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Kletterhallen in und um Dresden: Der Boom geht weiter

Seit 2000 hat sich die Anzahl der Kletter- und Boulderhallen in Deutschland verdreifacht. Auch in und um Dresden gibt es immer mehr – und bald die nächste Neueröffnung. Warum zieht es die Menschen an die Wände?

Von Michaela Widder
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Kletterfreak Robert Leistner leitet das Mandala in der Dresdner Zeitenströmung und will demnächst eine zweite Boulderhalle in der Stadt eröffnen.
Kletterfreak Robert Leistner leitet das Mandala in der Dresdner Zeitenströmung und will demnächst eine zweite Boulderhalle in der Stadt eröffnen. © (c) Christian Juppe

Dresden. Wenn es ums Klettern in Dresden oder der Sächsischen Schweiz geht, kommt man an diesem Mann nicht vorbei. Alexander Adler, Anfang der 1990er-Jahre einer der besten Sportkletterer der Welt, gehörte auch zur DDR-Delegation, die 1989 auf Einladung von Machtinhaber Kim in Nordkorea kletterte.

In der Szene machte sich Adler zudem einen Namen mit seiner Wiederholungsbegehung der legendären Action Directe im Frankenjura, damals eine der weltweit schwersten Routen. Und auch heute, fast 30 Jahre später, sagt er über seine große Leidenschaft: „Wenn ich nicht arbeite, bin ich am Fels.“ Andersrum lässt sich sagen: Wenn er arbeitet, dann ist die Kletterwand sein Arbeitsplatz.

Adler betreibt das XXL im Süden von Dresden, noch immer eine der größten Kletterhallen im Osten Deutschlands. Auf jeden Fall ist es die Erste gewesen. 1995 eröffnete er mit einem weiteren Partner eine, wie er sagt, winzige Anlage mit einer 100-Quadratmeter-Wand in dem Sport- und Freizeitzentrum.

Einst Kletterprofi, heute Geschäftsführer im XXL: Alexander Adler. Der 56-Jährige steht vor einem Kilterboard - eine moderne Trainingswand mit leuchtenden Griff, die über eine App gesteuert wird.
Einst Kletterprofi, heute Geschäftsführer im XXL: Alexander Adler. Der 56-Jährige steht vor einem Kilterboard - eine moderne Trainingswand mit leuchtenden Griff, die über eine App gesteuert wird. © SZ/Michaela Widder

An diese Anfänge erinnert er sich noch bestens: „Ich bin angefeindet und von eingefleischten Bergsteigern teilweise übel angegangen worden von, wir würden daraus ein Business machen und den Klettersport dadurch kaputtmachen“, erzählt er. Doch Adler, der viel in der Welt herumkam, spürte den Zeitgeist – damals wie heute.

Die Nähe zur Sächsischen Schweiz mit ihrer Klettertradition, die allerdings stark regulierend ist, ist wohl unverändert einer der Hauptgründe, warum der Sport in und um Dresden so gefragt ist. „Der Markt ist groß genug, sodass jeder seinen Platz findet“, meint der Geschäftsführer, der 2013 die Anlage komplett übernahm und den Kletterbereich inzwischen Stück für Stück erweitert hat.

Neben dem XXL gibt es wenige Kilometer entfernt das Yoyo in Heidenau, die Kletterarena in der Nähe des Dresdner Hauptbahnhofs, die Boulder-City in der Neustadt sowie die Kletterhalle des Sächsischen Bergsteigerbundes (SBB). Und dann gibt es darüber hinaus zwei reine Boulder-Hallen: das Mandala im nördlichen Industriegebiet Dresdens sowie der neue Boulderdrome in Radebeul.

„Es ist ein Sport, der niedrigschwellig erlebbar ist"

Während für viele das Seilklettern in der Halle eine gute Möglichkeit ist, auch im Winter zu trainieren, verfolgt das Bouldern einen ganz anderen Ansatz. Was früher Nische war, ist mittlerweile ein Breitensport in hipper Atmosphäre. Während der Klettersport sukzessive gewachsen ist, meint Adler, hat das Bouldern in den vergangenen Jahren in ganz Europa einen wahren Boom erlebt.

Ein wesentlicher Grund für die Boulder-Begeisterung ist die vergleichsweise niedrige Einstiegshürde. Geklettert wird ohne Seil und in maximal vier Metern Höhe, abgesichert durch dicke Matten am Boden.

