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Dynamo: Die Bilanz der Aufstiegsrandale

Ein Jahr nach den schweren Ausschreitungen am Rande des Aufstiegsspiels zwischen Dynamo Dresden und Türkgücü München wurden 300 Täter identifiziert. Noch sind die Ermittlungen nicht beendet.

Von Timotheus Eimert
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Vor fast genau einem Jahr hatten Fußball-Chaoten Polizisten mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik beworfen.
Vor fast genau einem Jahr hatten Fußball-Chaoten Polizisten mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik beworfen. © Archiv: dpa/PA/Robert Michael

Dresden. Der 16. Mai 2021 hätte eigentlich einer der schöneren Tage in der Dresdner Fußball-Historie werden können. Drittligist Dynamo gelingt durch den 4:0-Erfolg gegen Türkgücü München am vorletzten Spieltag der direkte Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga. Doch am Rande kommt es zu schweren Ausschreitungen zwischen Polizei und gewaltbereiten Fans.

Während die Mannschaft im wegen der Corona-Auflagen leeren Rudolf-Harbig-Stadion die Rückkehr in Liga zwei feucht-fröhlich feiert, eskaliert davor die Situation. Rund 5.000 Fans, darunter mehrere hundert gewaltbereite, versammeln sich auf der Lennéstraße und im nahe gelegenen Großen Garten – trotz damaligen Versammlungsverbots. Rund 500 gewaltbereite Dynamo-Fans greifen Polizeieinheiten an, die das Stadion abgeriegelt hatten. Glasflaschen, Pflastersteinen, Holzpfähle und Böller fliegen, Barrikaden werden errichtet. Die Polizei antwortet mit Wasserwerfern und Tränengas.

Mehr als 185 Polizisten, mehrere Journalisten und eine unbekannte Anzahl von Fans werden zum Teil schwer verletzt. Die Ausschreitungen dauern mehrere Stunden an. Mehr als tausend Anhänger sollen sich nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft an den Krawallen beteiligt haben. Aus dieser Masse heraus starteten Hunderte Täter ihre Angriffe. Ein Jahr sind die bislang schwersten Fußball-Ausschreitungen in Dresden nun her. Was ist seitdem passiert? Und wie fällt die Bilanz des Vereins aus?

Polizei ermittelte 650 Gewalttäter

Die Polizei nahm die Ermittlungen unmittelbar nach den Ereignissen auf und richtete die „Soko Hauptallee“ ein. Zwei Monate nach den Ausschreitungen wurden 55 Wohnungen durchsucht, mehrere Verdächtige verhaftet. Zudem wurde öffentlich auf Plakaten nach Hundert weiteren Verdächtigen gefahndet. 50 haben sich selbst gestellt, nachdem sie ein Foto von sich im Internet oder in der Zeitung gesehen hatten. Die Identität von 30 weiteren wurde mit der Hilfe von Zeugen geklärt.

In einer ersten Zwischenbilanz nach einem halben Jahr hatte die Soko mehr als 650 Gewalttäter auf den umfangreichen Videoaufnahmen herausgearbeitet und 236 dank moderner Videotechnik und künstlicher Intelligenz zweifelsfrei identifiziert. Nach einem Jahr sind nun rund 300 bekannt. Sie sind überwiegend männlich und deutscher Herkunft. Nach Angaben der „Soko Hauptallee“ kommen sie aus fast alle gesellschaftlichen Gruppen.

So sind unter den Tatverdächtigen Alleinstehende und Familienväter sowie Berufsgruppen wie Versicherungsvertreter und Lehrer bis hin zu Mitarbeitern von Ministerien der sächsischen Staatsregierung sowie Arbeitssuchende. Die ersten Beschuldigten wurden Anfang des Jahres verurteilt. Vier Männer im Alter von 21 bis 30 Jahren mussten sich unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen verantworten.

Teil der Ultras Dynamo soll Krawalle angeführt haben

Dynamo Dresden selbst sprach bis Mitte November Stadionverbote gegen 65 Personen aus. Elf davon sind Vereinsmitglieder. Gegen sie hatte der Verein sogenannte Ehrenratsverfahren eingeleitet. Der Ehrenrat sollte darüber entscheiden, ob diese Mitglieder auch aus dem Klub ausgeschlossen werden. Ob oder wann dies erfolgte, ist unklar. Eigentlich wollte sich der Verein anlässlich des Jahrestages dazu äußern, doch aufgrund der sportlich prekären Situation wurde das auf die Zeit nach den Relegationsspielen verschoben. Dynamo verweist darauf, dass diese beiden Partien jetzt professionell vorbereitet werden und man im engen Austausch mit allen beteiligten Parteien steht.

Wiederholt hatte die Polizei das fehlende Engagement des Vereins kritisiert und bemängelt, dass dieser nicht wirkungsvoller gegen Störer und Gewalttäter vorgeht. Zuletzt scharf formuliert wurde das Mitte April. In den zwei Monaten, in denen Dynamos Geschäftsführer Jürgen Wehlend wegen eines Herzinfarktes und der anschließenden Reha nicht arbeiten konnte, hätte es im Verein keinen Ansprechpartner gegeben, kritisierte die Polizei. Wehlend selbst betonte stets, dass Dynamo und seine Mitglieder aktiv gegen Gewalt und Diskriminierung jeglicher Art innerhalb und außerhalb des Stadions stünden.

Vor einem Monat wurde bekannt, dass Teile der Ultras Dynamo die Krawalle angeführt haben soll. Die Polizei durchsuchte daraufhin die Wohnungen von 28 Männern im Alter zwischen 19 und 48 Jahren. Gegen sie wird wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall ermittelt. Die Polizei wies darauf hin, dass nicht alle Mitglieder der Dynamo-Ultras gewaltbereit sind. Wehlend erklärte Ende April bei seiner Rückkehr, dass man sich im Gespräch mit den Ultras befinde. Es gibt also weiter viel aufzuarbeiten.