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Dynamos Sportchef: "Dem Verein geht es nicht gut"

Vor Dynamos Spitzenspiel gegen Hansa Rostock spricht Ralf Becker im Interview über den Aufstieg, Corona-Hilfen und einen neuen Vertrag für den Trainer.

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Ralf Becker glaubt fest an Dynamos Aufstieg – ohne den Umweg Relegation. Seit dem 1. Juli 2020 ist der 50-Jährige Sportchef in Dresden.
Ralf Becker glaubt fest an Dynamos Aufstieg – ohne den Umweg Relegation. Seit dem 1. Juli 2020 ist der 50-Jährige Sportchef in Dresden. © dpa/Robert Michael

Herr Becker, nach der Niederlage bei 1860 München ist der Vorsprung auf den Relegationsplatz auf einen Punkt geschmolzen. Sind Sie nervöser als vor einigen Wochen?

Der Tag nach einer Niederlage ist immer ein bisschen schwer. Aber wenn das dann ab- und aufgearbeitet wurde, geht es auch schon wieder weiter.

Würden Sie nach einer weiteren Niederlage am Ostersonntag im Spitzenspiel gegen Hansa Rostock und dem Verlust der Tabellenführung länger als einen Tag zur Aufarbeitung brauchen?

Natürlich ist das ein sehr, sehr wichtiges Spiel. Wir haben das klare Ziel, diese Partie zu gewinnen. Aber auch am Sonntag wird noch keine Entscheidung fallen – egal, wie es ausgeht. Nervös ist in diesem Zusammenhang ohnehin das falsche Wort.

Sie sprechen seit Ihrem Amtsantritt im vergangenen Sommer im Zusammenhang mit dem Aufstieg von einem Zweijahres-Plan. Wie schmerzlich wäre es angesichts dieser Ausgangslage, wenn er noch umgesetzt werden müsste?

Ich habe an meinem ersten Arbeitstag gesagt, dass ich einen Zweijahres-Vertrag bei Dynamo mit dem Ziel unterschreibe, in dieser Zeit wieder aufzusteigen. Gleichzeitig habe ich erklärt, dass wir alle im Verein wahnsinnig ehrgeizig sind und den maximalen Erfolg wollen. Wenn man nach 29 Spieltagen an der Spitze steht, ist es doch klar, dass man alles dafür tut, diese Position zu verteidigen.

Was macht Sie optimistisch, dass der Aufstieg auch ohne Relegation klappt?

Wir haben eine gute Mannschaft, eine gute Qualität im Kader, einen guten Teamgeist, eine gute Mentalität und hohe sportliche Ziele – all das ist, denke ich, deutlich geworden in der Saison. Und das gibt mir ein gutes Gefühl, dass wir dies auch in den verbleibenden Wochen noch zeigen werden.

Sorgen Sie sich, dass die wieder ansteigende Corona-Kurve den Aufstieg noch verhindern könnte?

Ich sorge mich mehr um die generelle Situation im Land. Ein Saisonabbruch würde ja alle Vereine treffen, nicht nur uns. Natürlich hoffe ich, dass es nicht so kommt. Wir als Dynamo geben alles, um unseren Teil beizutragen, dass bis zum Schluss gespielt werden kann. Und wir wissen auch, dass wir in einer privilegierten Situation sind, weil wir unseren Beruf weiter ausüben können – wenn auch unter veränderten Bedingungen.

Rostock möchte bald vor 3.000 Zuschauern spielen. Wenn in Dresden das Stadion vorerst weiter leer bleibt: Ist das dann noch ein fairer Wettbewerb?

Das Land und die ganze Welt stecken in einer Krise, die es seit Jahrzehnten nicht gab. Wenn in einer solchen Situation Pilotprojekte gestartet werden in einer Region, in der die Ansteckungszahlen nicht so hoch sind wie bei uns, möchte ich nicht über einen Wettbewerbsnachteil reden. Wenn es die Möglichkeit gibt, ein Stück weit in Richtung Normalität zu kommen, sollte man die nutzen und sich darüber freuen – unabhängig vom Verein.

