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„Das hat mich berührt und sprachlos gemacht“

Auch Torjäger Patrick Schmidt steht bei Dynamo auf der Streichliste. Trotz des Abstiegs behält er Dresden in guter Erinnerung.

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Staunend applaudiert Patrick Schmidt den Dynamo-Fans, die ihre Mannschaft nach dem Abstieg feiern. Nun blickt der Stürmer auf eine kurze, aber intensive Zeit in Dresden zurück.
Staunend applaudiert Patrick Schmidt den Dynamo-Fans, die ihre Mannschaft nach dem Abstieg feiern. Nun blickt der Stürmer auf eine kurze, aber intensive Zeit in Dresden zurück. ©  dpa/Robert Michael

Dresden. Der Umbruch ist beinahe total. Nach dem Abstieg schickt Dynamo Dresden gleich 17 Spieler weg. Diesen radikalen Schnitt hat der neue Sportgeschäftsführer Ralf Becker am Freitag in einem Interview auf der Internetseite des Vereins verkündet. Offenbar kam das auch für einige Betroffene überraschend – wie für Patrick Schmidt. 

Der Stürmer war seit Januar vom 1. FC Heidenheim ausgeliehen und mit sechs Treffern, darunter ein Doppelpack beim 2:1 gegen Erzgebirge Aue, der beste Torschütze für die SGD in der Rückrunde.

Im Interview mit der SZ zieht der 26-Jährige seine sehr persönliche Dresden-Bilanz und äußert sich zum Abschied.

Patrick Schmidt, was bleibt für Sie nach einem halben Jahr in Dresden?

Es hört sich vielleicht komisch an wegen des Abstiegs, aber ich kann nur Positives sagen. Ich habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt und es genossen, in einem so traditionsreichen Verein und vor so enthusiastischen Fans zu spielen. Das ist genau mein Ding, hat mir vorher gefehlt. Hinzu kommt diese beeindruckende Stadt. Es hat mir super gefallen. Ich bin dankbar für diese sechs Monate und stolz, für so einen Verein gespielt zu haben.

Als Sie im Januar kamen, betonten Sie, an den Klassenerhalt zu glauben. War der dann wegen „dieses Corona-Gedöns“, wie es Trainer Markus Kauczinski nannte, unmöglich geworden?

Ich kann verstehen, wenn jemand sagt: Die waren davor schon Letzter. Aber wenn man es genau betrachtet, waren wir in den sieben Spielen nach der Winterpause bis zum Corona-Stopp mit elf Punkten die fünftbeste Mannschaft. In den zwei, drei Partien davor hatte sich gerade eine Mannschaft gefunden, wir hatten mehr Sicherheit bekommen. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir es geschafft hätten. Dann wurde durch Corona sowieso schon alles wieder auf Null gestellt und durch unsere Quarantäne, ja, hatten wir einen ganz klaren Nachteil. Trotzdem habe ich weiter geglaubt, dass wir es schaffen, muss aber im Nachhinein sagen, dass es so leider doch nicht zu bewältigen war.

Das Tor des Monats März: Mit einem Fallrückzieher überwindet Patrick Schmidt (2. v. r.) Aue-Torwart Martin Männel, Dynamo gewinnt mit 2:1. Es ist am 8. März das letzte Spiel vor der Corona-Zwangspause, mehr als 30.000 Zuschauer sind im Rudolf-Harbig-Stadi
Das Tor des Monats März: Mit einem Fallrückzieher überwindet Patrick Schmidt (2. v. r.) Aue-Torwart Martin Männel, Dynamo gewinnt mit 2:1. Es ist am 8. März das letzte Spiel vor der Corona-Zwangspause, mehr als 30.000 Zuschauer sind im Rudolf-Harbig-Stadi ©  dpa/Robert Michael

Warum? In England werde doch auch alle drei Tage gespielt, heißt es zum Beispiel …

Klar, aber da gilt es für jede Mannschaft und nicht nur eine – genau wie in der 3. Liga. Dann wird keiner benachteiligt. Wenn es aber 17 nicht machen und eine Mannschaft im Drei-Tage-Rhythmus spielt, ist es für die ein klarer Nachteil. Wir hatten zudem zwei Wochen weniger Training, waren dadurch schon weniger fit als die Gegner und mussten das doppelte Pensum absolvieren. Das hat man gemerkt.

Wie haben Sie es gemerkt?

In den entscheidenden Zweikämpfen auch bei mir selbst: Es hat sowohl im Kopf als auch körperlich oft ein Tick gefehlt, den der Gegner einfach schneller war.

Wann war Ihnen das bewusst?

Nach dem Sieg in Wiesbaden habe ich fest daran geglaubt, anschließend haben wir zu Hause gegen Fürth nur in der zweiten Hälfte top gespielt. Hamburg war in Ordnung, aber nach vorne ging gar nichts. Danach spürte man: Das Feuer geht langsam verloren, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollten. Aber man hat in jedem Spiel gemerkt, dass die anderen fitter waren.

Hätte ein volles Stadion geholfen?

Mit Sicherheit in dem einen oder anderen Spiel wie zu Hause gegen Fürth. Das gewinnst du mit unseren Fans im Rücken. Aber auf Dauer hätten wir den Kräfte-Nachteil auch mit einem vollen Haus nicht kompensieren können.

Was sagen Sie zu den Reaktionen nach dem Abstieg?

