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Dynamos Sohm: Seine ersten Tore gegen den Frust

Der Stürmer hatte einen schwierigen Start in Dresden. Beim 4:2 gegen Köln trifft er erstmals und dann gleich doppelt. Seine Karriere ist ohnehin eher ungewöhnlich.

Von Daniel Klein & Jens Maßlich
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Die Hände zum Himmel – und Antreten zum Feiern: Pascal Sohm (Mitte) bittet Ransford-Yeboah Königsdörffer und Christoph Daferner zum Tortanz.
Die Hände zum Himmel – und Antreten zum Feiern: Pascal Sohm (Mitte) bittet Ransford-Yeboah Königsdörffer und Christoph Daferner zum Tortanz. © Foto: Jan Huebner

Dresden. Es sind ungewöhnliche Klänge, die derzeit nach den Spielen aus der Dynamo-Kabine dringen. Irgendwie hört es sich an wie Kindergeburtstag. Die Figuren „Bibi & Tina“ sind bisher jedenfalls vor allem bei Mädchen und Jungen beliebt. Und jetzt auch bei Profi-Fußballern? „Wir haben ein bisschen Beat druntergelegt“, klärt Pascal Sohm auf. So wird ein Kinderlied zur Siegerhymne. „Es gehört bei uns inzwischen dazu.“ Natürlich nur nach Erfolgen, zuletzt also sehr oft.

Bei der Rückfahrt aus Köln wurde der neue Stimmungsmacher sicher auch aufgelegt. Bei einer Busreise, die sechseinhalb Stunden dauert, bleibt genügend Zeit für Männerchor und Karaoke. Allein an der Statistik nach dem 4:2 gegen Viktoria Köln kann man sich berauschen: wieder vier Tore geschossen, zum dritten Mal in dieser Saison ein Spiel nach Rückstand gedreht, in den vergangenen acht Spielen 22 von 24 möglichen Punkten geholt, den Vorsprung als Drittliga-Spitzenreiter auf sieben Zähler ausgebaut. „Wenn es läuft, dann läuft‘s“, meint Sohm. Seit Samstagnachmittag gilt das auch für ihn.

Er hat noch keinerlei Erfahrungen als Joker

Nach 74 Minuten erst wurde der 29-Jährige eingewechselt, fünf Minuten später erzielte er sein erstes Tor für Dynamo zum 3:2 und kurz vor dem Ende gleich sein zweites zum Endstand. „Normalerweise tue ich mich immer etwas schwer, wenn ich ins Spiel reinkomme, aber jetzt war ich von der ersten Minute da“, erklärt Sohm. Das ist fast ein wenig untertrieben.

Dass ihm die Jokerrolle normalerweise nicht so behagt, könnte schlicht daran liegen, dass sie für den Stürmer komplett ungewohnt ist. Vergangene Saison hatte er beim Halleschen FC lediglich zwei Partien verpasst, in der Spielzeit davor sogar nur eine. Sohm war das, was man im Fußball eine Stammkraft nennt. Nach seinem Wechsel im Sommer nach Dresden ist die Situation eine komplett andere.

In der Vorbereitung wird der Mittelstürmer meist auf der rechten Seite eingesetzt, erste Wahl scheint er bei Trainer Markus Kauczinski nicht zu sein. Beim Saisonauftakt, dem Pokalsieg gegen den Hamburger SV, steht er 17 Minuten auf dem Platz, bei den nächsten beiden Partien sitzt er auf der Bank, dann selbst das nicht mehr. Sohm knickt im Training um, hat Schmerzen im Sprunggelenk, die nicht weggehen.