„Es ist ein Sport, der niedrigschwellig erlebbar ist. Man kommt in die Halle, leiht sich Schuhe aus, bekommt eine kurze Einweisung, und dann ist man direkt im Geschehen. Der Weg zum ersten Erfolg ist kurz“, erklärt Mayte Leistner, Marketingchefin im Mandala. „Die meisten unserer Kunden sind auch keine Kletterer mit Seil, sie bleiben in der Halle“, erzählt sie. Im Vergleich dazu gehe der klassische Kletterer, so sind Adlers Erfahrungen, auch mal bouldern, um für seine Touren zu trainieren.

Kein Seil, kein Gurt, kein Partner - trotzdem kommunikativ

Der Begriff Bouldern kommt aus dem Englischen und bedeutet Felsblock – damit ist der Sport schon so gut wie erklärt. Denn: Bouldern bedeutet klettern an Felsblöcken oder künstlichen Wänden in Absprunghöhe – weshalb man eben auch kein Seil, keinen Gurt und auch keinen Partner braucht.

Gebouldert wird übrigens schon lange, damals hieß es nur noch nicht so. Den eigentlichen Triumphzug startete das Klettern auf Absprunghöhe um 1950 von Kalifornien aus. 2001 fand die erste Weltmeisterschaft statt – und 20 Jahre später in Tokio die olympische Premiere mit einem Kombi-Wettbewerb aus Seilklettern, Bouldern und Speed-Climbing.

In den meisten Boulderhallen geht es allerdings gar nicht um Wettkampf, im Gegenteil. Es ist vielmehr ein Lebensgefühl, ein Ort, um sich zu treffen. Es wird auch viel geguckt, aber eher im emphatischen Sinne. „Wir haben das ganz stark nach Corona gespürt, da haben uns die Leute die Bude eingerannt, um einfach zusammen abzuhängen“, erzählt Mayte Leistner. Auch für Alexander Adler sind Kletter- und Boulderhallen das „moderne Paarship, also Kommunikationsplattform“.

Fabian Ludwig und Leonie Gildein sind die Chefs im Boulderdrome in Radebeul. Ein Jahr nach der Neueröffnung in der früheren Diskothek ziehen die Beiden positive Bilanz.
Fabian Ludwig und Leonie Gildein sind die Chefs im Boulderdrome in Radebeul. Ein Jahr nach der Neueröffnung in der früheren Diskothek ziehen die Beiden positive Bilanz. © Arvid Müller

Statt After-Work-Drink in der Bar geht es nun also zum After-Work-Klettern in die Halle. Ein gemütlicher Lounge-Bereich mit einer Kaffeebar gehört längst dazu.Vor allem unter jungen Erwachsenen ist Bouldern ein großer Trend – und die Nachfrage ungebrochen.

Auch deshalb eröffnete vor einem Jahr ein Berliner Pärchen in Radebeul das Boulderdrome. Wo früher wilde Partys gefeiert wurden, hängen jetzt viele Schüler, aber auch Familien an den Wänden. „Wir blicken auf ein erfolgreiches erstes Jahr. Wir sind ein kleines Team, die Stimmung vor Ort ist hervorragend“, sagt Inhaber Fabian Ludwig. Und er betont: „Wir sind noch nicht so überlaufen“.

Die besondere Location, in die Aspekte aus dem Club- und gar nicht unbedingt aus dem Outdoorbereich eingeflossen sind, kommt an. In der ehemaligen Diskothek soll nun der größte Außen-Boulderbereich Sachsens entstehen. „Der Bauantrag läuft“, sagt Ludwig, der seit 18 Jahren auch Routenbauer in ganz Deutschland ist.

Der Zulauf beim Bouldern ist enorm

Dass noch kein Ende beim Boulder-Boom abzusehen ist, spüren auch die Macher vom Mandala. Geschäftsführer Robert Leistner wird sogar eine zweite Halle in der Stadt eröffnen. Die Räumlichkeiten am Postplatz sind angemietet, die Schlüssel sollen in den nächsten Tagen übergeben werden. „Wir eröffnen eine zweite Boulder-Halle, weil der Zuspruch so enorm ist“, erklärt Mayte Leistner, die Frau des Geschäftsführers.

Spätestens mit der Neueröffnung dürfte dann Dresden – gemessen an der Einwohnerzahl – mit die höchste Dichte an Kletter- und Boulderhallen in Deutschland haben. Ein Kletter-Mekka ist es so und so.