Ein ganz anderes Thema: Wann sprechen Sie mit Cheftrainer Markus Kauczinski, dessen Vertrag Ende Juni ausläuft, über eine Verlängerung?

Dazu habe ich mich schon geäußert, und da gibt es auch nichts Neues zu sagen.

Sportgeschäftsführer Ralf Becker und Cheftrainer Markus Kauczinski haben Anfang Januar miteinander gesprochen - und das Thema Vertragsverlängerung seitdem vertagt. Erst mal soll es mit dem Aufstieg klappen.
Sportgeschäftsführer Ralf Becker und Cheftrainer Markus Kauczinski haben Anfang Januar miteinander gesprochen - und das Thema Vertragsverlängerung seitdem vertagt. Erst mal soll es mit dem Aufstieg klappen. © Lutz Hentschel

Können Sie verstehen, dass das Zögern auf Unverständnis stößt?

Ich erkenne da kein Zögern. Wir konzentrieren uns jetzt voll auf den Aufstieg. Und wenn wir aufgestiegen sind, dann würden wir gerne in dieser Konstellation weiterarbeiten. Das haben wir bereits im Januar so besprochen und auch kommuniziert.

Als Zögern kann man es empfinden, weil es in der Branche üblich ist, die Verträge bei erfolgreicher Arbeit vor dem Ablauf zu verlängern.

Unser Ziel ist, in der nächsten Saison in der 2. Bundesliga zu spielen. Und dem ordnen wir alles unter.

Haben Sie nicht Angst, dass der Trainer zu einem anderen Verein geht?

Natürlich kann das beim auslaufenden Vertrag vielleicht passieren. Aber ich denke, dass Markus auch weiß, was er an Dynamo hat. Wir sind alle sehr zufrieden, wie es gerade läuft, und haben ein gemeinsames Ziel, das wir unbedingt erreichen wollen.

Muss der Kader im Aufstiegsfall verstärkt werden?

Erst einmal müssen wir den Aufstieg schaffen. Wir hatten im Sommer eine fast komplett neue und sehr junge Mannschaft zusammengestellt und den Neuzugängen längerfristige Verträge gegeben. Sie sollen sich bei uns entwickeln. Das heißt, dem Großteil von ihnen würden wir auch in der 2. Bundesliga das Vertrauen schenken, weil wir von ihnen total überzeugt sind. Trotzdem würden wir punktuell etwas tun.

Sind Gespräche mit möglichen Neuzugängen in dieser Phase, in der noch nicht endgültig feststeht, ob Dynamo nächste Saison in der 2. oder 3. Liga spielt, schwierig?

Es wird bei uns im Sommer nicht so viel passieren, weil sehr viele Spieler dann weiterhin gültige Verträge haben. Trotzdem kann man natürlich Gespräche führen, das werden wir auch tun. Erst einmal konzentrieren wir uns aber auf diese Saison.

Wie verändert sich der Transfermarkt durch Corona?

Im Sommer wird erst einmal alles etwas langsamer gehen, viele warten ab, wie sich die Lage entwickelt. Deshalb haben wir da auch keine Eile. Insgesamt gehe ich fest davon aus, dass sich die Ablösesummen und Gehälter anpassen werden – nach unten. Das Niveau war vor Corona wahnsinnig hoch, und es muss auch nicht gleich von heute auf morgen sinken. Aber es wird einen schleichenden Prozess geben.

Aufs Geld schaut auch Dynamo. Für die Zeit, als Spieler in Quarantäne mussten, hat der Verein – wie mehrere andere Profiklubs – staatliche Hilfen beantragt und erhalten. Es stellt sich die Frage: War das wirklich nötig?

Eins ist klar: Dem Verein geht es nicht gut. Fast ein komplettes Jahr ohne Zuschauer spielen zu müssen, ist nicht leicht zu verkraften. Dynamo wird diese Saison einen hohen siebenstelligen Betrag Minus machen. Wir sind froh, dass wir weiterarbeiten können, müssen uns aber durch die schwierige Situation kämpfen. Dazu gehört die Inanspruchnahme solcher Hilfen.

Das Gespräch führte Daniel Klein.

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