Bei allen Klischees, die über die Dynamo-Fans kursieren: Ich war vom ersten Tag an beeindruckt. Wir waren zur Winterpause Tabellenletzter – und zum Abschlusstraining sind fast 5.000 Leute im Stadion. Nach der Quarantäne gibt es vor unserem Hotel eine Pyro-Show an der Elbe, nach dem Hamburg-Spiel die Anfeuerungen vor dem Stadion, und was dann trotz des Abstiegs am letzten Spieltag abging, das hat mich berührt und sprachlos gemacht. Wenn ich davon erzähle, geht es mir nahe, weil es mir für die Fans und den Verein so leidtut.

Im Heimspiel gegen Darmstadt erzielte Patrick Schmidt das 3:3 für Dynamo - doch Schiedsrichter Michael Bacher erkannte nach Videobeweis nicht an. Die Fehlentscheidung wurde vom Sportgericht nicht korrigiert, Dynamos Einspruch in zwei Instanzen abgewiesen.
Im Heimspiel gegen Darmstadt erzielte Patrick Schmidt das 3:3 für Dynamo - doch Schiedsrichter Michael Bacher erkannte nach Videobeweis nicht an. Die Fehlentscheidung wurde vom Sportgericht nicht korrigiert, Dynamos Einspruch in zwei Instanzen abgewiesen. ©  dpa/Robert Michael

Von wegen: abgebrühte Legionäre?

Es ist jedem sehr, sehr nahegegangen. Jeder in der Mannschaft hat es genossen, vor diesen Fans zu spielen, hat alles versucht, und für jeden war es schlimm, dass es nicht gereicht hat. Keiner steigt gerne ab.

Wie sind Sie persönlich mit dem Abstieg umgegangen?

Ich habe gebraucht, das zu verarbeiten. Es wäre mein Wunsch gewesen, dass wir drin bleiben, Dynamo die Kaufoption zieht und ich weiter für diesen Verein spielen kann. Daran, dass es nicht geklappt hat, habe ich schon zu knabbern. Ich war mit einem Kumpel auf Fuerteventura im Urlaub, um den Kopf freizubekommen und die Batterie aufzuladen. Es geht immer weiter. Das merkt man auch jetzt in Dresden, wie sich alle freuen, wenn die Neuzugänge vorgestellt werden. Das entfacht eine leichte neue Euphorie. So ist es bei mir auch. Es hängt immer noch drin, aber ich richte den Fokus nach vorne.

Mit einem Kumpel fuhr Patrick Schmidt im Urlaub auf Fuerteventura auch im Quad über den Strand - abschalten nach einer intensiven und letztlich glücklosen Zeit bei Dynamo in Dresden. 
Mit einem Kumpel fuhr Patrick Schmidt im Urlaub auf Fuerteventura auch im Quad über den Strand - abschalten nach einer intensiven und letztlich glücklosen Zeit bei Dynamo in Dresden.  © privat
Einfach mal ein anderer Sport: Beim Tennis blieb Patrick Schmidt auch im Urlaub aktiv, 
Einfach mal ein anderer Sport: Beim Tennis blieb Patrick Schmidt auch im Urlaub aktiv,  © privat

Der Trainer meinte, ein Patrick Schmidt würde Dynamo in der 3. Liga gut zu Gesicht stehen. Wieso klappt das nicht?

Da bin ich überfragt. Dass es Gewissheit ist, habe ich selbst auch erst am Freitag bei Instagram gelesen, wenn ich ehrlich sein darf. Ich weiß also nicht, wie die Entscheidung final zustande gekommen ist.

Mit Ihnen hat keiner geredet?

Nein, aber daraus will ich keine große Nummer machen.

Aber das ist doch enttäuschend – oder?

Es war auf jeden Fall komisch zu lesen. Aber noch mal: Ich will nichts reininterpretieren. Ich hatte meinem Berater gesagt, dass ich rausgehalten werden möchte, bis endgültige Entscheidungen anstehen. Die Vorzeichen hatten sich geändert. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag in Heidenheim, Dresden hatte keine Kaufoption mehr. Die Vereine hätten sich einigen müssen.

Wäre die 3. Liga für Sie eine Option?

Natürlich will ich lieber in der zweiten Liga spielen. Aber wenn es die Möglichkeit bei Dynamo gegeben hätte, wäre ich nicht abgeneigt gewesen. Aber so weit ist es nicht gekommen, warum auch immer.

In Heidenheim hatten Sie bis zum Winter selten gespielt. Wie sehen Sie jetzt Ihre Chancen?

Ich muss erst einmal schauen, was dort passiert. Ich habe einen Vertrag bis 2022, denke aber, dass beide Seiten offen und gesprächsbereit sind, wenn sich eine neue Tür öffnen würde. Ich bin froh, dass ich in dieser guten Lage bin, denn viele Kollegen sind nach dieser Saison tatsächlich arbeitslos, weil ihr Vertrag ausgelaufen ist. Es gibt also schlimmere Szenarien.

Man sieht sich immer zweimal im Leben: Sie als Konkurrent oder Spieler von Dynamo?

Vielleicht sogar beides. Ich würde gerne noch mal in der zweiten Liga für Dynamo spielen – mit der gelben Wand im Rücken statt gegen mich. Das ist nämlich deutlich angenehmer.

Glauben Sie an den Wiederaufstieg?

Der Kader ist noch zu klein, um dazu etwas zu sagen. Aber was bisher passiert, hat Hand und Fuß, es ist ein Top-Trainer vor Ort, der weiß, wie man aufsteigt. Es ist alles gegeben, um es spätestens im zweiten Jahr zu schaffen und den Verein dorthin zu bringen, wo er einfach hingehört.

Das Gespräch führte Sven Geisler.

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