Eigentlich, sagt Pascal Sohm, sei er kein guter Einwechsler. Er brauche immer etwas, um im Spiel zu sein. Diesmal geht es ganz schnell, auch mit dem Torjubel.
Eigentlich, sagt Pascal Sohm, sei er kein guter Einwechsler. Er brauche immer etwas, um im Spiel zu sein. Diesmal geht es ganz schnell, auch mit dem Torjubel. © Jan Huebner

„Gerissen oder gebrochen war nichts. Allerdings hatte er sich ein Knochenödem zugezogen, also eine Art blauer Fleck im Knochen. Das entstehende Druckgefühl war sehr schmerzhaft“, erklärt Mannschaftsarzt Onays Al-Sadi. Mehr als einen Monat fehlt Sohm. Der ideale Einstand bei einem neuen Arbeitgeber sieht irgendwie anders aus.„Natürlich habe ich mir das nicht so vorgestellt. Der Start war schwierig“, sagt er Anfang November, als er endlich wieder ins Training einsteigen kann, rückblickend. „Wenn sich die Mannschaft gefunden und eingespielt hat, könnte es für mich schwerer werden.“ Es scheint zunächst, als liegt er mit seiner Prognose richtig. Mitte November kehrt er zwar auf den Platz zurück, aber erst einen Monat später gehört er gegen seinen Ex-Verein HFC das erste Mal zur Startelf.

Was noch fehlte, war sein Tordebüt für Dynamo. „Das kann jetzt wegen mir so schnell kommen wie möglich“, erklärt er. Gegen Verl reichte es zunächst nur zu einer Vorarbeit, gegen Köln entschied er eine turbulente Partie, in der die Schwarz-Gelben gleich zweimal in Rückstand geraten waren, mit seinem Doppelpack. „Das ist einfach phänomenal – und für einen Stürmer immer etwas Besonderes, wenn der Groschen fällt.“ Zumal für einen, dessen letztes Erfolgserlebnis fünf Monate zurücklag.

Die ganze Mannschaft hat ganz viel Selbstbewusstsein

Nun aber scheint Sohm endgültig angekommen zu sein bei Dynamo. Vor seinem ersten Tor tunnelte er den Kölner Gegenspieler, beim zweiten entschied er sich gegen ein Abspiel, hämmerte den Ball stattdessen selber unter die Latte. „Ich konnte in letzter Zeit ja viel Kraft sammeln“, sagt der in Künzelsau geborene Württemberger. „Und ich bin bekannt dafür, dass ich keinen Zitterfuß habe.“ Das klingt nach ganz viel Selbstbewusstsein.

Damit ist er derzeit kein Einzelfall bei Dynamo, die ganze Mannschaft strahlt das aus. Wie schon gegen Verl war das Spiel bei Viktoria keines, das nach Plan lief. Dresden geriet zweimal in Rückstand, erst nach einem umstrittenen Handelfmeter, dann durch einen Fehlgriff von Torhüter Kevin Broll, der den Ball beim Fangen durch seine Finger rutschen ließ. „Das darf mir natürlich nicht passieren“, gesteht er.

Kauczinski findet, dass „ein Unentschieden auch okay gewesen wäre. Köln hat uns immer wieder vor Probleme gestellt. Zwischendurch konnten wir nur wenig für Entlastung sorgen. Mit den Wechseln haben wir das Spiel dann auf unsere Seite gebracht“, erklärt er. Gemeint war vor allem Edeljoker Sohm.

Fachliteratur statt Spielkonsole

Der hat nicht nur einen unglücklichen Einstand in Dresden, sondern auch eine für einen Profi-Fußballer ungewöhnliche Karriere hingelegt. Nach seinem Abitur ist das Kicken erst mal nur Hobby, deshalb studiert er an der Uni Stuttgart Sportwissenschaften. In seiner Freizeit sitzt er nicht an einer Spielkonsole, sondern über Büchern, meist ist es Fachliteratur. „Ich weiß dadurch, welche Prozesse im Körper ablaufen und welche Faktoren begünstigend wirken“, erzählt er, achtet auf die Ernährung und seine Regeneration.

Auf die Tabelle, das betonen auch seine Mitspieler, achtet er derzeit noch nicht. Dabei sieht die nicht nur wegen der gewonnen Weihnachtsmeisterschaft sehr erfreulich aus. Eine Prognose formuliert er aber doch: „Wenn wir so weitermachen, können wir Großes erreichen.“ Gemeint ist der Aufstieg. Aber vielleicht auch ein Pokalsieg am Dienstagabend gegen Darmstadt 98.

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