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Einigung im Riesaer Teigwaren-Streit

Gewerkschaft und Unternehmen bestätigen das Ende des Arbeitskampfes. Die Nudelproduktion kann wieder normal laufen. Anderswo wird noch verhandelt.

Von Stefan Lehmann & Georg Moeritz
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Mehr Lohn für die Nudelhersteller: Bei Teigwaren Riesa steigen die Stundenlöhne um einen Euro.
Mehr Lohn für die Nudelhersteller: Bei Teigwaren Riesa steigen die Stundenlöhne um einen Euro. © Lutz Weidler

Riesa. Nach mehr als drei Wochen Streik bei den Teigwaren Riesa ist ein Durchbruch erzielt worden – während einer Protest-Busfahrt in Richtung Schwaben. Man habe einen neuen Tarifvertrag unterschrieben, teilte der Betriebsratschef Frank Meyer am Dienstagabend mit.

Die Ereignisse hatten sich im Laufe des Dienstags offenbar regelrecht überschlagen, nachdem laut Meyer das Unternehmen ein neues Angebot vorgelegt hatte. Das habe weitgehend den Forderungen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aus der Vorwoche entsprochen. Anfang September waren die Gespräche aber noch gescheitert. "Das war ein herber Rückschlag", sagt der Betriebsratschef.

Um den Druck auf den Mutterkonzern Alb-Gold zu erhöhen, hatten sich am Dienstag etwa 30 Teigwaren-Mitarbeiter zum Mutterwerk ins knapp 600 Kilometer entfernte Trochtelfingen in Baden-Württemberg auf den Weg gemacht. Zuvor hatte bereits ein Schreiben an die Inhaberfamilie Freidler für Aufsehen gesorgt. Auf der Fahrt erfuhren die Teigwaren-Mitarbeiter vom neuen Angebot des Arbeitgebers. Während der Rückfahrt am Mittwoch berichtete der NGG-Landesbezirkssekretär Olaf Klenke im Gespräch mit sächsische.de, vom Bus aus sei per E-Mail und am Telefon verhandelt worden.

Geschäftsführer Hennig: Befriedung der Situation

Die Zahlen seien eine deutliche Verbesserung, sagte Meyer. Sie entsprächen dem, was die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten schon im Verlauf der Verhandlungen eine knappe Woche zuvor gefordert hatte. "Es ist zumindest ein kleiner Brocken aus der Lohnmauer". Unter dem Slogan "Lohnmauer niederreißen" hatte die Gewerkschaft eine Angleichung der Löhne an West-Niveau gefordert, die nach Gewerkschaftsangaben 700 Euro über dem hiesigen Niveau liegen. Die Teigwaren-Geschäftsführung hatte eine Erhöhung dieser Größenordnung mit der Begründung abgelehnt, eine solche Angleichung würde das Unternehmen in die Insolvenz treiben.

Teigwaren-Geschäftsführer Mike Hennig bestätigte am Mittwoch, der Arbeitskampf sei beendet. Man habe sich auf einen Anschluss-Haustarifvertrag geeinigt. "Dieser Abschluss dient vor allem der Befriedung der Situation und der Abwendung weiteren wirtschaftlichen Schadens von der Teigwaren Riesa."

Teigwaren-Betriebsratschef Frank Meyer verbrachte den Dienstag indes viel am Telefon. Weil ein beträchtlicher Teil der Mitarbeiter noch in Schwaben weilte, habe er sich darum bemüht, die Arbeitskräfte zu mobilisieren – damit mit Beginn der Nachtschicht um 22 Uhr wieder produziert werden konnte. Das war in den vergangenen Tagen wegen der Streiks nur sehr eingeschränkt möglich gewesen.

Ein Euro mehr pro Stunde

Nach Angaben der NGG vom Mittwoch steigen die Stundenlöhne der Teigwaren-Mitarbeiter innerhalb der kommenden sieben Monate um einen Euro in der Stunde. Für eine Vollzeitkraft erhöhe sich der Monatslohn damit um 173 Euro. In der untersten Tarifgruppe steigen die Löhne um etwas mehr als zehn Prozent. In der Verpackung, in der laut NGG der größte Teil der Beschäftigten arbeitet, um 8,7 Prozent. Für Anlagenfahrer beläuft sich die Lohnsteigerung auf 7,6 Prozent. Der Tarifvertrag habe eine Laufzeit bis Ende August 2022. Anschließend werde über weitere Lohnerhöhungen neu verhandelt, kündigte die Gewerkschaft an.

Die nunmehr beendet Streikperiode bei den Riesaer Teigwaren hatte im Juli begonnen und sich über den August hingezogen, nachdem es zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zu keiner Einigung im Tarifkonflikt gekommen war. Zuletzt hatten Riesaer Teigwaren-Beschäftigte mehr als drei Wochen durchgängig gestreikt. Das Unternehmen, das als führender Markenhersteller in Ostdeutschland gilt, zählt derzeit rund 150 Beschäftigte.

Forderungen für Teiglingswerk in Nordsachsen

Gewerkschafter Klenke sagte, jetzt gelte im Riesaer Werk wieder die Friedenspflicht. Doch die NGG habe "immer irgendwo Tarifverhandlungen laufen". Derzeit fordern Beschäftigte eines wenig bekannten Betriebs mit gut 200 Beschäftigten in Dommitzsch bei Torgau einen Tarifvertrag: Das Werk des belgischen Vandemoortele-Konzerns stellt Teiglinge her, die dort vorgebacken und eingefrostet werden. Teiglinge sind zum Beispiel vorgeformte Brötchen für Supermärkte.

Im Dresdner Margarinewerk desselben Konzerns hatte die NGG voriges Jahr einen Tarifabschluss erzielt, der den Beschäftigten laut NGG im Schnitt 15 Prozent mehr Geld bringt. Das habe die Kollegen in Dommitzsch ermutigt, sagte Klenke: "Wir können ja nur unterstützen, wo sich eine kritische Masse zusammenfindet." In Dommitzsch fanden nun Aktionstage statt, unter dem Motto "Grillen für Kohle".

Die NGG hatte in den vergangenen Monaten auch Tariferhöhungen im Cargill-Ölwerk Riesa, bei Elbtal Tiefkühlkost des Frosta-Konzerns in Lommatzsch und bei Bautz’ner Senf erreicht. Flächentarifverträge der NGG gibt es in der Süßwarenindustrie, bei Brauereien, Molkereien und Brot-Industrie. Zum Teil gelten dort Bedingungen wie im Westen, laut Klenke beispielsweise in der Süßwaren-Industrie gleiche Löhne, aber eine Wochenstunde mehr Arbeit.

Doch nur ein Teil der Betriebe gehört den Arbeitgeberverbänden an, die sich direkt an diese Tarife halten. Die meisten Brauereien und Molkereien in Sachsen beispielsweise sind nicht direkt tarifgebunden. Laut Klenke bringen Abschlüsse wie der jüngste in Riesa den Gewerkschaften mehr Zuspruch: "Viele Mitglieder bringen auch stärkere Abschlüsse."