Kabelquerschnitten gebaut. Hochspannungsleitungen werden für stärkere Wind- und Eislasten im Winter ausgelegt. Zudem errichten wir Umspannwerke mit höherem Automatisierungsgrad und erweiterter Fernsteuerbarkeit durch unsere Netzleitstelle", so Sprecherin Martin-Mönnich.